Hauptstadtmutti

Inklusion?! Wo bekomme ich Hilfe?

Das komische Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Es ist erst sehr dumpf, sehr leise und nach und nach sammeln sich Punkte an und man merkt: Mit meinem Kind stimmt was nicht.

Und dann isser da wieder. Dieser komische Begriff, der häufig benutzt wird und leider viel zu oft negativ behaftet ist. Im letzten Text habe ich versucht, die Bedeutung hinter dem Wort „Inklusion“ ein wenig zu erklären. Heute soll es um die verschiedenen Möglichkeiten der Unterstützung und dieses komische Gefühl im Bauch gehen.

Inklusion und die Menschen die davon in welcher Art auch immer betroffen sind, sind sehr unterschiedlich. Den einen Menschen, der inklusiv ist, gibt es nicht. Daher ist auch die Art der Hilfe, die erbracht werden kann, sehr unterschiedlich. Um Euch das ein wenig deutlicher zu machen, erzähle ich euch heute eine Geschichte aus meinem persönlichen Umfeld.

Plötzlich irgendwie anders

Ein befreundetes Pärchen ist vor fast drei Jahren irgendwann im November Eltern geworden. Bis zur Geburt verlief die Schwangerschaft ohne jegliche Komplikationen. Doch dann lief etwas plötzlich schief und die wunderschöne Tochter der beiden kämpfte mit dem Leben. Das Wochenbett verbrachten alle zusammen auf der Intensivstation und bekamen die Kleine erst nach unzähligen Wochen mit nach Hause.

Anders als bei gesunden Kindern war der Kofferraum mit allerhand medizinischen Zeug gefüllt. Ein Monitor, der 24 Stunden lang sämtliche Funktionen überwacht, ein Absauggerät und viele weitere Dinge, die ab jetzt zum neuen Leben dazugehörten. Kurzum: Die kleine Maus kam aufgrund eines medizinischen Fehlers schwerst behindert auf die Welt.

Bis heute kann sie weder sitzen noch sprechen oder alleine husten. Die Familie wird von einer Kinderkrankenschwester im Alltag unterstützt. Warum ich euch das erzähle? Weil genau hier Inklusion ins Spiel kommt.

Wo finde ich Hilfe, wenn etwas nicht stimmt

Im letzten Jahr suchte die Familie einen Kitaplatz, denn rein rechtlich hat die Kleine ja einen Anspruch auf ein völlig normales Leben und damit natürlich auch auf einen Kitaplatz. Das Drama, einen integrativen Kitaplatz zu finden, kann man kaum mit Worten beschreiben. Kurz: Bis heute konnte die Familie keinen Kitaplatz finden. Ein ziemliches Drama und das Ende ist offen.

Hilfen bekommt die Familie theoretisch viele. Fast jede Stadt hat Zentren für Frühe Hilfen. Hier werden Kinder, die in den ersten Jahren der Entwicklung Auffälligkeiten und Probleme haben, von Anfang an unterstützt. In vielen Einrichtungen arbeiten multiprofessionelle Teams aus Ärzten, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten und Sozialpädagogen. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Bereiche des Lebens betrachtet werden. Daher mein erster Tipp: Falls ihr schon wisst, dass Inklusion für euch ein Thema sein könnte, sucht im Internet nach solchen Zentren (einfach in der Suchmaschine „Frühe Hilfe“ und eure Stadt eingeben) und vereinbart einen Termin zum Kennenlernen. Schon das Erstgespräch am Telefon kann ein unsicheres Bauchgefühl in brauchbare Informationen umwandeln.

In vielen Städten sind die Frühen Hilfen dem Jugendamt zugeordnet, in anderen Städten gibt es aber auch andere Träger. Ein guter Start kann auch der Besuch in einem SPZ (Sozialpädiatrisches Zentrum) sein. Hier arbeiten viele Ärzte und Therapeuten, die auf besondere Kinder spezialisiert sind und einen Katalog an möglichen Hilfsangeboten und Infos für euch bereit halten. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen: Ruft an und lasst euch einen Termin geben. Und lasst euch nicht abwimmeln!

Anders ist die Frage nach Unterstützung wenn es noch keine konkrete Diagnose gibt. Wichtig ist, dass wir jetzt zwischen körperlichen und geistigen Auffälligkeiten unterscheiden. Körperliche Beschwerden sollten immer erst medizinisch abgeklärt werden. Der erste Ansprechpartner ist hier der Kinderarzt oder eine gute Kinderambulanz. In größeren Kliniken gibt es fast immer Sozialpädagogen, die unglaublich viel Ahnung von Hilfen rund um Inklusion haben. Die Sozialberatung in solchen Kliniken kennt sich mit vielen unterschiedlichen Erkrankungen aus und macht das nicht zum ersten Mal. Mein Tipp lautet wie so oft: Ansprechen und nach Hilfsmöglichkeiten fragen.

