Toaster können ziemlich gruselig sein. Peng – und schon kommt so ein heißes, qualmendes Ding herausgeschossen. Wenn der mal schlecht drauf ist und nach der Hand schnappt… So oder so ähnlich muss der Gedankengang meiner Tochter gewesen sein. „Mama, ich finde den Toaster echt gruselig“, war jedenfalls, was sie sagte. Ich fing an zu erklären, dass der Toaster nichts macht, was wir Menschen ihm nicht beibringen. Dass er nicht von sich aus einfach mal entscheiden kann, Hände zu schnappen, sondern dazu erst in der Lage wäre, wenn wir es ihm befehlen. Wir sprachen eine ganze Weile über funkelndes Metall, starke Elektromagneten und Schaltkreise mit tanzenden Teilchen, die kleiner als Staubkörner sind. Seit diesem Gespräch steht meine Tochter jedes Mal gebannt vor dem Toaster und wartet auf den Moment, in dem die knusprigen Scheiben nach oben geschnellt kommen.
Wie kommen die Bilder in das Tablet
Beim Tablet gab es diese Ängste nie. Kein Grusel weit und breit. Hier scheinen es eher die Erwachsenen zu sein, die die feindlichen Algorithmen fürchten, welche ihre Kinder für immer in ihren Bann ziehen. Ein bisschen ist es ja auch so. Wer einmal versucht hat, eine 5-jährige nach der dritten Aufforderung vom Tablet, ja fast schon zu “schälen”, Finger für Finger, könnte tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass da eine höhere Macht am Werke ist. Im Gegensatz zum Toaster lassen Tablet und Smartphone bei Kindern erstaunlich wenig Fragen aufkommen. Dabei wäre genau das wichtig. Und genau deshalb sollten wir wir als Erwachsene einmal mehr diese Fragen in den Raum stellen und uns zwingen, sie gemeinsam mit unseren Kindern zu beantworten. Fragen, wie:
Wie kommen die Bilder und Texte in das Tablet?
Wer stellt sie rein und mit welchen Absichten?
Wie unterscheide ich gute von schlechten Inhalten, richtige von falschen?
Und vor allem: Wie kann ich meine eigenen Ideen mit Hilfe dieser Geräte zum Leben erwecken?
Diese Fragen kommen noch immer viel zu kurz. Statt Kinder zu lehren, Technologie für sich zu nutzen, um gestalterisch tätig zu sein, herrscht Handyverbot an Schulen und alle beschweren sich darüber, dass mit der Digitalisierung nun noch mehr Zeit vor den schaurig-schönen Geräten zugebracht wird. Dabei macht es einen riesigen Unterschied, ob Eltern ihre Kinder passiv vor Tablet & Co. “parken”, oder ob sie ihren Nachwuchs darin begleiten, das Gerät kennenzulernen und mit ihm die Möglichkeiten, die es bietet, um sich die Welt nicht nur zu erschließen, sondern sie aktiv mitzugestalten. Der eine oder die andere kennt es sicher aus eigenem Erleben: Nach einer Stunde, die man ziel- und sinnlos bei Insta rumgedaddelt hat, fühlt man sich ziemlich matt und ausgelaugt. Hat man dagegen eine Stunde selbst einen Blogbeitrag geschrieben, ein Video erstellt oder an einer Webseite gebastelt, war also produktiv statt passiv, ist das Energielevel ein ganz anderes – quantitativ und qualitativ. Als Eltern haben wir es in der Hand, unseren Kindern diese Erfahrungswelt zu eröffnen und sie zu ermächtigen, ihre Zukunft mitzugestalten.
Technologie als Werkzeug, um Zukunft zu bauen
Die Philosophin Hannah Ahrendt schrieb bereits 1958, also lange vor Erfindung des Internets, in einem Aufsatz: „In der Erziehung entscheidet sich, ob wir unsere Kinder genug lieben, um sie weder aus unserer Welt auszustoßen und sich selbst zu überlassen, noch ihnen ihre Chance, etwas Neues, von uns nicht Erwartetes zu unternehmen, aus der Hand zu schlagen, sondern sie für ihre Aufgabe der Erneuerung einer gemeinsamen Welt vorzubereiten.“ Übertragen auf die heutige Zeit basiert diese Erneuerung der Welt auf einem kompetenten und kreativen Umgang mit den Möglichkeiten, die Technologie uns bietet. Wenn wir es schaffen, unsere Kinder in eine Haltung zu versetzen, in der sie die Geräte als Werkzeuge sehen, um die Welt nach ihren Vorstellungen und Wünschen zu formen, brauchen wir die bösen Algorithmen kaum zu fürchten. Aber an diesen Punkt müssen wir erst einmal kommen, und zwar in großem Stil: in Kitas, an Schulen, aber auch in jeder einzelnen Familie. Und das erreichen wir nicht über Verbannung und Verbote, sondern über die Vermittlung von Kompetenzen.
Was macht Mama da eigentlich den ganzen Tag?
