Wir haben einen absoluten Profi gefragt, was eigentlich gute Musik für Kinder ausmacht: Karline! Sie muss es wissen, denn als Zehnjährige kennt sie nicht nur ihre Zielgruppe, sondern ist auch als Sprecherin der inszenierten Lesung ‚Der kleine Ton‘ zu hören. Ein Kinderbuch, ein Musikalbum und ein unfassbar gut produziertes Hörspiel für Kinder. Da kann man sich die musikalische Früherziehung eigentlich sparen. „Der kleine Ton“ erzählt, von einer vergnüglichen Reise durch verschiedene musikalische Welten und wir lernen so einiges, auch als erwachsener Mensch. Nun aber zu Karline und ihren Gedanken zu guter Musik für Kinder, gefolgt von ihren Tipps!
Gute Musik für Kinder – dafür ist es nie zu früh
Bühne frei für Karline:
Eigentlich kann man nie früh genug damit anfangen, Musik zu hören. Natürlich sollte es gute Musik sein, ich meine, mit viel Liebe und Sorgfalt hergestellt! Was aber wiederum nicht heißt, dass es unbedingt das sein muss, was Erwachsene oft als „Kindermusik“ bezeichnen.
Ich bin immer sehr erstaunt, wenn Erwachsene mir erzählen, dass sie auch sehr gern mal wieder ihre eigene Lieblingsmusik im Auto hören würden, aber das ja jetzt leider nicht geht, wenn die Kinder an Bord sind.
Sie kaufen ihren Kindern Musik, die sie selbst schrecklich finden, und eigentlich gar nicht selbst hören möchten! Warum das denn?
Karline (10)
Wieso eigentlich ‚Kindermusik‘?
Wer sagt denn, dass ein Song von den Beatles, von David Bowie, Freddie Mercury, Annie Lennox, auch „Von Wegen Lisbeth“ oder wem auch immer nicht genau so toll für alle sein könnte, die mithören, egal, wie alt sie sind?
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, weil es jetzt schon so lange her ist, aber ich glaube, ich habe, auch als ich schon sehr klein war, präzise Musikwünsche geäußert. Weil ich einfach in bestimmten Situationen die passenden Stücke zu meiner Stimmung hören wollte.
Ich fand immer schon die Vielfalt der Gefühle toll, die Musik ausdrücken kann.
Es spricht ja nichts dagegen, kleinen Kindern extra für sie produzierte Musik vorzuspielen – es gibt wirklich schöne Alben mit guter Musik für Kinder, wie zum Beispiel den Traumzauberbaum.
Und manchmal ist es auch schön, ein Lied mit einem Text zu hören, der exakt etwas beschreibt, was man gerade aus dem eigenen Alltag kennt. Oder Musik zu Themen, über die man gerade nachdenkt.
„Deine Freunde“ können das zum Beispiel super und das ist ja auch Musik für Kinder, ergo „Kindermusik“.
Aber was ich wirklich fürchterlich finde und nicht verstehe sind schnell und billig gemachte Produktionen. Als ob Kinder nicht genau so gut hinhören würden wie die Erwachsenen und es Ihnen einfach egal wäre, was ihnen vorgespielt wird.
Hauptsache, der Text ist irgendwie halbwegs kindgerecht und einfach formuliert und handelt von Regen, schönen Tagen, dem Fliegen oder einer Party!
In den Kindergarten habe ich zu Feiern immer CDs mit eigenen Playlists mitgebracht, weil ansonsten solche schlimmen Kinderlied-Discoversionen aufgelegt wurden. Selbst die ErzieherInnen haben mitgetanzt – obwohl das sicherlich privat auch nicht gerade ihre Sorte Musik war.
Wenn man schon besondere Musik für Kinder herstellt – warum kann man sich dann bei der Produktion nicht genau so viel Mühe geben wie für Erwachsene?
Aber wie schon gesagt – es muss doch auch gar nicht unbedingt Kindermusik sein!
Konzert mit Kind? Klar!
Meine Eltern haben mich schon als ich ganz klein war mit auf Konzerte genommen, wo mich trotz meiner Hochsensibilität auch die Lautstärke nicht gestört hat und ich trug die dicksten Schallschutzkopfhörer, die sie finden konnten. Damit war die Lautstärke für mich echt ok.
Für diese Erlebnisse bin ich ihnen wirklich dankbar! Ich habe mittlerweile einen ganzen Ordner voller Konzertkarten, bei dem mir sogar viele Erwachsene, denen ich ihn zeige, erstaunt sagen, dass sie selber in ihrem ganzen Leben noch nicht auf so vielen Konzerten waren.
Natürlich macht mich das stolz!
Leider fügen viele aber noch hinzu, dass sie jetzt ja eh nicht mehr auf Konzerte gehen könnten, da sie nun Kinder haben…
Aber dann wiederum fällt ihnen an mir auf, dass es ja offensichtlich doch geht und sie beschließen baldmöglichst gemeinsam mit ihrem Kind ein schönes Konzert zu besuchen. Von dort bekomme ich dann manchmal fröhliche Beweisvideos.
Es freut mich dann immer total, dass ich anderen Eltern Mut machen kann, sich so etwas auch mit ihren Kindern zu trauen.
