Der Tag ist schon wieder halb rum, der Kühlschrank halb leer (oder halb voll: immer positiv denken) und die To-do-Liste hat sich auf wundersame Weise verlängert, obwohl man doch eigentlich jedes noch so kleine Zeitfenster genutzt hat, um sich an den Rechner zu schleichen. Das Gefühl, auf der Stelle zu treten und nichts auf die Reihe zu bekommen, ist als Gründer:in mit Familie ein ständiger Begleiter. Aber das ist natürlich nur die gefühlte Wahrheit, denn oft merken wir gar nicht, dass jeder Schritt uns weiterbringt, und sei er noch so klein.
Vor zwei Wochen hatten wir ein tolles ParentPreneurs-Meetup zum Thema „Effectuation“ einem Denk- und Handlungsansatz, der Unternehmer:innentum in kleinen Schritten denkt. Diese führen, so der Ansatz, am Ende sogar sehr viel wahrscheinlicher zum Erfolg als der “eine große Plan”, der auf das “eine große Ziel” ausgerichtet ist und den wir äußerst diszipliniert und vollumfänglich abarbeiten müssen. Effectuation heißt auch – und dieser Satz sorgte für allseitige Erleichterung unter den Eltern in der Runde (also: unter allen) – dass es völlig ok ist, ständig das Gefühl zu haben, sich so „durchzuwurschteln“. Fahren auf Sicht nennt man das, einen Schritt nach dem anderen gehen und sich über die vielen neuen Möglichkeiten freuen, die sich unterwegs eröffnen und die schon allein deshalb in keinem großen Plan stehen können, weil man sie in seinen kühnsten Träumen nicht hätte kommen sehen. Das ist, was Unternehmer:innentum so spannend macht und was den Spaß bringt.
Und doch, manchmal muss man einfach auch mal was schaffen. Durchziehen. Abliefern. Etwas in der Hand haben. Und manchmal braucht man das Gefühl und den Beweis, einen Schritt weitergekommen zu sein als noch vor zwei Wochen oder zwei Monaten. Und dafür braucht es Ruhe und Fokus und ein Zeitfenster mindestens in ausgedehnter Mittagsschlaflänge. Aber dann, gerade wenn eine Aufgabe so drängt, dass sie nicht länger wegprokrastiniert werden kann, entscheidet der Nachwuchs, das nächste Level im Großwerde-Game knacken zu wollen und den Mittagsschlaf mal testweise auszusetzen. Cool. Also doch wieder durchwurschteln – aber dieses Mal mit System. Denn wenn der Nachwuchs einst liebgewonnene Routinen aufgibt, ist es Zeit für Mutti, neue Routinen für sich selbst zu entwickeln. Solche, die die alte Logik von großes Zeitfenster = großer Output aufbrechen und uns dabei helfen, in weniger Zeit mehr zu erreichen, oder sagen wir: das zu erreichen, worauf es JETZT ankommt. Fünf dieser kleinen Routinen, oder “Workhacks”, möchte ich heute mit euch teilen.
1. Der Klassiker: Das 80-20 Prinzip
Auch Pareto-Prinzip genannt. Die Logik dahinter ist so einfach wie verlockend: Mit 20 Prozent Einsatz 80 Prozent des Ergebnisses erreichen. Es geht also um eine konsequente Priorisierung. Fragt euch: Was muss ich jetzt sofort erledigen? Was ist wichtig UND dringend, also nötig, um mein Business weiterzubringen und dazu noch zeitkritisch? Jede Aufgabe muss sich daran messen lassen und mit großer Wahrscheinlichkeit schafft es der Großteil der vermeintlichen To-Dos für den Tag nicht auf die Prio-1-Liste. Traut euch, Dinge zu schieben, zu delegieren oder einfach auch zu streichen. Und hört nicht auf die Stimmen, die euch einreden wollen, dass man als Unternehmer:in immer 100 oder 250 Prozent (äh…wie genau soll das gehen?) fürs Business geben muss. 80 Prozent ist das neue 80 Stunden! Probiert es aus und ihr werdet sehr schnell merken, dass die Welt sich trotzdem weiterdreht. Und dass euer Business sich trotzdem entwickelt (vermutlich sogar spürbar schneller) und dass ihr die Zeit mit den Kindern wieder etwas entspannter und bewusster erleben könnt.
2. But first: Mails checken. Bitte nicht!
Kind spielt, Kind schläft, Kind hat außerplanmäßig 60 Minuten Tablet-Zeit – dann erstmal schnell die Mails checken, denkt ihr. Und wundert euch, wenn ihr eine Stunde später zwar viel gelesen, verschoben und getippt habt, aber eure To-Do-Liste nun länger ist als vorher. Leider setzen wir E-Mails oft automatisch mit Aufgaben gleich. In dem Moment, in dem wir in unser Postfach gucken, sind wir zur Reaktion gezwungen, sei es in Form einer unmittelbaren Antwort oder indem wir diese als Aufgabe für später auf die Liste setzen. Das alles frisst Zeit und Hirnkapazität, gut erkennbar daran, dass uns die unbeantwortete Anfrage noch den ganzen restlichen Tag im Kopf rumschwirrt. Gleichzeitig entgeht uns durch das „kurz mal Mails checken“ und das darauf Reagieren wertvolle Zeit, um eigene Ideen zu entwickeln oder Aufgaben, die uns selbst wichtig sind (siehe Punkt 1) voranzutreiben, um also zu agieren statt nur zu reagieren. Versucht also dem Impuls zu widerstehen, gleich morgens oder zu Beginn eines Arbeitszeit-Fensters in die Mails zu schauen, sondern räumt dafür eine halbe Stunde am späten Nachmittag ein. In eurer Signatur könnt ihr auch gezielt darauf hinweisen, dass ihr E-Mails nur einmal am Tag abruft und nicht immer sofort antwortet. Wer was Wichtiges UND Dringendes hat (again: siehe 1), kann ja anrufen.
