Hauptstadtmutti

‚Es gibt Menschen, die glauben, dass die AIDS-Krise nach den 80ern vorbei war‘

Es gibt Bücher, die fristen bei mir ein langes Shelf-life (Lagerungsbeständigkeit schlägt das Internet als Übersetzung vor!). Seit Beginn des ersten Lockdowns lag das Buch „Die Optimisten“ von Rebecca Makkai bei mir im To-Be-Read-Regal. Viel Platz nahm der Roman weg. Kein Wunder, 600 Seiten. Endlich mal wieder einen dicken Schinken lesen und endlich mal wieder ein Thema, über das ich fast nichts weiß: Die AIDS-Krise in den 1980ern in den USA.

Vielleicht, vielleicht ist das Thema ja doch ganz nah an dem dran, was wir gerade durchleben. Also nahm ich den schweren Schinken ehrwürdig in die Hand und begann zu lesen. Dauerte einen Moment, bis ich es gefühlt hab, aber dann war ich richtig drin. Endlich mal wieder eine Geschichte lesen, die ewig weitergehen könnte und so, so viele Menschen drin hat. Worum geht es?

Die Optimisten ist eine zutiefst bewegende Geschichte darüber, wie Liebe uns retten, aber ebenso vernichten kann, und wie uns traumatische Ereignisse ein Leben lang prägen, bis Heilung möglich wird.

Eisele Verlag

Es gibt zwei Handlungsstränge: 1985 in Chicago und 2015 in Paris. 1985 geht es um Yale und seine Freunde. 2015 geht es um Fiona und ihre Tochter Claire. Es geht auch um Kunst, Fotografie, den Tod und das Leben. Freundschaft, Liebe und Betrug, aber auch Mutterschaft, und was das eigentlich bedeutet. Doch vor allen Dingen geht es um ‚den Virus‘ und ‚die Krankheit‘. Das, was wir jetzt, rückblickend, als HIV und AIDS bezeichnen.

Klar, als Elternblogazineplattformautorin juckt mich natürlich alles, was im Buch mit Mutterperson Fiona und Tochterperson Claire 2015 passiert. Claire war ja auch minimal Goals in ihrer extremen Art, sich ihrer Mutter zu entbinden. Die eigenen Kinder einpacken und nach Paris ziehen, nur um eine Pause von der eigenen Mutter zu bekommen? Mmmmmhh. Dafür habe ich Claire fast bewundert, für ihr Chuzpe, sich selbst einfach abzuseilen. Aber gleichzeitig fieberte ich mit, wie Claire ihre entfremdete Tochter suchte.  

Doch die wahre, krasse, große Geschichte, die beginnt 1985 mit Yale und seinen Freund*innen, Liebhabern, Lebenspartnern und Kolleg*innen. Er hatte etwas an sich, die Art und Weise, wie er alles immer richtig machen will, sein schwindendes, wenn nicht sterbendes Vertrauen und die absolut unvorhersehbare und unaufhaltsame Natur dessen, was mit ihm passiert ist, was mit uns allen gerade passiert. Ich mag Yale sehr. Ich mag sie alle, diese Optimisten.

Deshalb will ich euch das Buch nicht nur empfehlen, sondern auch an den Gedanken von Rebekka Makkai teilhaben lassen, mit der ich sprechen durfte.

Rebecca, kennst du den deutschen Titel deines Buches The Great Believers?
Das tue ich! Und ich denke, es funktioniert wirklich gut. Es heißt auch Les Optimistes auf Französisch und es gab einige andere Sprachen, in denen es so übersetzt werden musste. Mir ist bewusst, dass alles mit dem Wort Glauben in anderen Sprachen viel mehr religiöse Konnotationen hat.

