Es ist Juli. Das Wetter ist scheiße. Die Stimmung auch, denn die dritte Welle steht schon in den Startlöchern. Nach fast zwei Schuljahren unter Pandemiebedingungen gehen wir auf dem Zahnfleisch. Nicht funktionierende Plattformen, unterirdisch schlechte Internetverbindungen und mangelnde Kompetenz haben uns mürbe gemacht. Mir steht der Sinn nach Ferien, absichtsvoller Strukturlosigkeit und einer Menge Alkohol. Aber definitiv nicht danach, mich irgendwie mit dem Thema Schule zu beschäftigen. Doch das Universum hat andere Pläne und spült mir Elinas Beitrag „Migrantenmutti – Einschulung“ entgegen, in dem sie des Deutschen Sehnsucht nach einer perfekten Einschulung MIT ALLEM PIPAPO herrlich analysiert und … nun ja … auseinandernimmt.
Nach diesem Text ist es um mich geschehen. Ich finde mich hysterisch lach-weinend vor dem Mobiltelefon wieder und kann gar nicht anders, als allen Leuten, die mir irgendwie unter die Nase kommen, von diesem Artikel zu erzählen. Denn was da drin steht ist eben nicht nur lustig, sondern auch sehr wahr.
Aktuell habe ich bereits drei meiner vier Kinder in den Schoß des deutschen Schulsystems übergeben. Durch den Text fühle mich in meiner Deutschheit sehr ertappt – denn auch ich habe schon Unsummen für Schultüten, Ranzen, Mäppchen, Reflektoren, Eistorten und Heliumballons (für die Einschulungsfeier, versteht sich) ausgegeben. Um das volle Konfliktpotential zu verstehen, muss man allerdings wissen, dass meine Kinder ja zur Hälfte nicht-deutsch sind und ihnen damit nicht nur eine Hälfte Alman-Gene fehlen, sondern eben auch eine ganze halbe Alman-Familie.
Dies führte in der Vergangenheit bereits mehrfach zu Irritationen. Als wir der schwedischen Familie vor der Einschulung des Erstgeborenen zB erzählten, WIE VIEL so ein deutscher Ranzen kostet, waren sie sichtlich verwirrt und fragten: ‚Aber das ist doch nur ein Rucksack, in den man seine Bücher steckt, oder?‘ Ja Herrejessös. Da soll noch mal einer sagen, dass es unter Nordeuropäern keine kulturellen Unterschiede gibt. Ts.
Mittlerweile ist der Sommer vorbei und die nächste Einschulung steht an. Na gut, es ist keine richtige Einschulung, denn es geht um die fünfte und nicht die erste Klasse. Aber es ist dennoch ein Ereignis. Neue Schule, neue Lehrer*innen, neue Mitschüler*innen. Und ein neuer Ranzen. Ist ja klar. Ohne neuen Ranzen machen wir Deutsche das mit der weiterführenden Schule nicht.
Diesmal ist das Wetter zwar gut, aber die Stimmung wieder scheiße. Denn wenige Tage vor der Einschulung bekommen wir einen Brief von der Schule, in dem steht, dass die Feier nicht wie geplant stattfinden könne.
Man müsse die Fünftklässler nun klassenweise aufteilen.
Voll ok.
Außerdem finde die 3G-Regel Anwendung.
Ok.
Zudem dürfe pro Kind nur EIN Elternteil kommen.
Wiebittebittewas?
Nach Monaten der Einschränkungen, des Rücksichtnehmens, des Abstandhaltens, des Zurücksteckens, des Zähnezusammenbeissens und Arschzusammenkneifens nun das. Wieder einmal sind es die Kinder (und ihre Eltern), die eine Klatsche kriegen. Während Ingrid wieder zum Shoppen in Uschis Boutique kann, während Maurice und Corinna endlich wieder mit Konrad und Stefanie-Sofie Samstags morgens auf dem Marktplatz eine Flasche Schampus schlürfen und während Kevin, Marcel und Dirk endlich mal wieder auf Malle so richtig ballern können, müssen mein Mann und ich eine Münze werfen. Kopf heißt dabei sein, Zahl heißt Arschkarte.
Wenn es nicht so unglaublich traurig wäre, wäre es fast schon lustig. Und auch, wenn uns die Sommerferien eine gewisse Erholung von all dem Schuldilemma vergönnt haben, sind wir dennoch nicht so erholt, dass wir die Kraft hätten, eine Revolution anzustoßen.
Was mache ich also stattdessen? Ich fülle Schultüten. Kleine zwar, aber dennoch. Eine für die frischgebackene Fünftklässlerin. Und eine für den Siebtklässler. Aus Fairnessgründen auch eine für den Zweitklässler. Und wo ich schon mal dabei bin, fülle ich auch eine für das KiTa-Kind.
Denn Schultüten füllen, das liegt mir im Blut. Schultüten füllen, das kann mir keiner nehmen. Kein Virus, keine Verordnung, kein gar nichts. Ich fülle, also bin ich. Hale-freakin-lujah.
Anna von @bestoftwoworlds.de bezeichnet sich selbst als Muttersau hoch vier und bloggt unter anderem über ihr Leben mit vier Kindern & Schwedenlife.