Hauptstadtmutti

Anzeige

Die Quotenberlinerin wedelt mit dem Skiadel – einmal Puder, immer Puder?

Klar habe ich Bergerfahrungen! Wie alle Hauptstadtkinder bin auch ich bei drei Frostflocken den Teufelsberg (der größte Trümmerhaufen Berlins) mit meinem Holzschlitten runtergepest.  Aber ich checkte ziemlich schnell, dass sich die Welt in zwei Sorten Mensch aufteilt. Die, die in den Winterferien im Blub abhängen (Berlins Tropical Island der 90er), und die, die mit Skibrillenabdruck und Skischulenmedaillen aus Orten wie Kitzbühel, Ischgl und St. Moritz zurückkehrten. Letztere gibt es im Prenzlauer Berg reichlich.  Erklärt sich von selbst, wenn wir bedenken, dass sie überwiegend aus dem Süden in die Hauptstadt pilgern und erst vor Ort ihren Long Champ Faltshopper gegen Jutebeutel tauschen. Heute berichte ich euch von unserer Reise nach Lech Zürs!

„Wär’s nicht megaschön mit unseren Kids mal Skifahren zu gehen?“, fragt meine Journalistin Freundin und gehört zur Type Mensch, die beim Gedanken an hochalpine Abenteuer ganz aus dem Häuschen gerät und sich im Schwelgen verliert. Über Generationen zog es ihre Familie zum Wedeln auf die Arlbergpisten. Mein Mann beißt sofort an. Warmkuschelige Nostalgie für den alljährlichen Familienskiurlaub haben sich offensichtlich fest in seine DNA geschmust:  Alpenluftgerötete Apfelbäckchen, müde Skibeine, Hüttenzauber und Saunaaufguss. Die schönste Familienzeit des Jahres. Sie sind sofort verbunden und ich bin irgendwie raus. 

Skiurlaub mit der Familie 

Ich durchkrame meine katalogisierten Kindheitserinnerungen, doch bei mir rührt sich nichts. Außer meine ausgeprägte Packüberforderung beim Gedanken an die Skiwäsche, Skisocken, Schalmützen und sonstigen Frostschutznippes, den ich packen müsste, schlägt bei mir nichts aus. Oder doch? Eine mir bisher unerfüllte Sehnsucht nach Skischick und Pudermomenten klopft an.  Szenen in denen Lady Di in ihrem Ski Onesie mit ihren Jungs im Schnee tobt verbergen sich Eselsohrversehen in meiner Sehnsuchtsschublade und so sitze ich einen Augenaufschlag später im Zug Richtung St. Anton.  12 Stunden Tür zu Tür. Carving Ski, ein paar antike Skischuhe Type „damals war’s der geilste Shit“, vier Koffer, drei proviantsüchtige Kids und wir drei Erwachsenen. Zwei Skihasen und ihre Bridget Jones (Bridget Jones Teil II spielt übrigens tatsächlich auf den Pisten von Lech). 

In St. Anton angekommen begrüßt uns ne Berliner Schnauze. Er ist Taxilenker (hihihi, die sagen hier lustige Sachen). Vier Monate im Jahr. Das ist lukrativer als der Berliner Taxidschungel, denn im Land der Serpentinen muss er sich nicht mit Uber, Bolts und sonstigen Quereinsteigern um Fahrgäste prügeln. Sein mir so vertrauter Smalltalk entzaubert zwar unsere Österreicher Ankunft, aber fühlt sich nach Komfortzone und weicher Landung an. Er setzt uns um 23:10h an der Talstation ab. „Wir wollten zum Hotel Sonnenburg in Oberlech?!“. „Wees ick und da kommta nur mit der Gondel hin. Die sind da oben autofrei im Winter, weil der Pass zuschneit.“  Mega! Mein Bucketlistbarometer schlägt surrend aus, während wir unsere kleine Abenteuergemeinschaft mit Sack und Pack in die Seilbahn verfrachten. Nachtwanderungen auf Klassenfahrten in Kladow sind das eine, aber nächtliche Gondelfahrten mit Schlitten zum Hotel sind next Level Kindheitserinnerungen der Extraklasse. 

