
Ein süßes, typisches Berliner Café. Kein Möbelstück gleicht dem anderen, ein paar alte Schulstühle. Club Mate bzw. Bierflaschen dienen als Vasen.
Im Hintergrund: eine verschlafene, sorgenvoll dreinblickende junge Frau, die immer wieder ihr Handy checkt, um bei einem eventuellen Notruf der Tagesmutter sofort aufzuspringen und zu ihrem armen Kind zu sprinten, das sich in der Eingewöhnungsphase befindet. Lustlos tippt sie auf ihrem Laptop rum.
Im Vordergrund. Vati 1, ein durchschnittlich attraktiver Mann um die 40, dezent stylisch, sympathisch, liest Zeitung, guckt auf die Uhr. Trinkt Kaffee und kaltgepressten Rote Beete Saft, bio. Es tritt ein, leicht gehetzt, Vati 2. Ein sehr attraktiver und großgewachsener Mann, auch um die 40, aber wesentlich jünger und frischer aussehend. Sie begrüßen sich, wie Männer das so tun, mit vielen Floskeln, ohne Sätze zu vervollständigen.
Vati 2: (noch im Stehen, noch angezogen, mit dem charmantesten norddeutschen Dialekt): Einen doppelten Espresso Macchiato, bitte. Und hier so einen Croissant und so einen Saft. Saft ist immer gut. Was Grünes, dann ist die Frau stolz.
Vati 1: Hast du alles dabei? Die Unterlagen? Ich hab mir bis 12 alles frei gehalten für dich, dann können wir das alles klären.
Die junge Mutter im Hintergrund rollt mit den Augen und wünscht sich, dass die beiden lauten Männer ihren Kaffee to go nehmen würden und draußen ihren Kram besprechen würden. Es folgt ein mega langweiliges Gespräch über die offensichtliche Reparatur des Daches des Oldtimers von Vati 2. Vati 1 scheint Experte zu sein und seine eigene Werkstatt zu haben. Doch dann.
Vati 1: Sag mal, meintest du nicht eigentlich viertel nach neun? Was passiert? Ich dachte die Kita ist hier in der Straße?
Vati 2: Jaaaaaaa das schon. Wir sind irgendwie immer noch in der Eingewöhnung. Er ist absolut nicht davon überzeugt, in die Kita zu gehen. Der würde echt lieber zu Hause bleiben. Und dann wehrt er sich jedes Mal. Schreit, tritt, dreht durch.
Vati 1: Ach scheiße.
Vati 2: Ja, was willste machen, ne. Muss er durch. Naja, sonst macht das meine Schwiegermutter, aber freitags bin ich zu Hause, da bring ich ihn weg.
Vati 1: Klar, du musst ja auch zum Arbeiten kommen zu Hause.
Vati 2: Auf jeden Fall, und die Kita ist ja eigentlich ein Kinderladen, wir können ja von Glück reden, dass wir den Platz gefunden haben, aber ohne Spaß, ne, was wir da alles machen müssen.
Vati 1: Kenn ich! Jeden Tag Obst und Gemüse Snack mitbringen, und dann wirst du wieder scheiße angeguckt, wenn du wieder nur eine Banane gepackt hast. Wir dürfen ihn nur zu einer bestimmten Zeit abgeben und müssen ihn jeden Tag um genau die gleiche Zeit abholen!
Vati 2: Yo! Und Frühstück machen, für alle! Zwei Wochen lang einmal im Jahr.
Vati 1: Und streichen, reparieren, fehlt nur noch, dass wir da putzen.
Vati 2: Und zahlen immer noch mehr als in einer normalen Kita, die sind doch nicht ganz dicht. Das ist doch immer noch eine Dienstleistung die uns entgegengebracht wird. Jedenfalls hab ich mir das mal so gedacht. Jetzt muss ich auf Elternabende für einen noch nicht ganz Zweijährigen!
Vati 1: Aber was die für geile Sachen machen. Und die gehen immer raus, die sind einfach immer draußen, singen hundertmal am Tag und basteln die ganze Zeit. Und trotzdem will der Kleine lieber zu Hause bei seiner Oma sein. Meine Schwiegermutter schafft das an sich auch mit zwei Kindern. Aber das ist doch nicht der Sinn der Sache.
Vati 2: Wie und deine Schwiegermutter wohnt jetzt bei euch? Das stell ich mir aber auch nicht unkompliziert vor.
Vati 1: Du, das geht, ne. Zwei Tage die Woche bin ich in Köln, und in der restlichen Zeit muss man einfach seine Grenzen gegenseitig abstecken. Sie kommt Montagmorgens, ganz früh, und fährt Donnerstagabends. Für uns ist das super, die hilft bei allem, und freut sich, dass sie was zu tun hat, und die Kinder sieht. Unter der Woche ist mein Schwiegervater ja auch noch viel unterwegs, da würde sie echt auch viel rumsitzen, so auf dem Land. Ich hab keine Ahnung, was wir ohne sie machen würden. Mit dem wechselndem Schichtplan im Krankenhaus von meiner Frau musst du ja sonst jeden Woche komplett neu organisieren. Musst du eh, aber du weißt ja wie es mit Ärztinnen ist.
Vati 2: Ja, ja. Auf jeden Fall. Dann seid ihr ja so ein richtiger drei Generationen Haushalt, witzig. Und Luxus. Ey, wir haben ja nur den Kleinen, und das geht ganz gut, wir gucken einfach immer, wer ihn wegbringen und abholen kann, aber meistens bin ja ich das.