Ich habe auf deinem Instagram-Account rumgestalkt und genau vor einem Jahr hast du dort das deutsche Cover enthüllt und dazu geschrieben: „Kind of a deep cut, but I like it.“ Das brachte mich zum Lachen, weil ich während dieser 600 Seiten versucht habe, die Symbolik zu verstehen, aber dann aufgegeben habe. Was hältst du ein Jahr später vom deutschen Cover und was bedeutet das Original für dich?
Ich liebe das deutsche Cover! Das Lustige daran ist, dass es ein Modigliani ist, aber wahrscheinlich eine Fälschung. Im Buch wird ja erwähnt, dass die Bilder des Malers so oft gefälscht wurden, dass ein gefälschter Modigliani als Cover tatsächlich perfekt ist. Ich finde es auch wunderschön. Wer also nicht zu viel darüber weiß oder darüber nachdenkt, sieht nur ein wunderschönes Cover.

Wer würde einen Roman über AIDS mit einem düsteren Cover lesen wollen?

Auf Deutsch sagen wir dann, dass man ‚um die Ecke denken muss’…
Haha, das gefällt mir! So wahr. Für das ursprüngliche amerikanische Cover haben wir eine Reihe Möglichkeiten durchgesehen. Für mein amerikanisches Presseteam war es wichtig, dass das Buch nicht deprimierend aussieht. Sie wussten, dass niemand das Buch anfassen wird, sobald man hört, dass es ein Roman über AIDS ist und das Cover düster oder in irgendeiner Weise langweilig aussehen würde. Es ist auch nicht irreführend, weil es ja schon eine Tragödie sein könnte, aber letztendlich ist es kein deprimierendes Buch. Es gibt viel Hoffnung! Einige der Cover waren aber zu lustig und sahen aus wie ein Zirkus, was nicht angemessen war. Eins war so ähnlich, wie das, was wir ausgewählt hatten, aber mit Regenbogen. Das war wieder einfach zu offensichtlich. Das Design gefiel mir zwar, weil es mich an das Schalmotiv aus dem Buch erinnerte, aber es sollte monochrom sein. Orange war perfekt.

Er wollte fünf Sekunden darin baden, in jener Zukunft, die er hätte haben können, wenn alles anders gekommen wäre.

Die Optimisten, Rebecca Makkai

Du hast mal gesagt: „Warum schreiben wir nicht alle darüber? Dies ist eine Riesensache, die in unserem Leben passiert ist. “ Also: warum schreiben wir nicht alle darüber?
Ich betrachte das jetzt mal besonders im Zusammenhang mit Covid. Als die Pandemie in den USA im März begann, wollte ich zurückblicken und herausfinden, was für Literatur über die Spanische Grippe von 1918 existiert. Ich wollte wissen, welche Bücher aus diesem großen Moment heraus entstanden sind. Antwort: nicht so viele. Warum ist das so? Vielleicht, weil das eine so schnelle, verheerende Krankheit war und wer sie bekam, war quasi tot. Oder vielleicht, weil die Leute den Krieg verarbeiten mussten und stattdessen darüber schrieben? Ich konnte einfach nicht viel finden. Viele Schriftsteller fragen sich jetzt, ob wir am Ende über Covid schreiben werden. Ich denke, für die meisten von uns lautet die Antwort „Vielleicht irgendwann mal, aber es wird eine Weile dauern“. Wer will jetzt schon darüber nachdenken, über Covid zu schreiben?

Durch die AIDS-Krise entstand meiner Meinung nach eine beträchtliche Menge wirklich wichtiger Kunst. Ein Teil davon stammt aus den Anfängen der Epidemie, insbesondere im Bereich der bildenden Kunst. Später kam noch ein großer Teil hinzu, als wir anfingen, das alles zu verarbeiten. Für manche ist es auch zu persönlich, um darüber zu schreiben. Für andere nicht persönlich genug. Ich wollte unbedingt einen Mittelweg finden.
Ich bin während der Krise in Chicago aufgewachsen, war also ein kleines Kind und das Thema ist für mich nicht an persönliche Erinnerungen geknüpft. Vielleicht war es für mich deshalb zugänglicher?

Bis heute sind weltweit 45 Millionen Menschen an AIDS gestorben und Literatur zum Thema ist nach wie vor rar.

