Yasmine M’Barek: „Am Ende ist das Internet auch einfach relativ egal“

Wie wir alle wissen, habe ich kein Problem damit, in der Öffentlichkeit davon zu sprechen, wie sehr ich andere Menschen bewundere. Also wirklich kein bisschen. Doch ob nun Beyoncé, Rihanna oder Yasmine M’Barek, sie beeindrucken mich. Warum? Ich bin zeitweise schlechter drin geworden, auf alles zu scheißen, was andere sagen. Ein wenig zumindest. Ich werde wieder besser darin, so zu schreiben, wie ich es mal getan habe. Das verdanke ich auch Yasmine. Gedanken raus, das Internet ist am Ende halt egal, oder Yasmine? Ist das diese Coolness von der sie alle sprechen?

Eine coole, private Kennenlerngeschichte kriegt ihr heute nicht, die bleibt privat, aber lasst es mich euch versichern, was für ein wundervoller Mensch ist bitte Yasmine M’Barek. Sweet, richtig, richtig sweet. Ihr Buch ‚Radikale Kompromisse. Warum wir uns für eine bessere Politik in der Mitte treffen müssen‘ wird wahrscheinlich das einzige Sachbuch bleiben, das ich in diesem Jahrhundert durchgelesen habe. Ihr solltet es auch tun, es ist extrem wichtig. Und wenn ihr den sagenumwobenen Account @ceremonialofasavage noch nicht kennt, puh, schnell hin da. So ist sie mir aufgefallen, nun, ihre Söder Memes. Aber ich blieb für das Beige. Jetzt geht es aber los.

Wie wird man so cool?
Indem man einfach ganz, ganz schlicht richtig lange uncool war und dann einfach sein Ding durchzieht. Und dann merkt, dass voll viele Leute ihr Ding durchziehen und man dem Spießertum entkommen ist, weil man „cringe“ Dinge geil findet und sie anzieht, die alle Leute scheiße finden.  

Wie viel Absicht ist hinter dem Bild, das du verkörperst?
Ich glaube ich mache das ohne Intention. Ich mag diese Farben, ich bin sehr gefestigt in meinem Geschmack, die Findung hat lange gedauert. Ich wirke gerne classy, aber das bin auch einfach ich und das würde mein Umfeld auch genauso bestätigen. Mein Instagram Feed ist aber nicht durchgeplant, falls das die Frage ist. 

Das, was du jetzt erreicht hast, ist es das, was du immer wolltest?
Weiß ich nicht. 

Bist du damit zufrieden?
Weiß ich auch nicht. 

Was bist du denn jetzt eigentlich? Journalistin? Autorin? Phänomen?
Jesus? Nein, Jesus bin ich nicht. Beruflich bin ich Journalistin und in meinem Kopf bin ich Autorin, weil ich einfach immer schreiben wollte. 

Weißt du was, stell dich doch mal vor. 
Hi, ich bin Yasmine M’Barek H. Mein voller Name ist nicht für die Öffentlichkeit. Ich bin Journalistin und wirke ausversehen wie eine Influencerin und ich liebe Dua Lipa. 

Es gibt Menschen, die arbeiten daraufhin, nicht nur wie Influencer zu wirken, sondern welche zu sein. Bei dir wirkt das so natürlich. 
Ich habe nie das Internet aufgemacht und angefangen, so zu posten, dass mir die Woche drauf 1000 Leute mehr folgen. Nicht, dass ich das nicht begrüßen würde, es ist ja auch ein Zuspruch und natürlich öffnet das Optionen.

Als ich in der Schule war, war es natürlich voll cool, so 3000 Follower zu haben, und das hat man versucht über Hashtags zu erreichen. Aber, das hat schnell aufgehört, weil, who am I? Und dann habe ich einfach angefangen zu posten, was ich will. Da hat sich der Schwerpunkt auch immer mal wieder geändert. Mal waren es mehr Memes, mal mehr Fashion. 

Aber ich finde am Ende ist das Internet auch einfach relativ egal. 

Kannst du Generationenbegriffe oder -einteilungen überhaupt noch hören?
Ich glaube, dass es nie ein Kollektiv gibt bei Generationen. Das verteilt sich immer sehr gleich. Ich würde auch nicht sagen, dass Gen Z linker ist als Gen X. Diese Art von Kollektiv funktioniert nicht. Man muss immer empathisch sein, inhaltlich zuhören und aufeinander zugehen; das ist für mich ein prinzipielles Prinzip. Schwieriges Wording, aber hey!