Vati 1: Meine Frau würde sich ja jetzt gerne arbeitslos melden. Für ein Jahr, dann kriegt sie immer noch einen echt großen Anteil ihres Gehalts und wäre zu Hause, will sie, meint sie. Das hat ihr nicht getaugt, so schnell wieder arbeiten zu gehen, und der Vertrag läuft ja schon wieder aus.
Vati 2: Wieso hat die einen befristeten Vertrag? Als Ärztin? Ist das jetzt üblich? Dürfen die das überhaupt auf Dauer?
Die Hauptstadtvatis unterhalten sich angeregt über ihre Frauen. Sie bewundern sie für ihre Durchhaltekraft, loben sie, finden nur anerkennende Worte. Die junge Mutter im Hintergrund fragt sich, ob ihr Mann mit anderen Männern auch manchmal so über Vereinbarkeit spricht, und ob er sie auch bewundert, für alles, was sie so tagtäglich durchmacht mit dem Kind. Sie schreibt ihm, dass sie ihn vermisst.
Vati 1: Bei uns ist das jetzt fest mit den USA. August ziehen wir nach New York.
Vati 2: Ach krass. Ja geil! Glückwunsch! Verdient man bestimmt mehr, ne?
Vati 1: Viel mehr! Also alleine sie verdient das Doppelte, und ist immer noch bei einem öffentlichen Träger angestellt und ich kann genauso weitermachen. Für uns ist das super, wir waren aber auch fertig mit Berlin. Ich könnte mich jetzt aber auch nicht wieder anstellen lassen und einen Chef haben… das wäre keine Option.
Vati 2: Langfristig wollen wir ja schon auch zurück in die Heimat. Meine Eltern sind da, ihre Eltern sind da. Wir sind beide Familienmenschen. Ich könnte zwei Tage die Woche nach Berlin pendeln, wir hätten mehr Unterstützung. Der Kleine wäre nicht das Problem, aber unser Teenager ist echt schon auf Berlin fixiert. Das fängt jetzt langsam an.
Vati 1: Ja, klar, ihr kennt das da beide, aber sie kennt nur Berlin, wie willste einem Teenager das schmackhaft machen?
Vati 2: Keine Ahnung. Naja ich sehe das jetzt mit den beiden, wenn die mit ihrem Babysitter unterwegs sind, dann ist das auch mal Theater oder Museum, das ist schon cool für die. Auf dem Land, mmh, da ist das Angebot überschaulich. Puh, aber hier in Berlin bin ich einer von hunderttausend, als Architekt, und wenn ich endlich wegziehe, dann habe ich endlich mal eine Chance, etwas spannendes, eigenes zu machen. Die gehen gerade alle in den Ruhestand, die Großen.
Vati 1: Das Leben ist schon hier in Berlin, aber wie viel kannst du davon nutzen mit Kind? Klar, du hast immer das Gefühl, dass du könntest, wenn du wollen würdest. Aber am Ende, was nimmst du davon wahr?
Vati 2: Wenn man das quasi als Zugabe kriegen würde, wär das geil, aber muss jeder für sich entscheiden. Wenn man das gemütliche Landleben mit Familie, und Schwiegereltern haben könnte und das geile Großstadtleben dazu, das wäre perfekt.
Vati 1: Na ja, aber was ist denn dieses geile Berlin Leben am Ende? Alles was du von Berlin aus machen musst, ist halt immer eine kleine Weltreise. (Beide lachen.) Und Garten in Berlin, such den mal, musste gleich nach draußen ziehen, und dann bist du einfach nicht mehr in Berlin.
Vati 2: Wir haben auch mal überlegt, uns eine Laube zu holen, machen ja jetzt alle.
Vati 1: Wir sind ja relativ weit draußen, mit See, und allem, aber solange du noch eine U-Bahn Station hast geht’s, find ich.
Vati 2: Aber wenn die Kompromisse zu groß werden, was bringt es dann? Hat doch nur Sinn gemacht, wenn man Single war, und bis zum nächsten Club gedacht hat. Aber klar, ne, wenn man sich hier eingemuckelt hat, und das alles toll findet, und sich verbiegt und bricht, dann bitteschön, dann kann man auch in Berlin, mit Kindern, ohne Familie, ein tolles Leben haben. Fuck.
Beide schweigen.
Vati 1: Was mich aber am meisten wundert, ist dass deiner so krass verkalkte Tauchbecken hat. Bei einem älteren Modell würd ich das noch verstehen, die verkalken schneller, gerade an so typischen Stellen wie Kanten. Du musst den wirklich unterstellen, wenn du noch keinen Stellplatz hast. Du zerstörst dein Auto!
Vati 2: Ich hab einen Stellplatz für 85 Euro gefunden, bei uns in der Nähe, ist aber Doppel-Parker.
Vati 1: Nä, mehr als 70 Euro würde ich nicht ausgeben, und dann unbedingt alleine.
Vati 2: Versuch mal in Berlin Mitte einen Stellplatz, alleine, für 70 Euro zu finden.
Vati 1: Dann doch rausziehen. Wenn nicht für die Kinder, dann fürs Auto!
Inspiriert von einem tatsächlich stattgefundenen Gespräch in einem Berliner Café.