Wir haben zurecht sehr viel Literatur über den Holocaust. So sollte es sein, wir brauchen all die Bücher darüber, die jedes Jahr wieder von Schriftsteller*innen veröffentlich werden. Aber wo ist der entsprechende Stapel Literatur zu AIDS? Das Thema ist literarisch kaum vertreten. Und damit gebe ich dir diese Frage zurück: Warum schreiben wir nicht alle darüber?

Je weiter seine Krankheit voranschritt, desto mehr dachte er so über andere – über ihn ganz gewiss, aber auch sonst über jeden, ob noch hier oder schon tot: nicht als Summe sämtlicher Enttäuschungen, sondern als all die Anfänge, für die sie je gestanden hatten, jede einzelne Verheißung.

Die Optimisten, Rebecca Makkai

Trump oder Reagan?


Es gab Momente beim Lesen deines Buches, da musste ich innehalten, weil es so viele Parallelen zwischen Covid und AIDS gab. Wie hast du die Trump-Regierung im Umgang mit Covid wahrgenommen, und wie ist die Reagan-Administration mit der AIDS-Krise umgegangen? Und gibt es bei der AIDS-Krise und bei Covid im Moment jemanden, den wir beschuldigen können?
Ich denke schon, dass es jemanden gibt, der die Schuld trägt. Wir hatten eine sehr unzureichende Reaktion der Regierung und es war weitaus schlimmer, als es hätte sein können. Ich denke, dass eine Menge Schuld existiert.
Was die AIDS-Epidemie in den USA betrifft, so hat die Regierung wirklich nicht das getan, was sie hätte tun sollen. In meinem Buch wird Reagan und der von 1980 bis 1992 zuständigen Regierung ganz klar die Schuld gegeben. Diese Regierung stand der LGBTQ-Welt, Black America und der allgemeinen Gesundheitsversorgung sehr feindlich gegenüber. 

Viele Schriftsteller*innen gehen in ihren Werken auf die Suche nach dem absolut Bösen oder einem Schuldigen. 
Ich brauchte keinen Bösewicht in dem Roman. Oder einen Charakter, der der böse war. Weil die Krankheit und die Unfähigkeit der Regierung ausreichend waren. Ich habe Protagonist*innen, die was vermasseln. Daneben stehen aber auch wirklich fehlerhafte Charaktere. Aber dieser eine böse Mensch existiert nicht im Buch.

Im Buch gibt es beispielsweise Frank, der einem homosexuellen Mann nicht erlaubt, das Badezimmer seiner Tante zu benutzen. Frank hat panische Angst, dass sich AIDS über das Abtrocknen der Hände mit dem Handtuch verbreiten könnte. Diese panische Angst war so weit verbreitet, dass erst eines der bekanntesten Fotos von Lady Diana mit einem AIDS-Patienten einen Unterschied machte. Doch jetzt, mit Covid, wenn Abstand und Händewaschen einen Unterschied machen würde, leugnen so viele Menschen weltweit die ernsthafte Bedrohung. Warum ist das so und was können wir heute aus dem Umgang der Menschen mit der Epidemie in den 1980er Jahren lernen?
Ich denke, es hat etwas mit dem Verständnis in den 80ern zu tun. AIDS war zu diesem Zeitpunkt ein absolutes Todesurteil. Es gibt sicherlich Überlebende aus den frühen Tagen, aber es gab damals keinen Hinweis darauf, dass das überhaupt möglich wäre. Sobald es um Covid geht, haben die Menschen diese Art ‚magisches Denken‘: „Ich könnte mich anstecken, aber mir wird es gut gehen. Alles wird ok sein.“
AIDS wurde früh mit Sex und sexuellen Praktiken in Verbindung gebracht die stigmatisiert wurden. Mit intravenösem Drogenkonsum und mit Armut. Die Krankheit selbst fühlte sich moralisch alarmierend an.

Wir empfinden Dinge als gefährlicher, wenn wir sie moralisch beängstigend finden.

