Nannette kenne ich schon aus meiner frühen Kindheit, denn sie kommt aus dem gleichen Dorf, in dem ich auch aufgewachsen bin. Umso mehr hat es mich gefreut, sie jetzt zu ihrem Projekt, einem Shop und einem Label für vegane Kinderkleidung zu interviewen.
Nannette ist 36 Jahre alt und Mama von zwei Kindern (1 Jahr und 4 Jahre alt) und die Gründerin von kippie berlin.
Hauptstadtmutti: Und wie bist du zu deinem Shop „kippie berlin“ gekommen?
Nannette: Durch die Geburt und durch das Stillen bin ich sensibler dafür geworden, was es bedeutet, Leben in die Welt zu setzen. Unter der Geburt hatte ich einen Moment, in dem ich dachte, dass mein Kind einfach zu groß ist und ich das nicht schaffe. Ich musste an meine Katze denken, die ich als Kind hatte. Bei ihr hatte ich zum ersten Mal eine Geburt mitbekommen. Ich fragte mich plötzlich: Wenn Katzen Babys kriegen (und die machen das schließlich jedes Jahr) tut denen das dann auch weh? Das war einer von vielen kleinen Momenten, die mein Weltbild langsam änderten. Beim Stillen habe ich viel darüber nachgedacht, wie gut es mir geht, dass ich mit meinem Baby hier liegen darf, es fühlen und riechen kann, und dass ich es niemals zulassen würde, dass es mir jemand wegnimmt. Warum tun wir das Tieren an? Was Hunde zu Familienmitgliedern und Schweine zum Mittagessen? Wieso sind wir entsetzt, wenn der Nachbar seine Katze schlachtet, stören uns nicht am Oster-Lämmchen auf dem Tisch? Wir trinken Milch von Mutterkühen, aber fänden es eklig Hundemilch zu trinken oder uns Muttermilch in den Kaffee zu machen. Wer entscheidet, was normal ist? Und „wie viele“ muss man sein, wenn man nicht unnormal sein möchte? Es waren viele Fragen dabei, die ich mir vorher nicht gestellt hatte. In der Elternzeit war ich weg vom Hamsterrad und machte mich frei für solche Überlegungen. Und das neue Leben mit meinen Babys (erst eins, dann zwei) ließ mich noch einmal alles hinterfragen. Das war dann mein Weg zur veganen Ernährung. Die Umstellung meiner Kleidung ist eine logische Konsequenz. Ich möchte nicht, dass für mich Tiere getötet werden. Deswegen esse ich sie nicht. Und deswegen kaufe ich keine Felle oder Lederprodukte. Ich möchte nichts anhaben, bei dessen Herstellung andere leiden mussten.
Aus meiner Lebensweise entwickelte sich dann die Idee, einen Shop ins Leben zu rufen, in dem es zu 100 Prozent tierleidfreie Kinderkleidung gibt. kippie kommt von kipod, ist hebräisch und heißt Igel und ist auch gleichzeitig unser Eigenlabel. Ich habe den Shop gemeinsam mit meinem Mann gegründet. Ich bin der aktive Operator und mein Mann mein täglicher Berater.
Hauptstadtmutti: Erzähl uns ein bisschen mehr über deinen Shop!
Nannette: Meinen Shop gibt es seit Oktober 2017 und zurzeit befinden sich 12 Marken im Shop. Fast alle Produkte werden in Deutschland von kleinen Modelabels selbst genäht. Die Modelabels arbeiten alle nachhaltig. Ich biete Krabbelschuhe, Babyschuhe, Kinderschuhe und Bekleidungsstücke aller Art an. Von meiner Eigenmarke gibt es zur Zeit erst einmal nur Babybodys. Später will ich auch vegane Winterkleidung für Babys anbieten.
Hauptstadtmutti: Du hast deine Shop-Idee mit einer Crowdfunding Kampagne begonnen, die leider nicht so erfolgreich war, wie du dir das vorgestellt hattest. Würdest du Crowdfunding trotzdem anderen empfehlen?
Nannette: Ja. Es ist ein guter Markttest. Ich habe die Kampagne ja erst einmal gemacht, um zu sehen, ob die Leute überhaupt Interesse an dem Produkt haben. Nun bedeutet eine gescheiterte Kampagne ja eigentlich, nein Danke, daran haben wir kein Interesse. Da muss dann aber jeder selber entscheiden, ob er es trotzdem weiterführt. Ich hatte so gutes Feedback, dass ich den Shop trotzdem ins Leben gerufen habe. Denn es war eben auch ein guter Marktcheck. Das Interesse war da. Und die Erfahrungen, die ich in der Kampagne gemacht habe, kann ich nun sehr gut für meinen Shop anwenden. Einen Kredit wollten wir dafür nicht aufnehmen und haben uns daher Geld aus der Familie geliehen.