Sehr lustig ist es immer, wenn mich auf einem Konzert andere Besucher fragen, wie ich es finde, dass meine Eltern mich dorthin mitgenommen haben. Denn meistens bin ich es, die meine Eltern bittet, nachzuschauen, ob eine Band, die ich mag, nach Berlin kommt und dann Karten für uns zu kaufen!
Wegen Adele habe ich meine Mama über bestimmt zwei Jahre fast jeden Tag gebeten nachzuschauen, ob sie endlich ein neues Album veröffentlicht. Bis dann endlich „25“ angekündigt wurde! Ehrensache, dass wir auch aufs Konzert gingen. Und das war soooo toll. Eines meiner schönsten Konzerterlebnisse!
Aber zurück zum Thema.
Hört Musik mit eurem Kind!
Ich finde also, dass man Kindern von Anfang an jegliche Musik vorspielen kann oder zumindest vorstellen. Solange sie einem selbst gefällt und man etwas dazu erzählen kann.
Und dann hat man gemeinsam Spaß daran. Beim Mitgrölen, zusammen dazu durch die Wohnung tanzen, eine zweite Stimme zur Melodie erfinden oder einfach nur zuhören.
Eigentlich ist der einzige Grund, warum ein Lied nicht geeignet sein könnte, ein blöder und für Kinder wirklich noch unpassender Text, der einen entweder Angst macht oder aber peinlich ist.
Aber sogar dann könnten einem auch immer noch Erwachsene erklären, warum der Komponist oder die Komponistin das genau so geschrieben hat und was sie oder er damit ausdrücken wollte.
Toll ist es auch, wenn man von Anfang an gezeigt bekommt, dass es eben vollkommen verschiedene Musikrichtungen und Arten gibt. Oder idealerweise sogar, was die jeweiligen Besonderheiten der Stilrichtungen sind.
Deshalb war ich, und das sage ich jetzt ohne Werbung machen zu wollen, hellauf begeistert als meine Mama mir erzählte, dass sie zusammen mit ihrem Freund Bela ein Projekt verfolgt. In dem eine Geschichte über Musik mit eigener Musik erklärt wird. Und zwar so, dass es allen gefällt, Kindern und mithörenden Erwachsenen!
Es war sehr spannend mitzuerleben, wie die Geschichte nach und nach entstand und wieviel Mühe und Liebe in der Komposition und dann Produktion der Musikstücke steckt.
Unterwegs wurde mir irgendwann klar, dass ich wahnsinnig gerne das Lied des kleinen Tones singen und auch seine Rolle in der Hörbuchversion sprechen würde. Eine Kinderstimme passt doch da eigentlich perfekt, hatte ich mir als Argument überlegt, um meine Mama und Bela zu überzeugen. Aber das musste ich gar nicht. Ich war der glücklichste Mensch der Welt, als sie mir von sich aus anboten, diese Rolle zu übernehmen!
Die Aufnahmen haben riesigen Spass gemacht und ich bin nun sehr zufrieden mit unserem Ergebnis. Ich bin mir sicher, dass mir das Projekt total gut gefallen würde, selbst wenn ich nicht daran beteiligt wäre!
Ich mag alle Stücke echt gern, weil sie so verschieden sind und hätte Schwierigkeiten, mich für ein Lieblingslied zu entscheiden. Vielleicht Pennys Pausen Song? „Rakete“ ? „Entdecke den Jazz“? Das Klavierkonzert ist auch der Hammer. Aber natürlich auch der Song vom kleinen Ton…Hach, die sind alle toll!
Was für eine gelungene Kindermusik. Und was man sich jetzt denken kann: da bin ich echt sehr kritisch!
Vielen Dank, Karline, für deine Gedanken!
Hier noch Karlines Empfehlungen für gute Musik für Kinder:
- Natürlich unser gemeinsames Werk „Der kleine Ton“- wäre ja komisch, wenn wir das nicht empfehlen würden! Unter www.derkleineton.de erfahrt Ihr, worum es in der Geschichte geht (es gibt nämlich auch ein klassisches Buch dazu) und welche tollen Gäste wir für unser Album gewinnen konnten. Nur so viel: unter anderem Denyo, Johannes Oerding und das Babelsberger Filmorchester!
- Fidibus ist ein irre tolles Bandprojekt eines Lehrers an der Louis-Braille-Schule für blinde Kinder in Düren. 2004 gewann sein Projekt den Kinderliederwettbewerb des WDR und konnte daraufhin ein Album mit Musikern wie Helmut Zerlett aufnehmen. „Ab auf die Reise“ heisst es, und wir singen immer noch alle drei den Refrain, wenn wir in die Ferien starten!
- Für Süddeutsche und Menschen mit Platz für bayerische Gefühle im Herz: Café Unterzucker! Dahinter steckt das „INSTITUT FÜR UNGESÜSSTE KINDERKULTUR UND UNVERSÄUERTEN ERWACHSENENSCHMARRN“, und das beschreibt ja schon ganz wunderbar in welche Richtung das Projekt zielt! Alle Texte, selbst die auf der Homepage, sind herrlich lakonisch und erfreulich seltsam formuliert, weil verzapft von www.richardoehmann.de, der auch für Doctor Doeblingers geschmackvolles Kasperletheater verantwortlich zeichnet, was wiederum Münchner Eltern ein Begriff sein könnte.
Fotos: Loretta Stern privat