Gilt ab jetzt für immer: Hartnäckig bleiben

Ist eurer Kinderarzt anderer Meinung als ihr, solltet ihr über eine zweite Meinung nachdenken. Leider heißt das meistens auch: Ab jetzt müsst ihr hartnäckig sein! Denn das Bauchgefühl von Eltern ist in der Regel meistens nicht so verkehrt.

Noch schwieriger wird es bei Kindern, die in der Schule oder Kita eher geistig auffällig sind. Führt ein Gespräch mit Lehrern und/oder Erziehern. Es ist sehr hilfreich frühzeitig alle wichtigen Personen an einen Tisch zu bekommen. Einige Kinderärzte suchen sogar das Gespräch mit Lehrpersonen und Kita-Erziehern. Geistige Auffälligkeiten sind unter anderem gesteigertes Aggressionsverhalten, Unruhe, Lernschwierigkeiten und verschiedenste andere Variationen, die für Außenstehende „nicht normal“ wirken. Die Liste ist unglaublich lang und sehr variantenreich.

Zusammen mit Experten können individuelle Möglichkeiten für Hilfe und Unterstützung gefunden werden. Ob es ein Begleiter im Alltag sein muss, Hilfsmittel oder Unterstützung für die Familie: jeder Fall ist anders. Auch bei Anträgen bekommt man Hilfe und Unterstützung. Wichtig ist nur eins und das kann ich nicht oft genug vorbeten. Dran bleiben! Such das Gespräch und nimm jede Möglichkeit zur Hilfe an. Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass gerade pädagogisches Personal in Kitas und Schulen erfreut ist, wenn Eltern offen sprechen und sich Hilfe suchen, statt abzulehnen.

Nach den ersten Gesprächen kommt oft ein wenig Ernüchterung, denn in Deutschland muss gefühlt für jeden Quatsch erst einmal ein Antrag gestellt werden. Auch hier dürft und solltet ihr immer nach Hilfe fragen, wenn ihr verunsichert seid. Unseren Integrationsantrag haben wir gemeinsam mit Kita-, Gruppenleitung und der später für uns zuständigen Integrations-Kraft erstellt. Sie sind Profis auf dem Gebiet, kennen das korrekte Fachkauderwelsch, kennen die Schlupflöcher und wissen genau, was alles an Unterlagen und Informationen eingereicht werden muss.

Antrag A, B, Z und Y gehören zum Inklusionsdschungel dazu

Jetzt hab ich es also verraten: Auch ich bin mitten durch diesen Dschungel gegangen. Mein Bauchgefühl brüllte schon lange sehr laut und hat mich am Ende echt verrückt gemacht. Ich kann euch daher nur den Tipp geben, nicht mit dem Brüllen aufzuhören und Hilfe einzufordern. Und wenn euch jemand nicht helfen kann, dann fragt nach Zuständigen. In den SPZ und auch bei den Frühen Hilfen arbeiten viele schlaue Menschen, die jeden Tag mit besonderen Kindern zu tun haben. Das Erstellen von Anträgen und die Unterstützung für verunsicherte Eltern gehört daher einfach dazu.

Falls ihr jetzt noch immer super verunsichert seid: Erst einmal atmen. Denn einen langen Atem werdet ihr brauchen. Das lästige Nachfragen gehört ab jetzt dazu und ist enorm wichtig. Noch einmal alles Wichtige kurz zusammengefasst:

Gespräch mit dem Kinderarzt suchen, im Netz nach Begriffen wie „Frühen Hilfen“ oder einem Sozialpädagogischen Zentrum suchen, am Telefon nach zuständigen Mitarbeitern fragen und Termine vereinbaren. Anschließend Gespräche in der (zukünftigen) Kita oder der Schule führen. Bei Anträgen immer die Institutionen ins Boot holen und immer, immer, immer hartnäckig bleiben.

Meine Hartnäckigkeit hat dazu geführt, dass meine Kinder endlich als Individuum gesehen werden und viele Vergleiche wegfallen. Denn das ist das oberste Gebot: Beim Thema Inklusion sollte niemals verglichen werden, denn wir sind alle gleich. Und weil wir das alle jeden Tag immer wieder machen, nach links und rechts schauen, komische Blicke kassieren, sind wir leider noch weit davon entfernt, GLEICH zu sein.

Im nächsten Text soll es genau darum gehen: Inklusion im Alltag. Was können wir tun, auch wenn wir nicht betroffen sind. Denn doofe Blicke, nicht behindertengerechte Restaurants und Stigmatisierung können von jedem Einzelnen unterlassen werden!

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