„So sieht eine Queen aus, oder?“ sagt er, als er mir die Fotos zeigt. Ja, denke ich mir, so sieht eine Queen aus. Deshalb ließ sich Nejra Dedić-Demirović in der Dortmunder Nordstadt fotografieren, unter anderem vor einer Häuserwand mit dem Motiv von zwei Mädchen, die bei der Nordstadtliga Queens Fußball spielen.
Die politische Bildnerin, Pädagogin und Lehrbeauftragte an der Uni.
Was macht dich gerade glücklich?
Das Lachen von (unseren) Kindern und die kleinen Momente im Alltag, in denen ein liebevolles, gemeinschaftliches Miteinander gelebt wird, berühren mich tief. Solche Erlebnisse tragen mich lange Zeit, und ich erzähle sie gerne weiter – in der Hoffnung, auch in kalten Zeiten andere Herzen damit zu erwärmen.
Was macht dich gerade wütend?
Wenn ich sehe, dass Menschen nicht solidarisch miteinander umgehen und soziale Ungleichheit.
Wo bist du gerne?
Am liebsten da, wo ich einfach ich sein kann. Das können unterschiedliche Räume sein. Daheim, unter Freund:innen oder in anderen Safe Spaces. Es gibt aber nichts schöneres, als frisch geduscht in einem frischbezogenem Bett zu liegen, während es draußen kalt ist und ein gutes Buch zu lesen oder eine Serie zu bingen. Ach ja, und keine Termine am nächsten Tag. Klingt gut oder?
Wo bist du gerne in deiner Stadt?
Ich bin überall unterwegs. Aber der Norden des Ruhrgebiets ist und bleibt für mich Heimspiel. Im Norden fragen sie mich eher selten, woher ich denn komme. Hier gehöre ich einfach dazu, wie eine von ihnen.
Hast du Tipps für Eltern in deiner Stadt?
Die Nordstadtliga Dortmund kann ich wärmstens empfehlen für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern. Die Nordstadtliga ist eine seit 2001 bestehende und über das ganze Jahr laufende Straßenfußballliga für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Dortmunder Norden. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, jungen Menschen verschiedener Backgrounds eine sinnvolle und gesunde Freizeitbeschäftigung zu ermöglichen. Durch Sport, insbesondere den Fußball, kommen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen in Kontakt und erfahren Anerkennung und soziale Akzeptanz.
Meinen Style würde ich beschrieben als…
Mal so. Mal so. Es muss einfach zu mir passen und ich muss es mögen. Zugegeben, ich habe viel übrig für „Vergangenes“.
Mode ist mir wichtig, weil…
Durch sie kann ich verschiedene Rollen ausdrücken, ohne dass etwas zwingend sein muss – ich kann alles, aber nichts muss. Sie hilft mir dabei, Respekt und Wertschätzung zu zeigen, sei es in der Lehre an der Universität oder in der politischen Bildungsarbeit im Strafvollzug. Ich wechsele zwischen verschiedenen ‚Trikots‘, da es sich um ähnliche, aber dennoch unterschiedliche Spielfelder handelt.
Wenn ich im Strafvollzug arbeite, achte ich besonders darauf, dass ich die Teilnehmer des Seminars nämlich Strafgefangene nicht durch Äußerlichkeiten ablenken. Das ist insofern eine Wertschätzung, in dem ich die Situation dieser Männer reflektiere und damit sensibilisiert umgehe. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich eher weite Kleidung trage und gedeckte Farben. Ich betone keine Körperteile oder trage sehr starkes Make-up. Außerdem achte ich darauf, dass ich nicht mit viel Schmuck oder großen Mark Nennungen auffalle.
Worauf würdest du zehn Jahre sparen?
Das Schultoiletten vernünftig saniert werden. Ich finde, man kann die Wertschätzung einer Gesellschaft Kindern gegenüber gut an dem Zustand der Schultoiletten messen.
