So vertraut wie der Geschmack von Natty Light, wie 4 Papierbögen mit MapQuest Directions und das Geräusch von von laut schlurfenden Plastikflipflops, mit kleinen Schweißfürzen, die unter der Fußsohle rauskommen. So fühlt es sich an, Laguna Beach zu gucken. 2004 war die Erstausstrahlung, außerdem das Jahr meiner und LC’s Graduation.
Ihr merkt spätestens jetzt, es wird einiges an US-amerikanischem Kulturwissen vorausgesetzt. Doch lasst mich erklären. Ich war also only seventeen als ich in meiner Cap & Gown mein High School Diploma entgegennahm und in meiner heftigen Vermessung Richtung Virginia nahm ich alles an MTV auf, was irgendwie ging. Laguna Beach war THE MOMENT. Natürlich hatte ich The OC gesuchtet und auch wenn der Wikipedia-Otto ernsthaft glaubt, die Reality Serie hätte irgendwas mit Beverly Hills, 90210 zu tun, ugh, next, so unwahr.
Nicht Guilty Pleasure, es ist Comfort Gucken
Nun, LC war it. Stephen, oder sollte ich sagen, Ste-vuhn, war die Person mit der sie zusammensein sollte, das Good Girl. Und Kristin? Bad, bad, bad news und girl. Ich habe mich also 2023 hingesetzt und zunächst einmal geschaut. Gepuzzelt und geschaut, natürlich, denn wirklich nur Laguna Beach gucken fand ich dann schwer. Ich bin Wieerholungsguckerin, bei mir war es lange Gilmore Girls oder Sex and the City, aus bekannten Gründen finde ich beide Serien inzwischen schwierig, New Girl ging noch eine Zeitlang (Team Schmidt, Judaism, Son.) So dass ich bei The Office für Comfort Gucken hängen bleibe, es ist leider Gottes immer noch die beste Serie out there. HIMYM beispielsweise ertrage ich nicht mal mehr zehn Minuten lang. Nichts in dieser Serie ist auch nur noch annähernd komisch, nichts darin aged well, nichts.
Das Rauschen des Meeres, die langgezogenen Vokale, das leicht nasale, der heftige Vocal Fry, die South Cal Girls bringen es ab der ersten Minute. Die Folgen selbst sind beeindruckend kurz, es passiert natürlich recht wenig, schließlich ist es immer noch Reality TV, der erste Schock ist die Vertrautheit der Dialoge, Szenerie, Inhalte. Ich weiß ganz genau worum es geht, kann teilweise mitsprechen. Ihr könntet mich vielleicht noch nach dem Wiener Kongress fragen, aber spätestens bei Mannschaftsaufstellung von 2004 wäre es dann vorbei. Doch Talan, Lo, Steven, Kristin, Dieter, Alex und natürlich Lauren sind Namen, die sich so vertraut anfühlen, als hätte ich mit ihnen Abi gemacht. Sie müssen so tief vergraben sein, nur America’s Next Top Model könnte da mithalten, die ersten 6 Staffeln zumindest. Dabei erinnere ich mich wirklich an kein wiederholtes Anschauen der Serie. Sicherlich hat MTV auch viel wiederholt, aber nah. Und habe ich Laguna Beach ein einziges Mal runtergeladen? The Hills vielleicht, aber nicht Laguna.
Es war klassische Tune-In-Culture, alle guckten. Man machte die Sendung an, man wollte sie nicht verpassen und natürlich blieb mehr hängen, weil es weniger Auswahl gab? Die Mitwirkenden hatten keine Social Media Accounts, wir wussten nicht wirklich was sie dachten und Watch What Happens Live gab es auch noch nicht. Wir hatten nur diese 20 Minuten, die uns MTV gab.
Von The Hills habe ich gelernt, dass man sich nie für den Boyfriend, sondern immer für das Praktikum in Paris entscheidet. Von Laguna Beach habe ich….keine Ahnung was gelernt, denn das vermeintliche Liebesdreieck war messy. Doch kaum ist nach 1-2 Folgen der Schock der Vertrautheit verschwunden, trifft mich was ganz anderes. Das Gucken selbst fühlt sich nicht datiert an. Sie hängen am Handy, sie sagen mal was Seltsames, sie machen Fotos mit ihrer Digi Cam, und die, Oh Gott, die Kleidung. Wie sollen wir Millennials denn jemals erwachsen werden verdammt, wenn Gen Z buchstäblich so rumläuft wie wir damals.
Es waren nie die 90er, es war immer Y2K
Die cropped wide leg yoga pants? Oh das waren Gaucho Pants für uns. Die doppelten Unterhemden, layered über- und untereinander, mit einer Spitzenbordüre? Das Poloshirt in türkis oder pink? DIE BLOCKSTRÄHNEN. Natürlich, die Low Low Low Rise Jeans, super eng, die Schlaghose, der Seitenscheitel, die frosted Tips der Kerle, Hanfketten, Möchtegern Surferlooks, aber wie sah denn ein Surfer aus?
