Bettina Mennen ist eine glücklich geschiedene 62-jährige Oma, die uns aus ihrem Leben erzählen möchte. Sie lebt in Aachen, die Enkelkinder in Berlin.
Ich bin Oma geworden. Nicht heute, oder gestern, sondern vor fast sechs Jahren, genauer gesagt, vor 2141 Tagen. Und vor sieben Monaten war es dann zum zweiten Mal soweit: Meine zweite Berliner Hauptstadt-Enkelin erblickte das Licht der Welt. In Moabit – mittendrin im Großstadtdschungel – wo Verkehrskollaps, Menschen aus aller Welt mit ökologisch einwandfreien, längst sich vegan ernährenden Menschen Hand in Hand gehen.
Ein Mix der an Diversität, eines der Lieblingsworte der dort wohnenden Bevölkerung, kaum zu übertreffen ist. Ich bin die Großmutter aus dem rheinischen Aachen, ja richtig gehört, die Stadt, die derzeit nicht wegen des CHIOS, dem größten Reitsportfest der Welt und dem Karlspreis in aller Munde ist, sondern wegen des stets jovial lächelnden Armin Laschet, den es ganz unbedingt in unsere arme, aber sexy Hauptstadt Berlin zieht.
Zwei Enkelkinder, die 638 Kilometer weit entfernt wohnen und leben, sieht man nicht alle Tage. So ist das Wiedersehen stets ein großes Hallo mit viel Tamtam. Will heißen, schon im Vorfeld wird heiß diskutiert und abgewogen, welche Wünsche anstehen. Die eventuellen und die unbedingt zu erfüllenden. Die aus Liebe und die aus handfesten Materialien. Da schwappt das Oma- und Enkelherz regelmäßig über vor Glück und Vorfreude, so dass die Reise manchmal recht „beschwerlich“ ist, mit all den sehnsüchtig erwarteten Geschenken. Ein Glück, das es fantastische, in alle Richtungen fahrende Trollys gibt.
Enkelbesuch ist Ausnahmezustand.
Natürlich nicht im politischen Sinne, als Krieg und Katastrophe verstanden, sondern als Aufruhr des Herzens. Das Oma sein ist wundervoll! Geben und Nehmen, nach Herzenslust und wenn sich erste Erschöpfungszustände anbahnen, schnell den Verschwindibus machen und sich aalglatt liegend im Bett von all den süßen, spannenden, herzigen, liebevollen und überaus anstrengenden Strapazen erholen und geistig häppchenweise davon zehren.
Letztens, im Wonnemonat Juli, war es wieder soweit. Mein Besuch bei meiner Tochter und ihrer Familie stand an. Entgegen meinen früheren Gewohnheiten Köln/Bonn-Tegel zu buchen, den Tegeler Flughafen gibt es zu meinem Leidwesen nicht mehr (auch wenn das jetzt politisch unkorrekt ist), fahre ich routinemäßig mit dem ICE 544, um 12.50 Uhr europäischer Zeit in Berlin Hauptbahnhof ein. Das ist tief unten Keller, auf den Gleisen erwartet mich nun seit einem halben Jahr allerdings niemand mehr. Mit Baby und Kleinkind muss es schneller, funktioneller und stressfreier gehen.
Draußen dann, am Washingtoner Platz erwartet mich eine strahlende fast Sechsjährige, die in meine Arme springt. In die Arme einer überglücklichen Großmutter, deren Herz vor Freude ebenso hüpft, wie der Rücken weh tut. Der zweite Sonnenschein verschläft derweil das lautstarke und etwas überbordende Begrüßungszeremoniell. Gut so, ist doch Schlaf die beste Medizin. Den Bruchteil einer Sekunde erlaube ich mir, dem Gedanken nachzuhängen, selber ein kurzes Powernapping zu genießen, doch wirklich nur den Bruchteil einer Sekunde, denn wir fahren bereits Richtung Zoo. Das Wetter ist so schön und ein kurzweiliger Bummel durch Deutschlands schönsten innerstädtischen Tierpark, verheißt Bewegung, Pommes, Eis und Spielplatz. Was macht es da, das es schon wieder heißt: Maske tragen. Naja, ein bißchen ziviler Ungehorsam darf schon sein und so reiße ich mir hier und da meine in Regenbogen schillernde OP-Maske unters Kinn. Wenn ich da an den zivilen Ungehorsam der 70iger Jahre in Berlin denke, als meine Berlinbesuche eher einem nächtlichen Marathon durch das Nachtleben glichen, muss ich plötzlich lachen und komme mir brav und ja genau, großmütterlich vor.
Dieser Juliaufenthalt 2021 wurde gekrönt durch eine viertägige Hitzewelle mit über 40 Grad Celsius. Es war die Hölle. Nein, es waren Hundstage, so nennt man nämlich diese Bullenhitze. Zunächst waren wir alle von den heißen Temperaturen begeistert. Vor allem meine Enkelin, die es ganz hervorragend fand, das Oma sich ins Miniplanschbecken auf dem Balkon freiwillig hinein warf und: auch gar nicht mehr heraus wollte. Das war großartig! Sozusagen ein Heidenspaß für eine kleine Wasserratte, die es kaum glauben kann, das Oma sich das Wasser sogar eimerweise ins Gesicht klatschen lässt, ohne zu schimpfen. Wir waren so laut, das meine Tochter uns ermahnen musste. Wir strahlten weiter über beide Backen, wie zwei verschworene Rabauken. Enkeltochter und Oma unisono.
Von Tag zu Tag wurde es jedoch stiller. Mein Überschwang schmolz in diesen tropischen Temperaturen dahin. Überhaupt dieser Begriff: Tropische Temperaturen. Erst fanden wir das richtig toll. Tropische Temperaturen wiederholten wir anfangs mit stolz geschwellter Brust, als ob wir uns auf einer Luxusreise durch die Karibik befänden. Doch am Tag vier war es dann soweit. Die großen Badetaschen waren gepackt, der Plötzensee wartete schon auf uns, als Oma schlapp machte. Es kam relativ plötzlich und meine Tochter und Enkeltochter brauchten etwas Zeit, um die veränderte Lage zu begreifen.
Fürsorglich, mit guten Worten und nassen Lappen versuchten sie mich aufzupäppeln, doch nichts half. Oma muss ins Bett. Das wars. Ich war ausgeknockt. Wir verbrachten dann unseren gemeinsamen letzten Hundstag damit, uns herrlich vor dem Bildschirm zu entspannen. Bei leckeren Snacks und kühlen Getränken. Ganz Oma like, ganz meinem Alter entsprechend. Ach übrigens, Enkelkind Nummer zwei hat es prima gemacht. Sie verschlief nackig, ihre wundervollen Speckröllchen-Beine präsentierend, die ganze Aufregung um Oma und ihren Hitzekollaps.
So ist jede Reise zu meinen Enkelkindern stets im Vorfeld bestens, als störungsfreies HIghlight voller positiver Energie und ungetrübter Freude geplant. Überraschen uns aber die Turbulenzen des Lebens, sind wir einfach eine Familie.
Ich freue mich auf noch mehr Geschichten von euch! Es liest sich einfach so schön 🙂
Wir vermissen Oma immer!