Coaching-Profi Wiebke Witt: „Perfektionismus ist kontraproduktiv – als Mutter und bei der Arbeit.“

Porträt Coaching

Wir haben Wiebke (39), Diplom-Psychologin, Inhaberin von Witt Consulting und Mutter von Mieke (4) und Carlo (9), zu Hause in Berlin-Pankow besucht und uns über ihren Berufseinstieg in Afrika, das Coaching weiblicher Führungskräfte und den (un)perfekten Wiedereinstieg für Muttis nach der Elternzeit unterhalten.

Hauptstadtmutti: Wie bist du zum Coaching gekommen?

Wiebke: Das fing schon ziemlich früh an, ich habe während des Studiums immer schon nach Arbeitsperspektiven für mich gesucht und auch recht schnell erkannt, dass es in Richtung Personalentwicklung geht. Dann habe ich im Hauptstudium ein Praktikum bei einer Firma namens Coach Concept gemacht und auch interkulturelle Trainings für die Austauschorganisation AIESEC gemacht. Die Kombination war toll, so konnte ich einerseits Trainings und andererseits Coaching für Einzelpersonen anbieten.

Hauptstadtmutti: Und wie ging es dann nach deinem Studium weiter?

Wiebke: Direkt nach dem Studium bin ich mit meinem Mann ins Ausland gegangen, erst nach Südafrika, dann nach Ghana und noch mal drei Jahre nach Kenia. In Ghana hab ich bei einer Unternehmensberatung gearbeitet und dabei gemerkt, dass ich mein eigenes Ding machen möchte. Die waren toll, aber ich wollte mehr Trainings, mehr Workshops und mehr Coaching geben. Also habe ich noch einige Zusatzausbildungen gemacht und in Kenia gleich als Selbstständige angefangen zu arbeiten. Das war u.a. auch ein gute Möglichkeit eine offizielle Arbeitserlaubnis zu bekommen. Du bist dann ja eher jemand, der potentiell Arbeitsplätze schafft als jemand, der anderen Arbeitsplätze wegnimmt. Ich konnte in Kenia auch schnell als Freie bei Personalentwicklungsfirmen andocken.

Hauptstadtmutti: Das heißt, deine Arbeitssprache war von Anfang an Englisch?

Wiebke: Ja, alle drei Länder sind englischsprachig. In Kenia habe ich sogar beim British Council, dem englischen Pendant zum Goethe-Institut, gearbeitet und konnte mein Englisch dort ziemlich aufpolieren.

Hauptstadtmutti: Und heute, arbeitet du in beiden Sprachen?

Wiebke: Ja, ich arbeite auf Deutsch und auf Englisch. Und in Südafrika und Kenia bin ich auch immer noch als Trainerin für deutsche Firmen unterwegs.

Hauptstadtmutti: Hast du auch eine afrikanische Sprache gelernt?

Wiebke: Ich habe am Anfang versucht, Swahili zu lernen, aber das ist dann im Berufsanfang leider untergegangen. Man kommt auch in allen drei Ländern gut ohne Swahili durch und dann musste ich mich ohnehin auf mein Business English fokussieren.

Hauptstadtmutti: Dann kennst du deinen Mann ja schon ziemlich lange!

Wiebke: Ja, seit über zwanzig Jahren. Wir sind dieses Jahr 19 Jahre zusammen und seit 13 Jahren verheiratet.

Hauptstadtmutti: Du hast deinen Namen behalten?

Wiebke: Ja, Wiebke Witt –  den Namen wollte ich einfach nicht ändern. Mein Mann wollte seinen auch behalten, und wir waren uns einig, dass das kein Problem ist. Nur seine Großmutter fand das ein bisschen doof (lacht).

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Hauptstadtmutti: Jetzt arbeitest du schon wieder lange hier in Deutschland. Was ist dein Schwerpunkt?

Wiebke: In den letzten acht Jahren habe ich hauptsächlich Führungsthemen gemacht. Angefangen hatte ich ja mit interkultureller Kompetenz, und es freut mich sehr, dass interkulturelle Kompetenz in fast allen Kompetenzprofilen für Führungskräfte mittlerweile Standard ist. Auf dem Gebiet bin ich ziemlich stark, auch wegen meiner internationalen Erfahrung.

