Hauptstadtmutti

Zwischen Bauern und Berlin: Hühner

Ich weiß wirklich nicht mehr wie das angefangen hat, aber es entwickelte sich rasant und unauffällig. Eine mehr oder weniger totale Obsession. Anastasia und ich schickten uns Bilder hin und her, das Gespräch driftete immer wieder in diese Richtung und die Tatsache, dass ich tagtäglich echten Exemplaren in freier Wildbahn über den Weg laufen durfte, führte zu Frustration im halben Hauptstadt-Team.

Wir sind verhühnert. 

Was das heißen soll? Wir sind völlig besessen von Hühnern. 

Ich habe keine Ahnung wieso, aber irgendwann kam dieser Punkt, da wusste ich: Wenn wir aufs Land ziehen, dann will ich Hühner! Jetzt leben wir seit fast drei Jahren auf dem Land und keine Hühner, hmpf. Aber warum nur? Ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass ich der Nachbarschaft ihre Golden Retriever und Dackel lasse, den anderen Kita-Familien die Meerschweinchen und Hamster, denn Haustiere brauch ich nicht. Ich will Nutztiere! Ich will frische Eier jeden Morgen und gackernde kleine Bio-Müll-Vernichtungsanlagen. Ich will ich will ich will!

Als Dorfkind durch und durch verstehe ich ja den Sinn von Haustieren nicht wirklich. Ein Mangel an Verständnis, hauptsächlich. Vor allen Dingen nicht in der Stadt. Katzen sind hier ja auch Nutztiere. Hunde auch. Also außer der vorab erwähnten Dackel vielleicht. Die, uhm, obwohl, die wurden zum Jagen gezüchtet, ne? Für den Fuchsbau? War da nicht was? Siehste, direkt wieder Nutztier. Oh früher, ja früher, da war ich absolut besessen von Mops-Hunden, aber Freunde, nicht die Basic Edition, nee nee, ich wollte unbedingt einen schwarzen Mops. Alles hätte ich dafür getan. In meinen 20ern dachte ich, was wichtigeres kann es nicht geben. So wie ich als Teenager dachte, ohne Arschgeweih und Zungenpiercing geht mein Leben nicht weiter. Aber man wird älter, und es tut einem richtig, richtig gut, nicht jeden Wunsch erfüllt zu bekommen. You live, you learn und allein bei der Vorstellung an ein Zungenpiercing graust es mir gerade.

Ich muss immer lachen wenn ich höre, dass Leute sich ein Haustier anschaffen, um Liebe zu geben. Klasse. Können sie auch Zeit geben? Ich glaube Tiere brauchen bisschen Zeit mehr als Liebe. Ich habe keine Zeit für Haustiere. Deshalb Hühner. 

Hühner brauchen dich nicht, du brauchst Hühner. 

Wir essen viele Eier. Sauviele Eier sogar. Von Milch auf Hafermilch umsteigen? Hat das ältere Kind nicht mal gemerkt. Das kleine Kind hat, soweit ich weiß, vielleicht sogar noch nie Milch getrunken. Dabei liebe ich Milch. Zimt-Cerealien mit Hafermilch schmecken zum Kotzen, alles schmeckt mit Hafermilch beschissen. Außer Kaffee, FYI. Die Milchproduktion ist aber leider ein Arschloch und irgendwie ist es ja wirklich weird, Kühe permanent zu schwängern und zu melken und dann Milch zu trinken, die für Babykühe gedacht ist. Ich wurde also älter, entwickelte noch mehr anstrengende Prinzipien, und verzichte 90% der Zeit auf Milch, weil man sonst nicht so viel hinkriegt, um den Planeten zu retten. 

Glaubt mir, wenn ich könnte, würde ich eine Kuh neben den imaginären Hühnerstall platzieren. Ganz wahllos ist der Gedanke nicht, ich bin mit einer Kuh groß geworden, schwarz war die. Aber das Problem an der Kuh ist nicht die Kuh, sondern die Verarbeitung der Milch. Eier verarbeiten, kein Stress, man muss buchstäblich nur ein bisschen Karate können, aber selber Butter machen? Äh, bisschen anstrengend. Ich will nicht mal Sushi oder Nudeln selber machen. Ich höre sie schon, die richtig coolen da draußen, „äh frische Nudeln machen ist sooooo einfach“ und „mit den Kids machen wir immer süßes Sushi selber, voll cute“. Boah halt’s Maul ganz ehrlich. Haben denn die Menschen nichts mehr zu tun zu Hause? Dass sie Nudeln selber machen? Whatever happened to die Gastro unterstützen?