Viele meiner Bekannten und Kolleginnen sind Mitte 40, gut 10 Jahre älter als ich, tendenziell also klar Gen X. Sie sind teilweise sehr deutlich in ihrer Ablehnung gegenüber Millennials, deren Zielen und haben für Gen Z wenig übrig. Nimmst du überhaupt einen Unterschied zwischen Gen X und Millennials wahr, oder ist alles über 30 egal?
Politisch nehme ich keinen Unterschied wahr, popkulturell aber einen großen. Das hat viel mit Arroganz, Stolz und Selbstüberschätzung zu tun, wenn Generationen anfangen, sich besser oder schlechter zu fühlen. Ich glaube, dass Generationen popkulturell im Kollektiv dazu tendieren ihre eigene Unwichtigkeit durch ihr Ältersein oder ihr Bessersein ausgleichen zu wollen. 

Twitter vs. Insta

Nimmst du das auf Twitter auch so wahr? Wo liegt der Unterschied zwischen Instagram und Twitter?
Bei Twitter hat es oft so etwas pseudo-intellektuelles oder politisches. Bei Instagram ist es oft diese Diskrepanz zwischen wer bist du, wie viele Kinder hast du, wo wohnst du, wen kennst du, kannst du dich anziehen, was liest du, wen supportest du, mit wem hängst du ab ….und auf Twitter ist es ‚Kannst du Descartes zitieren ohne nachzuschauen? Weißt du was Habeck letzte Woche getragen hat du Fotze?‘

Streitest du im Internet mit Leuten?
Nicht freiwillig. Ich fange keinen Streit an. Ich finde politische Diskussionen, die relevant sind, wichtig. Aber Bitchfights? Sowas würde ich nie anfangen. Aber wenn es jemand bei mir macht, I’m ready to fight. Always.

Ist das Body Positivity oder kann das weg?

„Klingt super komisch, aber: Ich liebe diese Selbstverständlichkeit, mit der Yasmines Generation enge Klamotten trägt. Klamotten, bei denen meine Mutter mir deutlich gemacht hätte, dass das nicht geht, wenn man sieht, dass ich einen Bauch besitze. Was ich immer noch so drin habe. Und die machen es einfach. Auch bauchfrei oder Minirock, sie machen es einfach.“

Ninia LaGrande

Ist das eine Generationenfrage oder eine Typfrage? Traut ihr jungen Leute euch mehr?
Die einzige Liberation, die stattgefunden hat, ist dass Body Positivy so medial stattgefunden hat, dass Dicke Menschen sich jetzt trauen, etwas anzuziehen. Der Hate ist der Gleiche. Es hat sich nichts geändert. Wir alle lieben einander, klar, aber internalisiert bewerten wir alles und jeden.

Kriegst du Hate?
Voll! Empörungskultur ist aber nicht meins. Ich glaube, dass die jungen Menschen, die nicht normativ schön sind, heute mehr Dinge tragen, die normativ schönen Menschen vorbehalten waren. Und das hat nur damit zu tun, dass sie sich gegenseitig empowern und dass es in den Medien mittlerweile verpönt ist, sexistische oder lookistische Sachen zu schreiben, deshalb hat sich diese Grenze etwas geöffnet. Und ich glaube die alten Generationen, die ja vollgebombt wurden durch die Bravo, die InStyle und die Vogue, noch ein bisschen länger brauchen als wir. 

Auf jeden Fall ist es ein ganz neues Erlebnis, durch die Innenstadt zu gehen und ganz, ganz andere Modelle zu sehen als in meiner Kindheit oder Jugend. Meine Kinder wachsen mit unfassbar diverser Werbung auf. 
Deine Kinder sehen dicke Menschen, sie sehen behinderte Menschen, sie sehen jede Hautfarbe, die es gibt, alles Mögliche. Diese Empörungskultur, die es online gibt, dass alles so schlimm ist…Natürlich wollen wir alle gut aussehen, unsere Augen machen lassen, Botox machen lassen. Warum ist das so verpönt? Fuck off!

Warum bist du gefühlt der einzig rational agierende Mensch in diesem Land? Haben wir das verlernt, einfach normal miteinander auf ein Ziel hinzuarbeiten?
Das einzige, was ich bis heute weiß, ist, dass ich keine Strategie verfolge. Ich werde nicht die Ideologin sein, die dann bei Lanz sitzt und ihn wegen der Klimakrise vollheult, ich werde aber auch nicht die super Konservative sein, die sagt, dass alles genauso bleiben muss, wie es ist – weil es mir nicht darum ging. 

Dieses Buch zu schreiben, war echt eine Überwindung, weil ich wirklich so viel auf die Fresse kriege für dieses Buch, das ist echt kein Witz. 

Von wem?
Wirklich von jeder Seite. Es gibt einerseits die Leute, die sagen, boah darauf habe ich eigentlich gewartet, aber ist voll schwer dein Buch in der Öffentlichkeit zu praisen, weil dann zeigt es ja, dass man offen ist, seinen linken Idealismus rational zu hinterfragen. Und Konservative genauso, weil es denen zu links ist. Ein paar Leute in der Mitte machen das. I don’t know what it is und dann gibt es noch die Leute, die mich einfach komisch finden. Natürlich gab es auch Gutes und den Spiegel Bestseller Platz 23 nehm ich gerne!

