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Ingeborg Saval: ‚Herausforderung Homeschooling‘

Von uns gibt es nach wie vor keine Tipps zum Homeschooling, aber das heißt ja nicht, dass die Profis es nicht probieren dürfen. Ingeborg Saval war so frei, uns einen Gastbeitrag zum Thema zu verfassen, den wir gerne mit euch teilen.

Sie ist Autorin des TRIAS Ratgebers „Starke Kinder“ (TRIAS Verlag, Stuttgart. 2018) und seit über 30 Jahren als Pädagogin und Psychotherapeutin tätig, mit eigener Praxis in Wien. Als Psychagogin und Supervisorin arbeitet sie in Schulen mit Kindern und Pädagogen. Ihr Schwerpunkt liegt in der systemischen Einzel-, Paar- und Familientherapie, vor allem unterstützt sie Eltern und Kinder, mit schwierigen Situationen umzugehen und diese zu meistern.

Wie bewältigen wir als Familie das Homeschooling?

In vielen Ländern sind Homeschooling und E-learning schon lange bekannte Alternativen zum Präsenzunterricht. Auch wir lernen nun damit umzugehen. Denn vieles davon wird auch nach der Corona-Krise bleiben.

Homeschooling stellt Familien vor Herausforderungen. Andererseits bietet sich für Eltern jetzt die Chance, ihre Kinder in einem Lebensbereich kennenzulernen, der sonst der Schule vorbehalten bleibt: Wo sind die Stärken meines Kindes? Wie konzentriert arbeitet es? Wie kann ich dabei helfen?

Was hilft nun Familien mit der veränderten Situation umzugehen?

Zuerst heißt es, die Schulsachen in Ordnung bringen und nur die Dinge am Schreibtisch liegen lassen, die zum Arbeiten gebraucht werden. Ein chaotischer Arbeitsplatz und ständiges Suchen machen mutlos. Wenn möglich sollte das Handy während wichtiger Arbeiten draußen warten. Denn es braucht viel Kraft, hereinkommende Nachrichten nicht zu lesen, selbst wenn das Smartphone auf lautlos gestellt ist. 

Ein strukturierter Alltag verhindert tägliche, nervenaufreibende Diskussionen. Klare Vereinbarungen für Freizeit, Pausen und Arbeitsphasen schaffen eine Lernatmosphäre wie in der Schule. Die Familie trifft sich in den Pausen und zum Essen, da wird geredet und nachgefragt.  Zwischen einzelnen Aufgaben sind kurze Pausenintervalle zwischen 5 bis 10 Minuten hilfreicher als eine lange Zeitspanne. Denn nach zu langen Unterbrechungen braucht das Kind wieder viel Anschubkraft, um sich neu zu motivieren. Lange Pausen hingegen sind zu Mittag oder am Nachmittag wichtig und lassen sich gut zum Luftschnappen und Ausruhen oder für Bewegung nützen.

Je nach Alter des Kindes lohnt sich ein gemeinsames Erstellen von Tages- und Wochenplänen. Der Stundenplan und die Abgabedaten hängen sichtbar an der Wand. So kennen sich Kinder auf einen Blick aus, vergessen weniger und die Eltern ersparen sich nervendes Nachfragen. 

Foto: Annie Spratt 

Erfolgserlebnisse können helfen

Der Einstieg In Lernphasen ist stressfreier, wenn Kinder mit den leichten Aufgaben beginnen. Das schafft rasch Erfolgserlebnisse und die To-do-Liste wird erst mal kürzer, bevor das Schwierige an die Reihe kommt. Bewusstes Abhaken von erledigten Aufgaben schafft auch Mut und Selbstvertrauen. 

Lernen im Pyjama, ungewaschen und unfrisiert, bringt unser Gehirn in den Freizeitmodus. Normale Kleidung und ein gepflegtes Äußeres hingegen, wie vor dem realen Schulbesuch, signalisieren dem Gehirn: Jetzt sind Alltag, Lernen und Schule angesagt, auch wenn du zuhause bist! Außerdem zeigen sich die Kinder im virtuellen Klassenraum damit von ihrer aktiven, motivierten Seite.

Ein kurzes Ritual vor dem Homeschooling stärkt Konzentration und markiert den Einstieg. Zum Beispiel können Eltern und Kinder gemeinsam den Arbeitstag einleiten, indem sie vor dem offenen Fenster ein paar Mal tief durchatmen, sich strecken und räkeln, Hände und Füße ausschütteln und am Ende mit den Fingerspitzen beider Hände 10-20mal auf die Brust klopfen. Das schafft ein Gemeinschaftsgefühl, tut Kindern und Eltern gut, denn damit wird die Thymusdrüse aktiviert. Diese liegt hinter dem oberen Teil des Brustbeins und ist ein Teil unseres Immunsystems. Sportler klopfen sie regelmäßig, um sich zu stärken, körpereigene Energie aufzubauen und Stress abzubauen. Schon Tarzan hat damit Stärke signalisiert, deshalb wird diese Übung auch „Tarzantechnik“ genannt.

Längere Tätigkeiten vor dem Bildschirm sind eine Belastung für den ganzen Organismus. Sein Funktionieren hängt eng mit unserem Flüssigkeitshaushalt zusammen. Für uns alle, aber besonders für Kinder, ist es wichtig, ausreichend Wasser zu trinken, denn ihr Flüssigkeitsanteil im Körper ist höher als der von Erwachsenen. Ein Mangel führt rasch zu verminderter Leistungsfähigkeit und Konzentrationsschwäche.  Immer ein Glas Wasser griffbereit verhindert so manches Tief. Gemeinsam als Familie lässt sich das Abenteuer Homeschooling gelassen und erfolgreich bewältigen!

Fotos: Annie Spratt 

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