Mitternachtsjause, Pistengerodel und Alpenluft 

Hier oben ist die Ruhe so ruhig, dass sie sich aufdrängt. Heutige Endstation: Himmel. Lech Zürs Tourismus sei dank. Im familienfreundlichen Literaturhotel Sonnenburg umarmt die edel entschnörkelte Gemütlichkeit nostalgischen Hüttenzauber. Fernab der Hallenbadfritte meiner Kindheit, legt das familiengeführte Haus Wert auf regionalen Gaumenschmaus und heimelige Schmankerl. 

Hier machen Generationen Urlaub und die einmaligen Kinder von damals, sind heute Großeltern und Urgroßeltern, die sich nicht selten die 55 Jahre Lech Zürs Treuenadel ans Revers stecken. Einmal Puder. Immer Puder. So wedelt er, der Skiadel. 

Jeder Winkel des Hotels lädt zum Seelenbaumeln und Gehirn durchlüften ein. Leinengebundene Lyrikbände im Murmeltierspa, sich rund ums Thema Wasser bewegende Kinderbücher im Poolbereich, eine eigens zusammengestellte Lesebox in jeder Suite. Hier würde die menschgewordene Bibliothek am Wasserturm ihre Flitterwochen verbringen. Wir lesen und planschen und kuscheln und vergessen fast, dass wir uns ursprünglich eingezwiebelt hatten, um die 305km Pisten, auf denen jeden Winter durchschnittlich neun Meter Neuschnee glitzern, hinunterzuwedeln. Denkste. 

Kurven kann ich 

An diesem Morgen zwänge ich mich zum ersten Mal in meine vor sieben Jahren, und definitiv vor zwei Kindern, geschossene Montcler Skihose. Eine hautenge Keilleggings mit Steg. Wawawawoom. 70% saldi bei dreißig sonnigen Grad in Florenz. Quasi Optimalbedingungen fürs Wintershopping. Der Ehemann dachte damals ich tick nicht, dabei ahnte er nur noch nicht, dass ihm Jahre später, die Augen aus dem Kopf fallen, weil mein Po und ich uns in die perfekte Klamotte, quasi die Kostümierung des Adel- ähem Arlbergs werfen. Kurven kann ich. Schnips. 

Maximal beeindruckt, wenn auch luftanhaltend, weil Hose minimal eng, ächze ich in meinen Skischuhen meinen Kindern hinterher. „Wer Ski foat, der schleppts ach die Schia, des moachen bei uns scho die goanz Kloanen. Des shoaft ihr oach! Ich gloab dran!“ OTon heißer Skiverleihmann beim Strolz (das Phänomen erkläre ich euch gleich). Er begreift wohl nicht, dass wir soeben aus dem Prenzlauer Berg angereist sind. Dem Ort, an dem wir Mütter dem Kloan oft liebevoll den Dinkelkeks vorkauen und die Väter nicht seltener mit aus der Rutsche schießen. Aber siehe da: Drei Kinder in Skischuhen, sechs Skier, ebenso viele Stöcker und wer schleppt sie? Die Kloanen! Läuft.

Fährt dein Kind Ski

Schade nur, dass unser vierjähriges Skihäschen bereits nach wenigen Minuten Kinderskischule Oberlech entscheidet, dass ihr die Sache mit dem Transportband zu blöd und die Nummer mit den Pizza Pommes (Pflug versus Schuss) zu anstrengend ist. Als ihre große Schwester dann auch noch, nach den ersten geschmeidigen Abfahrten, auf den größeren Hang darf, ist die Lust am Lernen endgültig verpufft. Ich opfere mich auf sie in den Pool zu begleiten, nicht zuletzt, weil ich dann endlich meinen Knopf öffnen darf, aber vor allem, weil wir die Sauna um diese Zeit für uns haben. Wenig später versuche ich vergeblich, meinen Hosensaum mit dem Hotelnähset zu retten. Egal, jetzt wird relaxed.