Also aus meiner nicht-journalistischen, nicht-Twitter Perspektive, da ich damit nichts zu tun habe…
God bless your soul.

Haha. Du hast die Verzweiflung von Familien während der Pandemie mitgekriegt. Du kennst die Zahlen, was Mutterschaft mit Frauen und ihrem Einkommen macht. Trotzdem Familie wagen oder lassen?
Wagen.

So schnell wie möglich?
Ja. 

Siehst du dich als migrantische Stimme?
Ich sehe die Verantwortung, dass ich das beachten muss, weil ich eine Bühne hab. 

Du kannst auch über fast alles lachen, oder? Woran liegt das?
Weil ich so gut wie alles irrelevant finde. Diesen Planeten, die Klimakrise, die uns alle töten wird, ob es einen Gott gibt, ob dein Kind in einem Familienbett schläft, oder nicht. Wen interessiert das?

Keine Ahnung. Who the fuck cares? Fühle es. Sehr. Woher kommt das, dass wir diese Einstellung haben? Sind wir gestört?
Weil der Mensch so einen fucking Individualdrang hat, irgendwas besonderes zu sein und sich viel zu wichtig nimmt, sorry. Wir nehmen uns alle andauernd zu wichtig. Ich nehme mich auch zu wichtig wenn ich meinen Kindern beige Zara Matching Sets und Ugg Boots anziehen will. 

Würdest du deine Kinder im Internet zeigen?
Nein, niemals. 

Muss Yasmine M’Barek einer Partei besonders zugetan sein, oder sollte sie das erst gar nicht?
Gar nicht.

‚Ich schreibe abgewichst‘

Mich interessiert auch: wie schreibst du?
Abgewichst. Wir können das an meinem Andi Scheuer Portrait sehen. Den Auftrag habe ich 5 Tage vorher bekommen, war bis abends unterwegs, war beim Chinesen essen bis 23:30 Uhr, habe auf dem Balkon von einer Freundin gesessen bis morgens um 5 Uhr, hab den Text geschrieben, abgeschickt und war morgens Iced Latte trinken. 

Oder auch gerne im ICE morgens um 7, weil ich zwischen Berlin und Köln pendle und immer sage, ‚ich mache es abends‘, aber natürlich mache ich es nicht abends und muss dann. Gerne auch im Auto. Ich schreibe zu den beschissensten Zeitpunkten. 

Du pendelst und fährst viel Zug: Essen vorher kaufen? Zu Hause Stullen schmieren? Oder verrate uns den Geheimtipp aus dem Bord Bistro.
Es gibt nur zwei Varianten: keine Zeit haben und verhungern, weil das Bord Bistro so eklig ist oder Zeit haben und zwei Iced Latte, irgendwelche ekelhaften Kuchen, die gluten- und laktosefrei sind und eine Vogue. 

Du schreibst: „Wie differenziert man jene Idealisten von den Idealisten, die bereit sind, ihre Ideale für Kompromisse abzuschwächen, um Brücken zu bauen – die ja offensichtlich notwendig sind?“ Also, wie?

In erster Linie indem sie sich bewusst werden, dass sie in der Minderheit sind, denn wenn sie in der Mehrheit wären, wäre das einfach die herrschende Politik. Menschen, die gegen Rassismus einstehen, müssen auch mit Menschen arbeiten, die man eigentlich bekämpft. Oder denen entgegenkommen muss, ohne zu schreien, ‚Fick dich, ich hasse dich‘

War es das jetzt mit den Büchern?
Nein.

Roman auch?
Weiß ich noch nicht. Das nächste Buch werden persönliche Erzählungen werden. 

Wem folgen viel zu wenige Menschen auf Instagram?
Deiner private Instagramseite. Dringend.

Hahahahha, nein, ich bin ein Geheimtipp, lass es uns dabei belassen. Und wem zu viele?
Diesen grässlichen Meme Seiten von 2014, wo sich irgendwelche Männer über stark geschminkte Personen belustigen. 

Wie kriegen wir mehr Mütter in die Politik?
Genau wie alle anderen gesellschaftlichen Gruppen, die keine Lobby haben: Durch unangenehme, laute Pioniere.

Orte in Berlin und Köln?
Köln Zollstock für immer, Kaffeesaurus, the Coffee Gang und in Berlin DER H&M IN BERLIN MITTE MIT EINEM GEILEN KAFFEE.

Labels?
Studio Ena, Miaou.

Ich danke dir Yasmine, von Herzen.

Alle Fotos: ©KaiSenf 

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