Hauptstadtmutti: Und hast du 3 Crowdfunding-Tipps für uns?
Nannette: 1. Überlegt euch genau, welches Zielpublikum ihr damit ansprechen wollt. Ich hatte gehofft durch eine englische Kampagne, auch internationale Unterstützung zu gewinnen. Aber die deutsche Plattform und die unbekannte Währung sind in dem Bezug ein Killer gewesen. 2. Macht euch über das Timing Gedanken. Verkauft kein Baby-Winterprodukt im Sommer. 3. Versucht einen Partner zu finden. Es ist einfacher, das Ganze mit jemandem zusammen zu machen.
Hauptstadtmutti: Welche Zielgruppe hat dein Shop?
Nannette: Bis jetzt kaufen bei uns fast ausschließlich Veganer ein. Das ist ein Grund, warum ich meinen Shop auch von „Vegan Child“ zu „kippie berlin“ umbenannt habe. Ich hatte das Gefühl, dass viele sich durch den Namen schon abgelehnt fühlten und das wollte ich dadurch natürlich nicht erreichen. Denn am Ende wollen wir nicht „Hauptsache vegan“-Produkte anbieten sondern in erster Linie qualitativ hochwertige, nachhaltige Kindersachen, die außerdem auch noch vegan sind.
Hauptstadtmutti: Welche Materialen gibt es dafür eigentlich?
Nannette: In der ersten Kollektion habe ich mich auf geeignete Materialien für die Wintersaison konzentriert. Als beste Wollalternative bietet sich ein Baumwoll-Fleece an. Und ich finde, Baumwoll-Fleece ist wirklich besser als Wolle, da es einfach nicht kratzt. Und das Schöne ist, es ist genauso warm und kuschelig. Für den Sommer sind Tencil oder Cupro sehr schöne, natürliche, innovative Stoffe. Es gibt natürlich auch tolle vegane Lederschuhe oder Schuhe aus abdichtender, langstapeliger Baumwoll-Faser, die ein Berliner Schuhlabel auf meine Anfrage entwickelt hat. Für die Zukunft stelle ich mir noch mehr Materialen vor. Im Moment steht jedoch erst einmal die Erweiterung der Produktpalette im Vordergrund meiner Arbeit. Hier wird sich in den nächsten Wochen einiges tun.
Hauptstadtmutti: Und wie teuer sind eure veganen Produkte?
Nannette: Unsere Preise sind fair. Natürlich können wir nicht auf dem Preisniveau arbeiten wie Kik oder C&A. Unsere Produkte sind alle lokal und nachhaltig produziert. Deswegen kosten sie mehr, nicht weil sie vegan sind. Es ist mir aber ein Anliegen, die Preise erschwinglich zu halten. Ich möchte die Leser einladen, sich selbst ein Bild vom Preis-Leistungs-Verhältnis zu machen.
Hauptstadtmutti: Und was würdest du jetzt nach ungefähr drei Monaten sagen? Läuft dein Shop gut?
Nannette: Wir sind noch super klein und wollen natürlich wachsen. Zum Glück haben wir bereits ein paar Fans und auch eine recht gute Quote an Wiedereinkäufen. Das ist gut, denn die Qualität unserer Produkte und die Shopping-Erfahrung stimmen also. Unser großer Schwachpunkt ist noch das Marketing. Das müssen wir dringend verbessern, um mehr Kunden zu erreichen. Deswegen baue ich gerade eine Partnerschaft auf, die mich im Marketing unterstützt. Ich habe bisher noch fast alles alleine gemacht.
Hauptstadtmutti: Und wie lässt sich der Shop mit dem Mama-Sein vereinbaren?
Nannette: Das ist tatsächlich keine einfache Übung. In der Regel bringt mein Mann die Kinder in den Kindergarten und ich hole sie ab. In der Regel bin ich nicht fertig mit meiner Arbeit, wenn ich die beiden Jungs aus der Kita abhole. Aktuell hatte ich zudem sehr viele Tage, an denen kaum etwas geschafft habe, weil die Kinder krank waren. Dann ist es eine Kopfsache, es eben so sein zu lassen, sich dafür zu entscheiden, den Kopf auszumachen und die Zeit mit den Kindern zu genießen. Das geht aber sicher vielen Mamas in allen anderen Jobs auch so.
Liebe Nannette, vielen Dank für das Interview und wir drücken die Daumen!
Produktfotos: Sophia Lukasch Photography