Wenn wir Dinge moralisch neutral wahrnehmen, haben wir weniger Angst. Wir haben mehr Angst vor einem Überfall als vor einem Autounfall, obwohl ein Unfall viel Wahrscheinlicher ist. Wenn es kein moralisches Element und keinen ‚Bösen‘ gibt, fürchten wir uns nicht auf die gleiche Art und Weise. Das Stigma um AIDS war zwar nicht hilfreich, aber das Bewusstsein und die Vorsichtsmaßnahmen schon.

Glaubst du, dass Social Media die Art und Weise beeinflusst, ob Covid als Bedrohung wahrgenommen wird oder nicht? Und welche Rolle hätten soziale Netzwerke wie Facebook während der AIDS-Krise gespielt?
Ich denke, es hätte in mancherlei Hinsicht geholfen. Heutzutage gibt es Menschen, die sich der Verantwortung bewusst sind und faktisch korrekte Informationen verbreiten. Aber es gibt auch Falschinformationen. Ich denke, beides wäre auch in den 80ern da gewesen, hätte es bereits Social Media gegeben. Das Bewusstsein für Aktivismus hätte schneller entstehen können.
Du hast Diana und ihre Krankenhausbesuche erwähnt. Es gab mehrere Fotos eines jungen Mannes auf dem Sterbebett, umgeben von seiner Familie, der an AIDS starb. Diese Fotos wurden zu Ikonen und repräsentierten in vielerlei Hinsicht das Verständnis der Menschen für die Krankheit.
Wenn es soziale Medien gegeben hätte, wäre die Verbreitung von Bildern, Informationen und persönlichen Geschichten viel schneller gewesen. Die Menschen hätten sich vielleicht wohler gefühlt, wenn sie über persönliche Erfahrungen oder über einen geliebten Menschen gesprochen hätten.
Gleichzeitig hätte es – wie heut auch – die Verbreitung absoluter Lügen, Schuld- und Verschwörungstheorien gegeben. Es hätte aber auch zu mehr Druck für die Regierung führen können, schneller und besser zu handeln.

„Vor ein paar Monaten hat jemand zu mir gesagt, wir hätten früher so viel Spaß gehabt. Und es stimmt, da war dieses kleine Fenster, eine kurze Zeitspanne, in der wir uns sicherer gefühlt haben, glücklicher waren. Ich dachte, es wäre der Anfang von etwas. Dabei war es in Wirklichkeit das Ende.“

Die Optimisten, Rebecca Makkai

Im Buch pflegt Fiona jahrelang den Großteil ihrer Freunde und begleitet sie beim Sterben. Dreißig Jahre später stellt sie sich die Frage, warum es ihr 2015 schwerer fällt, Empathie zu empfinden, als 1985. Warum ändert sich ihre Wahrnehmung gegenüber AIDS-Kranken?
Sie stellt ihre eigenen Ansichten in Frage. ‚Empfinde ich so, weil es keine Menschen sind, die ich kenne. Oder weil sie so weit weg sind, bin ich rassistisch, ist es der Lauf der Zeit? Warum bin ich nicht so emotional?‘
Ich denke, Fionas Gedanken werden von vielen Menschen geteilt. Menschen, denen die Krankheit theoretisch nicht egal ist oder sie zumindest davon gehört haben und sich der Wichtigkeit des Themas bewusst sind. Wir haben in den USA derzeit über 1 Million Menschen, die mit HIV leben. Das findet in den Nachrichten nicht statt. Einige von ihnen sind Langzeitüberlebende, aber viele von ihnen sind Neuinfektionen. 40.000 Neuinfektionen pro Jahr! Viele dieser Menschen haben keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung oder zu unterstützenden Netzwerken, die ihnen helfen könnten, gesund zu bleiben. Das Medikament existiert zwar, aber nicht jede*r hat Zugang dazu.
Es wird allgemein nicht darüber gesprochen und ich denke aus sehr ähnlichen Gründen wie vorhin erwähnt. Psychologisch gesehen haben wir einen Impuls beim Betrachten von Problemen anderer Menschen; wir filtern.