Hauptstadtmutti: Interkulturelle Kompetenz – das heißt, du coachst Leute, die ins Ausland gehen oder aus dem Ausland kommen?

Wiebke: Das auch. Darüber hinaus haben viele Führungskräfte mittlerweile gemischte Teams – Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern, Geschäftsbereichen und Altersgruppen – und sind darauf angewiesen, dass Leute mit unterschiedlichen Perspektiven und Expertisen gut zusammenarbeiten.

Hauptstadtmutti: Merkst du bei den Team-Trainings einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?

Wiebke: Ja. Gerade Entwicklungsprogramme für Führungskräfte sind oft eher auf Männer zugeschnitten. Das werden auch tolle Themen bearbeitet – Wie führe ich Mitarbeitergespräche? Wie höre ich richtig zu? Wie löse ich Konflikte? –, aber ich habe das Gefühl, dass Frauen da intuitiv sehr viel richtig machen. Ich würde den weiblichen Führungskräften in den Trainings manchmal lieber ein paar andere Sachen zurufen, sowas wie „Sprich klar“, „Nimm nicht alles gleich zu persönlich“ oder „Setz dich gerade hin“ …

Hauptstadtmutti: Dafür gibst du bald ein Seminar, das speziell für Frauen konzipiert ist?

Wiebke: Ja, Ende Juni gebe ich mit einer Kollegin das Wochenendseminar Das Clever-Prinzip für erfolgreiche Frauen, mit dem wir vor allem Frauen ansprechen, die Führungskräfte sind oder eine Führungsposition anstreben und in Sachen Selbstmarketing noch ein bisschen was drauflegen wollen. Frauen, die gut und kompetent sind, das aber besser an die Öffentlichkeit geben möchten und sich bewusst der Herausforderung stellen, dass es noch nicht genug Frauen an der Spitze gibt und die Luft da etwas dünner wird. Frauen, die sich vielleicht auch oft mit Männern auseinandersetzen müssen, die dem nicht so wohlgesonnen sind und sich da besser behaupten möchten.

Hauptstadtmutti: Würdest du ein solches Seminar auch für Männer anbieten?

Wiebke: Ja klar! Am zweiten Seminartag kommt übrigens noch ein Kollege dazu, dem die Frauen aus ihrem Führungsalltag erzählen, speziell Situationen mit Männern, in denen sie sich Unterstützung wünschen. Wir sammeln dann die Fälle und spielen die Situation mit dem Kollegen nach. Er verlässt dann den Raum und wir entwickeln Lösungen und Strategien, was man wie anders machen kann. Dann kommt der Kollege wieder rein und sie spielen die Situation erneut mit ihm nach. Es rührt manchmal wirklich zu Tränen und ist wirklich beeindruckend, was eine Beratung und eine paar neue Impulse ausmachen können! Das könnte man natürlich auch andersrum für Männer anbieten. Wir wollen das auch nicht bis in alle Ewigkeit separieren und hoffen, dass das in zehn Jahren gar kein Thema mehr sein wird.

Hauptstadtmutti: Würdest du dafür plädieren, dass Seminare wie diese in allen Unternehmen ständig für Frauen angeboten werden? Muss das sein, um die Frauenquote zu erfüllen?

Wiebke: Gerade bei großen Konzernen ist es sicher empfehlenswert, dass es das standardmäßig gibt und Frauen ganz „natürlich“ daran teilnehmen können. Trotzdem muss man weiterhin mit den Führungskräften reden und die Teams weiterentwickeln, eher in die Beratung gehen und schauen, wie man Konditionen schafft, damit erst gar keine Problem entstehen. Kleinere und mittelständische Unternehmen hingegen sollten sich fragen „Was genau brauchen wir für unsere Frauen?“ Da würde ich eher auf maßgeschneiderte Lösungen setzen.

Hauptstadtmutti: Hast du eher Anfragen von Frauen oder von Unternehmen, die ihre weibliche Fachkräfte fördern möchten?

