Zum Frauentag war klar: keine Blumen. Als ob Blumen irgendetwas ändern würden. Ich wollte auch nicht mehr auf den Zug des Jammerns aufspringen, der uns Frauen, uns Müttern, ja gerne angehängt wird. Deswegen muss ich aber noch lange nicht meine Fresse halten. Aber eigentlich brauche ich dazu den Frauentag nicht, denn: was nicht passt, müssen wir ändern – dazu reicht nicht der eine Tag im Jahr, der uns Frauen „eine Stimme geben“ soll – und was bitte ist mit den restlichen Tagen??
Sascha Lobo hat in seiner Spiegelkolumne – in der es zwar um den Umgang der Politik mit Corona ging – sehr treffend formuliert: Grollbürger. Ich bin ein Grollbürger. Ich grolle. Seit Monaten grolle ich vor mich hin und nun ja, stecke in meiner Rolle fest, an der ich gerade einfach nichts ändern kann. Mich hat es voll erwischt, das traditionelle Rollenbild.
Ich bin wohl deswegen ein Grollbürger, weil ich eigentlich zu der Sparte Frauen gehöre, die in ihrem Leben bisher ganz gut gefahren sind. Wenig bis keine sexuellen Übergriffe und das eine Mal, an das ich mich erinnern kann, war einfach gleich die Faust in seinem Magen. Reiner Reflex übrigens. Ich hatte selten das Gefühl, dass mir als Frau etwas nicht zugetraut wird. Größere Probleme hatte ich mit der „Wessi und aus München“ Situation und mit – so sorry – Frauen. Eine dieser Frauen ist auch „schuld daran“, dass ich in die Selbständigkeit wechselte. Ist also eigentlich alles gut so. Mal schlechter, mal besser, alles war dabei; aber ich habe mir mein Leben zurechtgezuppelt.
Tja, ich bin seit Corona eben auch eine von den Frauen, die wieder in die Fünfziger gerutscht ist. Selbständig, eine betreuungsintensive Zweijährige, ene mene muh und raus bist du. Einer muss ja arbeiten und das ist sicher nicht die, deren Einkünfte vorher schon eher mäßig waren und Dank Corona erstmal direkt auf 0 rutschten. Es ist nicht zu erwarten, sich das gerecht aufzuteilen.
Es soll heute aber nicht um mich gehen, denn – auch ein Satz der letzten Monate: es gibt immer jemanden, dem es schlechter geht. Und ja, auch wenn ihr es vielleicht nicht mehr hören könnt: in der Corona-Krise sind es meist die Frauen, die es deutlich härter trifft. Denn es ist selbstverständlich: die Frau macht das mit der Care-Arbeit, es lebe das Patriarchat.
Es ist leider insgesamt noch so viel zu tun, ich weiß überhaupt nicht wo ich anfangen soll. Aber ey, geht einfach los wa.
Gender Pay Gap – wie in vielen Dingen: Deutschland ist kein Vorreiter
19% betrug der Gender Pay Gap im Jahr 2019 – dem aktuellsten, für das entsprechende Daten vorliegen. Heißt: Wir arbeiten bis zum 10. März um das Gehalt unserer Kollegen des letzten Jahres aufzuholen. Europaweit liegt Deutschland damit übrigens auf dem drittletzten Platz in Europa. Na Prost.
Noch schlechter geht es nur Frauen aus anderen Ländern, die hier leben und arbeiten. Sie verdienen noch einmal deutlich weniger.
Es soll immerhin gegengesteuert werden, denn die Europäische Kommission hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der unter anderem besagt, dass Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern künftig öffentlich machen, wie groß das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist. Das bedeutet am Ende: Arbeitnehmerinnen, die aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurden, sollen außerdem einen Anspruch auf Schadenersatz bekommen.
Na, dann hoffen wir mal das Beste für die Zukunft.