Wir ignorieren die Probleme anderer Menschen und wahrscheinlich tun wir das, weil es unser eigenes Überleben sichert. Wir können nicht den ganzen Tag herumsitzen und an jeden auf der Welt denken, der in Gefahr ist. Auf der anderen Seite müssen wir lernen, darüber hinwegzukommen und dies in den Medien behandeln und Ressourcen zuweisen.

Und glaub mir. In letzter Zeit fehlte vielen, wenn nicht den meisten, das Bewusstsein dafür, dass das ein anhaltendes Problem ist. Das Buch kam vor 2,5 Jahren in den USA heraus. Ich bin also schon ziemlich lange auf Tour und mache Events. Nach Lesungen kommen Gäste auf mich zu und sagen dann: ‚Ich hatte ja keine Ahnung, dass das passiert ist. Ich wusste zwar davon, aber ich wusste es nicht wirklich‘.
Und das war zu erwarten, nicht wahr? Krasser fand ich die Menschen, die buchstäblich keine Ahnung hatten, dass AIDS noch existiert. Ich treffe Pseudo-wichtige Menschen bei Events und die fragen mich dann: ‚Also, worum geht es in Ihrem Buch?‘ Und ich würde sagen, es geht um die AIDS-Krise in den 1980er Jahren. Und immer mal wieder höre ich als Antwort: ‚Ist es nicht wunderbar, dass wir das alles gelöst haben?‘

NEIN!
DOCH!
Ich zucke dann zusammen und sage: „Wie sehr darf ich Ihnen diese Party versauen?“ Es existiert eine völlige Unwissenheit und Ablehnung darüber, dass es ein fortwährendes Problem ist. Aus den gleichen Gründen wie damals. Früher dachten die Leute, das Problem sind ‚diese Leute dort drüben. Die sind schwul, das wird mich nicht betreffen.‘
Von den aktuellen HIV-Neuinfektionen in den USA sind größtenteils junge, POC Bevölkerungsgruppen, Trans-Communities und/oder in Armut lebende Menschen in südlichen Städten wie DC oder Atlanta betroffen. Manchmal kombiniert mit anderen Faktoren, die jemanden gefährden oder an den Rand drängen können.
Deshalb glaube ich, dass die Leute es normalerweise ganz unbewusst wahrnehmen, weil ‚es Teil der ganzen Armutsproblematik ist und es mich nicht betrifft, also darf es nicht in meinem Kopf sein‘.
Aber es muss rein in unsere Köpfe! Und in die Medien und in unser Gesundheitsbudget. Und das ist es einfach nicht. Es ist in vielerlei Hinsicht ein Problem der öffentlichen Bildung.

„Es wird dir guttun“, sagte Asher. „Alle in meinem Umfeld, die nicht politisch sind, haben nur ihre Wut noch nicht angezapft. Sobald man das macht, spürt man, wie richtig es ist. Weißt du, Protestaktionen – Protestaktionen sind das drittbeste Gefühl der Welt.“
„Was ist das zweitbeste?“
„Eine nasse Badehose ausziehen.“
„Ha.“