Night Eggs Forever

Ich könnte dreimal am Tag Eier essen. Und dann noch Night-Eggs, wie meine Freundin Chrissy Teigen. Die übrigens das wahrscheinlich fantastischste Koch-Tutorial ever gemacht hat für die nächtlichen Eier. Genau mein Humor, so und nicht anders. Ich bin auch wirklich so unfassbar dumm, ich verchecke regelmäßig, dass Eier nicht vegan sind. Andauernd schicke ich Fotos rum, von meinem Essen und sage ‚heute vegan!‘ Nur weil keine Milchprodukte oder Fleisch drin sind. Turns out, Eier sind nicht vegan! Huh. Aber für eine Sekunde nur können wir nicht sagen, dass Hühnern, wenn sie voll cool und fair gehalten werden, wirklich kein Schaden kommt, wenn man deren Eier nimmt? Sie werden die doch eh los? Bitte, ich möchte unbedingt in dieser Sache ge-vegan-splained werden in dieser Angelegenheit. Vegan-splained mich!

Zucken eigentlich schon die veganen Mundwinkel? Wollt ihr es mit allen teilen?

AQUA FABER IST DER PERFEKTE EIERSATZ.

Voll gut, danke. (Alle anderen so, was ist ein Eier-Satz) Aqua Faber bei Mousse au Chocolat und Kuchen vielleicht, auch Pfannkuchen mache ich meist mit übrig gebliebenem Haferschleim, excuuuuse me, PORRIDGE, aber Rührei? Omelette? Leute, Spiegelei? Hilft nichts, willste Rührei, brauchste Eier. 

EIER WIR BRAUCHEN EIER

In der dritten Klasse habe ich mit Freundinnen eine Schülerzeitung gegründet. Einer meiner ersten Artikel handelte von Legebatterien und meinem Hinweis darauf, dass das DIN A4 Format, das meine Mitschüler*innen da in der Hand hielten, mehr Platz war, als eine durchschnittliche Legehenne bekam. Voll meta, wa? Furchtbar fand ich das. Ich Depp war so daran gewöhnt, dass unsere Eier vom Nachbarn kamen, dass ich gar nicht gecheckt habe, dass so ziemlich alle anderen ihre Eier im Supermarkt kaufen. 

Im Studium dann der Schock. Shit, was, wie viel kosten Eier? Eier sind entweder voll teuer oder voll billig, voll krass. Wie Fleisch irgendwie. Vollkommen cray cray. Hühner erinnern mich an Michel, betrunkene Hühner und die Hinkel-Lotta. Bisschen an Idylle, und dass alles gut wird im Leben. Weil, wenn Hühner gackern, dann kann ja noch nicht alles komplett am Arsch sein. Und nicht umsonst ist der Porno Faktor eines Avocado Toast weder Avocado, die fucking Diva, noch der Toast, der dann auf Instagram doch immer und immer wieder ein frisches Sauerteigbrot ist, sondern das pochierte Ei, das über allem zerfließt. Wie das Gute, das am Ende immer gewinnt.

Bock Bock Bock. 

PS: Ich habe es geschafft, eine Kolumne über Hühner zu schreiben, ohne KFC zu erwähnen, direkt Bundesverdienstkreuz.

Alle Fotos: Kai Senf

An dieser Stelle nur Liebe für das Kinderbuch mit dem besten Hühnercontent: Dachs und Stinktier von Amy Timberlake und Illustrationen von Jon Klassen, cbj Verlag. 

Outfit: Soweit ich mich erinnern kann, komplett secondhand. Auf dem grünen Pulli sind Golfer, das war der überzeugende USP. Die Weste ist von LL Bean und wurde in einem Goodwill in San Francisco für keine 10$ gekauft und ist immer noch beste. Kauft Barbour oder LL Bean secondhand, hält ewig.

Außerdem tausend Dank an meine Cousine, die hat nämlich wirklich Hühner, und das innerhalb von wenigen Monaten, nachdem sie in ihr Haus zog. Nothing but respect. (Habe ich meine pinke Mütze bei euch vergessen? Suche die seitdem.)