Femizid, Gewalt gegen Frauen – jeden dritten Tag tötet ein (Ex)Mann (s)eine Frau
141 792 Opfer häuslicher Gewalt gab es 2019 in Deutschland, die Zahl steigt jedes Jahr, seit 2015 um 11,2%.
81% davon waren Frauen. Das bedeutet: fast 27.000 Opfer waren männlich, fast 115.000 weiblich.
117 Frauen wurden getötet. (Das Jahr hat 365 Tage – alle drei Tage eine.)
Quelle
Häusliche Gewalt zu Coronazeiten nimmt zu
Aktuelle Zahlen der Gewaltschutzambulanz und der Charité deuten darauf hin, dass die häusliche Gewalt 2020 zugenommen hat. Allein in Berlin haben sich acht Prozent mehr als im Vorjahr an die Gewaltambulanz gewandt (Übrigens, davon sind nicht nur Frauen betroffen – auch Kinder und Männer.). Und: Die Schwere der Verletzungen nahm zu.
Hilfe holen, wenn es nötig ist!
Als Außenstehende: achtet auf eure Mitmenschen und helft, wenn es nötig ist.
- Mehr dazu auf der Seite Stärker als Gewalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Hilfe Telefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016
- Frauenhäuser deutschlandweit.
- Nummer gegen Kummer: 0800 111 0333 (anonym und kostenlos von Mo bis Sa 14-20 Uhr)
- Auch für Männer gibt es ein Hilfetelefon: 0800 1239900
- Wenn es um Kinder geht: das örtliche Jugendamt benachrichtigen
- Hilfe und Beratung gibt es auch beim Frauen gegen Gewalt e.V.
Gleiche Chancen für Frauen und Männer – träum weiter!
Besonders die Corona-Krise hat das Ziel der Chancengleichheit erstmal ad acta gelegt. Frauen und Mädchen haben stärker mit sozialen und auch wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen, denn viel mehr Frauen als Männer haben in dieser Pandemie ihren Job verloren (Studie).
Auch die Care-Arbeit bleibt mehr an uns Frauen hängen – und zudem arbeiten viel mehr Frauen als Männer in Bereichen, bei denen das Infektionsrisiko höher ist (die Techniker Krankenkasse hat auch erste Daten zum Thema veröffentlicht: besonders oft wegen Corona krank geschrieben waren Altenpflegekräfte, Kita- und Krankenschwestern und -pfleger). Wir haben insgesamt nicht so richtig viel davon, denn es ist so einfach: von Applaus kann man keine Miete bezahlen und Mütter arbeiten ja auch ganz ohne Applaus den ganzen Tag (und die halbe Nacht?) an irgendwas und mit irgendwem.
Mit mehr Mut zu besseren Bedingungen
Wer sich das Bundeskabinett anguckt, sechs von 15 Ministerposten sind immerhin Frauen (40%) plus unsere Bundeskanzlerin.
Wer sich in den 160 Unternehmen der DAX-Familie umsieht: 613 Männer, 63 Frauen. Das sind nur 12,3%.
Wenn wir was ändern wollen, müssen wir laut bleiben und an vielen Stellschrauben drehen. Ein paar Vorschläge, wie das zumindest für Familien funktionieren kann, finden sich in der Broschüre vom BMFSFJ Kinder, Haushalt, Pflege – wer kümmert sich.
Wer eine Familie plant, dem rate ich – als Frau – sprecht vorher genau ab, haltet es am besten schriftlich fest, wie es nach der Geburt und nach der Elternzeit weitergehen soll. Wie teilt ihr euch auf, wer macht was und wie viel (vielleicht klappt es ja auch 50/50).
Es hilt, sich immer wieder zu informieren und – wer die Zeit hat – sogar in die Politik zu gehen. Wir empfehlen aber auch für den ersten Moment ein paar Frauen, denen ihr auf Instagram folgen könnt und Elinas kleine Bibliothek der gebildeten Frauen.
Titelfoto: unsplash