Das Dorf in der Schneekugel 

Herrlich ist’s in Lech Zürs und das bleibt es auch. Nach drei Tagen im Himmel, ziehen wir um. Pittoresk gelegen, kuschelt sich die kleine Gemeinde Zug am Arlberg, in die verschneite Landschaft. Es ist das Dorf, dass in eine Schneekugel passt. Eine kleine Zwiebelturmkirche umgeben von kleinen Pensionen. Wenn du genau hinschaust, siehst du, wie unsere Kinder die Hänge hinunterrodeln. Genuss und Geborgenheit werden im Hotel Stäfeli großgeschrieben. Noch am selben Abend schlemmen wir uns im familiengeführten Weinrestaurant Achtele durch die Heurigen. Mama Gitti und Papa Heinz Birk, Tochter Steffi und ihr Liebster Thomas. Sie alle umsorgen uns, als gehören wir bereits zur Familie. 

Laufsteg Lech – die Wiege der Wintermode

Der Himmel hat sich zugezogen und trotzdem zieht es die bejahrten und frischgebackenen Schneehasen ein letztes Mal auf die Piste. Die jüngste Schnute und ich nutzen die Freizeit zum Strolzen. Hier in Lech bekommt das KaDeWe, die Galeries Laffayete, das Harrod’s vom Arlberg ein eigenes Verb und so strolzt man eben im Sport- und Modehaus Strolz. Sieben Etagen, geschwungen verzierte Eisengeländer, eine Bussi Bussi Bar und Alles was das Skihasen Herz begehrt. Ich treffe Olivia Strolz, Urkenkelin des Gründers und seit wenigen Jahren CEO des 100-jährigen Traditionshauses. Bis kurz vor Ihrem Tod, vor ein paar Wochen, steht Großmutter Herta Strolz noch am Eingang und begrüßt Ihre Kundschaft höchstpersönlich. Elegant, gut frisiert und selbst eine Ikone. Wir haben Herta verpasst, nur in der kleinen Zwiebelturmkappelle hängt noch die Einladung zu Ihrer Trauerfeier. 

Handwerk und Kleidergeschichten

Ihre Enkelin Olivia vereint die Liebe zum Handwerk, der Handgeschneiderten Keilhose, mit der Zukunft. Tradition schreibt sie groß und wir kichern darüber, dass sie in den Neunzigern die schillernd schrillen Eigenkreationen ihres Onkels auf den Pisten tragen „durfte“. Im Hubert Hus, dem Lechmuseum, führt uns die Museumschefin höchstpersönlich durch die Ausstellung Fesch! Mode für den Schnee. Wir kommen aus dem Grinsen kaum heraus. Der Wollwalk Onesie aus dem KaDeWe, weil man auch im fernen Berliner Zoopalast auf der Leinwand erlebt, dass das Skifahren am Arlberg nun zum Lebensgefühl der Prominenz gehört. Der Willy Bogner der 80er. Fresh Prince hätte für diesen Look georfeigt. Ich meinerseits, bestehe bei meinem nächsten Besuch auf die maßgeschneiderte Keilhose in vier Farben. Damals nahmen Schneider noch am Abend vor der ersten Abfahrt Maß damit Frau zum optimalen Passkomfort erwachten. 

Lech Zürs. Wir erleben, warum dieser Ort, der die Tradition lebt, für so viele Familien zur Tradition wird.  Lässt er doch den Puls gleichermaßen höher und langsamer schlagen. 

Zurück in der Berliner matschepatsche Tristesse, träumen wir von unserem nächsten Winterausflug in die Schneekugel. Um eins der begrenzten Gästebettchen zu erhaschen, schicken wir die Brieftaube noch im Frühling los. 

Lech-Zürs Tourismus schnürte uns das Familienskierlebnis unserer Träume. Vielen lieben Dank geht an die Sonnenburg, die Skischule Oberlech, das Stäfeli und das Lechmuseum. Es war besonders schön bei euch Familiengeschichten zu schreiben. 

Auch interessant

Quotenberlinerin: Frühlingsgefühle und Selbstliebe Jetzt lesen.
Streetstyle: Linnie schwebt in einer Vintage Wolke Jetzt lesen.
MomCrushMonday: Linnie von Sky Jetzt lesen.
Familienfreundliche Berghotels in Österreich und Südtirol Jetzt lesen.

Newsletter Abo

„Wir sind sooooooooooo up-to-date, Schätzchen.”

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von 69e388e9.sibforms.com zu laden.

Inhalt laden

Schließen