Naja, anscheinend so wie Ste-vuhn, denn wie sonst sollte man erklären, dass die jungen Damen, LC und Kristn im Speziellen, sich förmlich verloren an den Ecken ihres Love Triangels mit dem Teenie Player. Die ganze Welt war gefühlt Team Lauren und niemand konnte verstehen, warum Stephen überhaupt auch nur ein bisschen Interesse an Kristin haben könnte, denn, und so war der Konsens: Kristin war die Schlampe.
Böses Mädchen, Gutes Mädchen
So nannte er sie dann auch auf dem legendären Cabo Trip. Beschimpfte sie vor Eifersucht und die Serie jetzt zu gucken ruft vor allen Dingen ein Gefühl hervor…wie geil war eigentlich Kristin? Kristin war diejenige, die ihr Ding macht und ganz klar Grenzen setzte. Wir sollten mal alle bedenken, dass diese jungen Leute buchstäblich Teenager waren! Ich hatte sicherlich nicht die emotionale Größe zu sagen, hey, mach du dein College Ding, ich mach mein High School Ding, wenn du hier bist, können wir uns sehen, wenn du nicht hier bist, sind wir nicht zusammen. Damals natürlich ein Skandal. Wie konnte Kristin nur den hotten Stephen ablehnen, alles was ihn ausmachte, war ja, dass er sie wollte, und sie sagte einfach nein?
Wünschte, ich könnte sagen, how times have changed, aber nee, noch immer leiden wir unter dem Nice-Guy-Trope der 2000er Rom-Coms, so nervig. Was inzwischen auch zu Amokläufen wie dem in Isla Vista geführt hat, das Motiv wird als ‚Misogynist terrorism, revenge for perceived sexual and Ostrazismus, incel ideology‘ beschrieben. Nun, ich nenne ihn den Nice-Guy-Terror. Nur weil Männer nett sind, schulden Frauen ihnen gar nichts. Also, danke Kristin, dass du damals schon klargemacht hast, dass auch eine 17-jährige ganz klar entscheidet, mit wem sie wann was macht.
Hach ja, Lauren auf der anderen Seite war zwar das gefeierte Good Girl, aber wirklich glücklich wurde sie damit auch nicht. Und da es hier um Laguna Beach und nicht The Hills geht, wollen wir gar nicht darauf eingehen, dass sie das Girl ist, dass nicht Paris gegangen ist. Zudem es ihr sicherlich sehr wumpe ist, da sie mit Abstand die erfolgreichste des gesamten Casts ist.
Das Slut Shaming bei Laguna Beach war extrem, genauso die vorwiegende Diet Culture. Die brünetten Mädchen die nicht durchgehend bauchfrei rumliefen, erinnerten leider an Cinderellas Stiefschwestern, zu viel mehr als Komparsinnen taugten sie leider nicht. Ihre Rolle war nicht einmal existent, also hatten sie auch keine echte Story Line. Im Nachhinein können wir wie bei Kate Winslet und Jennifer Lopez davon ausgehen, dass sie einfach Größe 38 in einem Raum voller Size 0s hatten.
Ich bin fast schon entsetzt, wie unfassbar betrunken, die nun ja, Minderjährigen, in vielen Folgen sind. Zu dem Zeitpunkt habe ich nicht mitbekommen, dass die Stadt und viele Eltern die Sendung boykottiert haben. *Lacht inzwischen in Euphoria. Nach der ersten Folge durfte am High School Campus nicht mehr gedreht werden, verständlicherweise.
Immer und wieder kriege ich nun Memes in meinen Feed gespielt, die darauf hinweisen, dass 2000 über 20 Jahre her ist. Es wird verglichen, dass die 90er nun so weit her sind, wie für uns damals die 70er. Sucks. Oder auch nicht. Es bedeutet für mich hauptsächlich, dass ich viel davon lernen konnte, beide Staffeln noch einmal zu schauen, wirklich. Über mich selbst und was wir damals so geglaubt haben, oder an welchen Glaubenssätzen wir bis heute festhalten.
Wen es wirklich interessiert: Stephen und Kristin haben inzwischen einen extrem guten und aufschlussreichen Podcast. Sie gucken gemeinsam Folge für Folge und reden darüber. Ich weiß nun, dass sie für die erste Staffel nur 2000$ erhalten haben. Dass sie teilweise komplette Unterhaltungen nachgesprochen haben in einem Tonstudio. Und achtet mal auf Laurens Ansatz während der Staffeln, viele Folgen sind nicht mal ansatzweise chronologisch. Schade auch, merkten Stephen und Kristin an, dass nicht rüberkam, dass sie wirklich eine liebevolle und gute Beziehung hatten, auch lange vor dem ersten Dreh. Also denkt immer dran, nichts ist real an Reality TV, 2003 war es nur weniger scripted.
Header Foto von Trac Vu auf Unsplash
Beitragsbild von Steady Hand Co. auf Unsplash