3. Pomodoro-Technik: Leckere Arbeitszeithäppchen für die ganze Familie
Pomodoro ist italienisch und heißt ‚Tomate‘ und weil die Eieruhren damals noch Tomatenuhren waren, heißt auch dieser Workhack so. Die Eieruhr dient dazu, genaue Intervalle abzustecken, in denen ihr arbeitet. An diese schließen sich genau getaktete Intervalle an, in denen ihr Pause macht oder euch mit den Kids beschäftigt. Im kinderlosen Kontext hat sich das Prinzip 25 Minuten arbeiten, gefolgt von fünf Minuten Pause, gefolgt von 30 Minuten arbeiten, gefolgt von 30 Minuten Pause durchgesetzt. Ihr könnt die Intervalle natürlich so anpassen, wie es für euch sinnvoll und realistisch ist.
Je nach Alter der Kinder sehen die Kleinen an der Eieruhr genau, wie lange Mama oder Papa jetzt gerade nicht ansprechbar ist und wann wieder gemeinsame Spielzeit ansteht. Man kann da sicher eine wunderbare Geschichte rings herum basteln, um es als Spiel zu verpacken, mir fällt aber gerade keine ein.
4. Krötentag: Ein Tag für alles, was nervt
Alle Dinge, die ihr mit Hilfe von 1. und 2. so wunderbar beiseite geschoben habt, sollen natürlich nicht auf alle Zeit vergessen sein, es sei denn, sie sind wirklich unwichtig. Aber Buchhaltung auf Vordermann bringen, Stromanbieter wechseln, Abo kündigen oder Rechnungen bezahlen muss eben auch hin und wieder sein. Und genau dafür gibt es den Krötentag. Je nachdem, wie viele unliebsame Kröten bei euch regelmäßig auflaufen, könnt ihr diesen alle zwei Wochen oder einmal im Monat einlegen. An diesem Tag holt ihr die Prio-3-Aufgaben aus der Schublade und arbeitet sie stoisch ab. Alle Kröten sammelt ihr bis dahin auf einer digitalen oder analogen Krötenliste. So habt ihr sie nicht permanent im Hinterkopf und gleichzeitig das gute Gefühl, dass sie nicht in Vergessenheit geraten. Beim Abarbeiten der Kröten ist es meist auch nicht schlimm, wenn eure kleinen lebenden Kröten neben euch spielen und lärmen, weil die Aufgaben tendenziell wenig Hirnschmalzes bedürfen.
5. Have-done-list: Ha!
Wir sind erfahrungsgemäß großartig darin, aufzulisten, was wir wieder alles nicht geschafft haben. Umso größer ist die Überraschung und Freude angesichts dessen, was wir aber sehr wohl geschafft haben. Und genau deshalb sollten wir uns das immer wieder ganz bewusst ins Gedächtnis rufen. Statt also am Ende des Tages resigniert abwechselnd auf die elendig lange To-Do-Liste und ins Weinglas zu starren, schreibt eine Have-Done-Liste mit allem, was ihr heute geschafft habt. Auch Dinge wie „Faschingskostüm besorgen“ oder „Fünf Seiten in meinem Lieblingsbuch lesen“ dürfen darauf Platz finden. Vermutlich wird die Liste ziemlich lang sein (vielleicht sogar länger als die To-Do-Liste für den Tag).
Dann könnt ihr euch auf die Schulter klopfen, euch bewusst machen, dass das Leben als Gründer:in mit Kind doch eigentlich ziemlich geil ist, eurem Kind einen dicken Kuss geben und mit dem Wein auf euch selbst anstoßen. Prost!
Über die Autorin:
Katja Thiede ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von juggleHUB Coworking, Mitgründerin und aktive Mitgestalterin des ParentPreneurs-Netzwerks für Elterngründer*innen und freie Autorin für die Themen „Neues Arbeiten“ und „Entrepreneurship“. Sie ist leidenschaftliche Netzwerkerin und Mentorin für Gründerinnen mit Kindern. Als Impulsgeberin, Speakerin und kreativer Kopf unterstützt sie Organisationen, die eine menschenfreundliche Arbeitswelt anstreben und den Austausch mit der Gründer*innenszene suchen. Daneben engagiert sie sich zunehmend ehrenamtlich für die digitale Bildung von Kindern. Nichts davon macht sie perfekt, weil das gar nicht möglich ist. Aber sie macht es – mit Herzblut und dem nötigen Maß an Improvisation.
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