Die Optimisten, Rebecca Makkai

Mutterschaft während einer Pandemie

Du hast zwei Kinder und lebst auf dem Campus eines Internats. Wie ist deine tägliche Routine? Wie sieht dein Leben als Schriftstellerin aus?
Wir leben tatsächlich auf einem Internatscampus und er ist komplett leer, was eigentlich toll ist! Ich habe gerade ein riesiges Fitnessstudio für mich alleine. Und eventuell habe ich auch minimale Schuldgefühle, weil ich gerade in einer sehr prädestinierten Position bin.
Aber weißt du was, es ist gut so, das Leben ist gut. Wir haben ein sehr überschaubares Leben und das vor allem aufgrund unseres Wohnorts. Hier können unsere Kinder schon in jungen Jahren unbeaufsichtigt draußen herumlaufen. Was ja in Amerika nicht selbstverständlich ist, weil ‚besorgte Nachbarn‘ auch mal gerne die Polizei rufen, wenn sie Kinder alleine draußen spielen sehen. Hier gibt’s keinen Verkehr und wir kennen alle. Dass die Kinder sich also selbst draußen beschäftigen können, gibt mir viel mehr Zeit zum Arbeiten und Schreiben.
Ich versuche gar nicht, alles alleine zu machen. Meine Kinder sind unglaublich unabhängig und kreativ. Ich habe zwei Mädchen, die zehn und dreizehn Jahre alt sind. Ich denke, dass es ist sehr wichtig ist, dass sie sehen, dass ich eine sehr kreative Karriere habe und mich in meinem Beruf voll ausleben kann.
Normalerweise reise ich ziemlich viel für Lesungen, Festivals und Vorträge. Natürlich endete das alles im März 2020 und weißt du was? Es war schön, zu Hause zu sein! Ich habe immer einen ziemlich vollen Arbeitstag. Das Schreiben, die endlosen E-Mails, Interviews – was ich alles gerne mache. Unter normalen Umständen würde ich in der Bibliothek oder in einem Café schreiben, aber jetzt bin ich viel in meinem Büro. Ich habe 2020 angefangen Menschen anzubieten, ihre Housesitterin zu sein! Es wurde dankend angenommen und jetzt habe ich immer einen Ort, wo ich hin kann und stundenlang nicht unterbrochen werde. Ein Traum!

Gibt es Kinderbücher, die du empfehlen kannst? 
Ich habe 12 Jahre lang Grundschule unterrichtet. Wenn du mich also nicht aufhältst, liste ich einfach weiter Bücher auf!

Gerne!
Also:
The Westing Game von Ellen Raskin. Ein Kriminalroman, aber sehr witzig! Und es soll wohl auch bald für Netflix verfilmt werden (einen Film von 1997 gibt es bereits).
The Egypt Game von Zilpha Keatley Snyder. Kinder spielen auf einem verlassenen Grundstück und tun so, als wären sie in Ägypten, bis ganz, ganz seltsame Dinge passieren. Es ist einfach wundervoll.
Oh und absolut alles von Lois Lowry! Meine Kinder lieben sie und ich auch, als ich in ihrem Alter war.

Hast du ermutigende Worte oder Ratschläge für neue Eltern? 
Eine einzige Sache. Ich habe sie zuerst nicht verstanden, aber es hilft wirklich, wenn man es verinnerlicht. Die Zeit mit dem Baby ist kurz. Klar, du kriegst das Baby und dann ist es alles das Baby. Und du hast das Gefühl, dass der Rest deines Lebens dieses Baby sein wird, aber sie sind nur etwa neun Monate lang ein Baby. Es ist wirklich ziemlich kurz. Man denkt, es hört nie auf, aber es hört auf.
Als ich mein erstes Kind hatte, hatte ich wirklich das Gefühl, ich würde nie wieder die Zeit finden, zu schreiben. Ich habe ja auch noch Vollzeit unterrichtet! Ich hatte das Gefühl, dass das jetzt für immer so sein würde. Wenn ich dem Ich von damals erklären könnte, dass sie das neun Monate lang durchstehen kann. Dass man das schafft. Du kriegst das hin! Es wird anders. 
Als die Kinder klein waren, waren mein Mann und ich sehr, sehr große Fans von perfekt gesicherten Kinderzimmern. Wir hatten Kindersicherungen im gesamten Zimmer des Kindes! Die Kinder konnten von Anfang an auch mal Zeit für sich haben, wann immer sie wollten, sie konnten sich an ihre Zimmer gewöhnen und wirklich unabhängig werden. Mein Tipp ist also folgender: grundlegende Vernachlässigung von Kindern, damit man seine Ruhe hat. (Bitte sag deinen Leser*innen, dass das ein Scherz war.)

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