Wiebke: Im Moment mehr von Frauen. Was am besten funktioniert ist, wenn Frauen in einer Entscheidungsposition sind und sagen „Ich finde das gut, ich will diese Frauen hier fördern“. Dann geht das ganz schnell. Männliche Chefs haben oft Bedenken, dass wir die Frauen zu „Wadenbeißern“ ausbilden, was wir natürlich nicht anstreben (lacht). Uns geht es um eine gute Kommunikation zwischen den Geschlechtern und zwischen allen Mitarbeitern.

Hauptstadtmutti: Bist du auch in Netzwerken, die Frauen fördern?

Wiebke: Ja, ich war gerade auf dem Treffen der GWEN Gruppe (Global Women Entrepreneur Network), das war sehr spannend. Das sind Unternehmerinnen, die sich gegenseitig coachen und beraten, was ich ganz toll fand. Ich bin noch ein bisschen auf der Suche und möchte mir auch die Business Women Association anschauen.

Hauptstadtmutti: Lässt du dich selbst auch regelmäßig coachen?

Wiebke: Ja, ich gehe alle sechs Wochen zur Supervision. Ich finde, das ist ein Zeichen von Professionalität: Wenn ich mich anschicke andere zu beraten, muss ich mich dem auch aussetzen.

Hauptstadtmutti: Und bist du zu Hause auch der Coach?

Wiebke: Mein Mann war ganz jung, 27, als er in Ghana eine Führungsposition übernommen hat, und irgendwann hab ich gemerkt, okay, er braucht jetzt Coaching. Aber da ich das nicht abdecken konnte, hab ich ihm gesagt „Such dir einen Coach!“, was er dann auch getan hat. Mittlerweile ist er auch alle paar Wochen im Coaching. Das tut ihm total gut, und uns beiden auch. Natürlich höre ich ihm zu und gebe ihm Tipps, aber ich habe nicht die Verantwortung, mit ihm Lösungen finden zu müssen.

Hauptstadtmutti: Hast du für unsere Leserinnen ein paar Tipps für den Wiedereinstieg ins Berufsleben?

Wiebke: Ja, klar. Zunächst ein paar ganz einfache Sachen. Was mir zum Beispiel sehr geholfen hat war Sport zu machen, um sich wieder fit zu fühlen. Natürlich ohne Stress und im Rahmen dessen, was mit Kind möglich ist. Man sollte sich Zeit für sich selbst und seinen Körper nehmen, das ist ganz wichtig. Das kann alles sein von Yoga über Tanzen bis zum Besuch bei der Kosmetikerin.

Für die Rückkehr in den Beruf sollte man sich klar werden: Was ist mir wichtig und wie will ich arbeiten? Wie viel Zeit möchte ich zu Hause, wie viel bei der Arbeit sein? Wie verantwortungsvoll sollen die Aufgaben sein, was ist das Maximum, was ist das Minimum? Und dann auch: Was will ich? Und nicht immer nur: Was gibt mir mein Arbeitgeber? Wenn man so klar reingeht und genau weiß, was man bereit zu geben ist und auch weiß, was man dem anderen anbieten kann, das fände ich eine gute Vorbereitung.

Die Elternzeit ist auch eine Möglichkeit, über einen Wechsel nachzudenken, darüber, sich vielleicht selbstständig zu machen oder zurück in ein Angestelltenverhältnis zu gehen. Generell würde ich sagen: Sei mutig, zu sagen, was du möchtest. Ich will bei meinen Kindern sein. Oder andersrum: Ich will mal ein paar Tage wegfahren und kann delegieren, ohne dass gleich alles zusammenbricht. Sich zu trauen und sich auch was zuzutrauen. Gleichzeitig ist jede Art von Perfektionismus abzuschaffen. Das ist sowohl als Mutter als auch bei der Arbeit völlig kontraproduktiv. Wenn ich die perfekte Mutter, Geliebte und Unternehmerin sein will, mache ich mich nur kaputt. Mache das, was gut und nötig ist, aber nicht mehr.

Hauptstadtmutti: Gutes Schlusswort! Herzlichen Dank, Wiebke, für das Interview!


Interview: Isa Grütering / Fotos: Theresia Koch / Text: Natascha Korol

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