Welches Kleidungsstück deiner Eltern hat dich geprägt?
Definitiv die Aufteilung von Kleidung in „Für draußen/Arbeit/Schule“ und „für drinnen/Zuhause“. Die richtig schicken und guten Teile werden nicht einfach so daheim getragen. Diese werden aufbewahrt für draußen und besondere Anlässe. Das führt zu einer gewissen Wertschätzung und Pflege bestimmten Kleidungstücken gegenüber.
Welches Kleidungsstück aus deiner Kindheit hättest du gerne noch?
Ich hätte gerne noch die goldenen Ohrringe, die mir mein Großvater väterlicherseits in Istanbul gekauft hat.
Welches Kleidungsstück aus deiner Jugend hast du noch?
Eine Kette mit Bob Marley-Anhänger. Ein Überbleibsel aus meiner Teenager-Reggaephase. Diese Kette hat mir eine bestimmte Coolness verliehen (davon war ich zumindest sehr überzeugt 😉 ).
Welches Kleidungsstück hast du wahrscheinlich am Längsten?
Ich glaube, dass es der Schmuck ist, den ich als Kind von Verwandten geschenkt bekommen habe. Natürlich ist der Schmuck aus Gold. Hier lässt sich zum Beispiel auch sehen, welche Wertschätzung Kindern entgegengebracht wurde bzw. wird.
Worin willst du begraben werden?
In weißen Laken. Ich bin ohne Besitz auf diese Welt gekommen und ich möchte ohne Besitz begraben werden.
Was geht jeden Tag?
Schmuck geht jeden Tag und schnell. Und er erzählt häufig Geschichten und verbindet uns mit den Menschen in diesen Geschichten.
Liebe Nejra, was hast du an?
Der Schmuck, den ich trage, ist der Familienschmuck meiner Eltern. Als meine Eltern 1992 im Zuge des Bosnienkrieges aus Bosnien und Herzegowina vertrieben wurden, konnten sie nur ein grünes Samtsäckchen mit dem Familienschmuck retten, während alles andere verbrannte. Die goldenen Ringe sind Hochzeitsgeschenke von den Geschwistern meines Vaters an meine Mutter – jeder Bruder und jede Schwester schenkte ihr einen Ring, ebenso wie enge Verwandte und Freunde. Der Ohrring ist ein altes Erbstück von meiner Großmutter mütterlicherseits. Der goldene Ring mit dem schwarzen Stein gehörte dem bereits genannten Großvater väterlicherseits. Er wurde in einem Konzentrationslager in der bosnischen Stadt Bosanski Novi gefangen gehalten, fiel dort ins Koma und verstarb an den Folgen. Der Schmuck ist das, was noch irgendwie geblieben ist. Er erinnert an die Geschichten von Menschen, die ein friedliches Leben führten, bis der Krieg ausbrach und plötzlich Begriffe wie Flucht, Vertreibung, Genozid und Asyl schmerzlich zum Alltag gehörten – Begriffe, die bis heute präsent sind.
Aber keine Sorge, ich lasse euch nicht in Schwermut zurück. Seht ihr diese pinken Stiefel? Bis zum Fotoshooting habe ich sie exakt zwei Mal getragen: das erste Mal, als ich meine Masterarbeit abgegeben habe, und das zweite Mal, als ich bei der Absolvent:innenfeier meine Masterurkunde entgegengenommen habe. Weder das Bildungssystem noch meine Grundschullehrerin hätten je geglaubt, dass ich das Abitur, geschweige denn einen Masterabschluss absolvieren würde.
Ich habe das Outfit gewählt, weil ich gerne solche Zweiteiler trage. Außerdem kommen dadurch die pinken Stiefel schön zur Geltung. Denn sie sind der Hauptgast des Outfits. Sie tragen mich in der Gegenwart und in die Zukunft.
Danke, liebe Nejra!
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