Fragt man meine Tochter, was ihr Papa denn so macht, hat sie eine ganz klare Vorstellung: Möbel bauen. Sie geht mit in die Werkstatt, bohrt, hämmert und schleift mit ihm stundenlang. Fragt man sie, was Mama so macht, wird es schon abstrakter: Mama ist Chefin vom juggleHUB und sitzt am Computer. Jetzt, mit sechs Jahren, möchte sie immer genauer wissen, was ich da eigentlich den ganzen Tag mache. Und immer häufiger nehme ich mir bewusst Zeit, ihr Dinge zu erklären, bei denen ich sonst abgewunken hätte – „Das verstehst du noch nicht.“ Wir setzen uns gemeinsam an den Laptop, bearbeiten Bilder, erstellen Collagen, schreiben Buchstaben in unterschiedlichen Schriften und Größen, drehen und schneiden kleine Videos. Die wichtigste Erkenntnis dabei: Es kann nichts kaputt gehen. Wir können probieren, variieren, hin- und herschieben und hinterher alles wieder rückgängig machen und von vorn beginnen. Denn wir erinnern uns: Die Maschine macht nichts von allein, wir haben es in der Hand.
‘Ich habe es in der Hand’ – dieses Mindset bei Kindern auszubilden, ist der entscheidende Teil, wenn wir über digitale Bildung reden und die Möglichkeiten der Mitgestaltung und Teilhabe, die sich daraus ergeben. Als Gründer:innen und Unternehmer:innen sind wir in der glücklichen Lage, diese Denke bereits für uns adaptiert zu haben. Sie bringt uns dazu, unsere Ideen umzusetzen, unser Business immer wieder anzupassen, mutig und beweglich zu bleiben. Wir machen Fehler, lernen ständig dazu und laufen bestenfalls gestärkt weiter. Diesen „Entrepreneurial Mindset“ können wir unseren Kindern quasi in die Wiege legen, indem wir von klein an entsprechende Impulse setzen. Und genau wie beim Gründen heißt das manchmal auch in puncto Erziehung: raus der der Komfortzone.
Eltern als Begleiter:innen und Lernende
Und so fand ich mich kürzlich selbst in einer Digitalwerkstatt für Kids wieder und ließ mir von zwei 14-Jährigen zeigen, wie man Datenkabel an Micro-Controller lötet. Am Ende hatte ich meine erste eigene CO2-Ampel für unseren Coworking Space gebaut und fühlte mich sehr nerdy und schlau – und hundert Mal glücklicher als beim bloßen Kauf einer Ampel in einem anonymen Online-Shop.
“Wenn du etwas lernen willst, beginne es zu lehren”, hat eine Freundin mal gesagt, die beruflich im Bereich “Learning Experience Design” unterwegs ist. Ich fange also an, meiner Tochter beizubringen, warum das Tablet tut, was es tut, wie die Piraten in ihrer App von links nach rechts springen, wie Bauklötze sich auf dem Bildschirm drehen und Einhörner ihre Farben wechseln. Und vor allem: dass sie all diese Dinge selbst und ganz anders gestalten kann, wenn sie möchte. Indem ich das tue, lerne ich selbst Tag für Tag dazu und erschließe mir eine auch für mich bis dato weitestgehend unbekannte Welt, die Welt hinter dem Screen. Das ist anstrengend, aber ich bin überzeugt, dass es sich lohnt. Denn die Erneuerung unserer Welt, wie Hannah Arendt es nannte, ist kein Selbstläufer. Sie braucht jetzt und in Zukunft viele selbstbewusste, leidenschaftliche und digital kompetente junge Menschen, Gründer:innen und Macher:innen. Als Eltern haben wir es in der Hand, unseren Kindern diese Türen zu öffnen. Ob mit Toaster oder Tablet ist dabei ganz egal.
Dieser Text ist Teil einer monatlichen Reihe, in der ich mich dem Thema ParentPreneurship widme, von meinen Erfahrungen als Elterngründerin erzähle und von den Menschen aus unserer Community und ihren Erfahrungen. Und in der ich den Blick auf Strukturen richte, die sich ändern müssen, damit Menschen in allen Lebensphasen chancengleich gründen können. Ich freue mich sehr auf den Austausch mit euch, auf eure Perspektiven und Geschichten. Schreibt mir gern: katja@parentpreneurs.net
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Über die Autorin:
Katja Thiede ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von juggleHUB Coworking, Mitgründerin und aktive Mitgestalterin des ParentPreneurs-Netzwerks für Elterngründer*innen und freie Autorin für die Themen „Neues Arbeiten“ und „Entrepreneurship“. Sie ist leidenschaftliche Netzwerkerin und Mentorin für Gründerinnen mit Kindern. Als Impulsgeberin, Speakerin und kreativer Kopf unterstützt sie Organisationen, die eine menschenfreundliche Arbeitswelt anstreben und den Austausch mit der Gründer*innenszene suchen. Daneben engagiert sie sich zunehmend ehrenamtlich für die digitale Bildung von Kindern. Nichts davon macht sie perfekt, weil das gar nicht möglich ist. Aber sie macht es – mit Herzblut und dem nötigen Maß an Improvisation.
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