Ich will auch so leben, sagt die Freundin meiner Tochter, als sie zu Besuch ist und ich denke: I feel you, girl. „So“ heisst in diesem Fall: ein Elternteil und ein Kind, und in unserem Fall: Mutter und Tochter.
Denn im Gegenzug zum gängigen Narrativ, in dem Alleinerziehende immer gleichgesetzt werden mit Unglück, Armutsrisiko, Erschöpfung, Unzufriedenheit, Aufopferung, verminderte Lebensqualität finde ich es an radikalen Tagen als „das einzig Wahre“ und an milderen Tagen als „angenehmer Lebenszustand und erfüllend“.
Gehen wir einmal kurz in der Zeit zurück, ins Jahr 2015, als meine Tochter ein Jahr alt ist. Ich bin 28 Jahre alt, ich fühle mich nicht gut, ich will so nicht leben, „nicht gut“ ist nun mal nicht gut, da gibt es gar nichts zu diskutieren, aber ich habe mich auch entschieden ein Kind zu bekommen, es aufzuziehen und die Verantwortung heißt, dass dieses Kind Umstände verdient hat, die gut sind. Und in diesem Augenblick von Selbsterkenntnis mache ich ein Commitment mit mir selbst, dass ich alles tue , was meinem inneren Frieden zuträglich ist, was mich glücklich macht, was mich frei und selbst bestimmt lässt. Mein Leben genau so zu leben, dass es sich gut anfühlt ist meine Conclusio.
1 Kind 1 Erwachsene
Das Leben in der Kombination ‚1 Kind 1 Erwachsene‘ bedeutet für mich vor allen Vorteile. Denn wenn man einmal herausgefunden hat wie man es schafft, finanziell unabhängig zu sein, die Vorteile einer Partnerschaft aus anderen Bereichen zieht (Zuneigung, körperliche Kontakte, Gefühl von Zugehörigkeit, Support bei Krankheit, jemand, der für einen einkauft , jemanden zu haben, den man volljammernd kann, Urlaub, Weihnachten), dann ist es wirklich sehr schön.
Das Gefühl, was es am besten beschreibt, ist für mich Folgendes: die erste eigene Wohnung. Das Gefühl der kompletten Freiheit. Endlich so leben, wie man möchte. Das Geld dafür ausgeben, wofür man möchte. Die Möglichkeit lediglich die Bedürfnisse meiner Tochter zu berücksichtigen erlaubt es mir, in unseren Alltag viele Highlights einzubauen. Da es nur ein Kind gibt muss ich nicht für Gerechtigkeit sorgen, ich kann spontan sein, muss mich nicht rechtfertigen oder, worst case am Zusammenleben mit anderen Erwachsenen, Stimmungen aushalten bzw. auf den Stimmungen anderer mitschwingen und die elendeste alle Fragen ‚Was essen wir heute‘ existiert nicht.
Ich kaufe einfach nur ein, was wir wirklich gerne essen und weil wir nur zu zweit sind ist das Zubereiten einfach, kein Meckern und wenn ich keine Lust habe holen wir etwas, was zu zweit immer erschwinglich ist.
Mental Load?
Im Lauf der letzten Jahre ist dann noch etwas hinzugekommen, eine Diskussion, bei der ich froh bin sie nicht mitführen zu müssen, zumindest nicht im Privaten. We call it Carearbeit, Mental Load , Gleichberechtigung in hetero-normativen Kleinfamilien. Es hat mich natürlich auch Energie gekostet, mein eigenes System zu perfektionieren , was die Organisation des alltäglichen Lebens angeht, aber jetzt läuft es.
Ich glaube, es würde mich sehr anstrengen immer wieder neu verhandeln zu müssen, wer was macht und meine persönliche Toleranz läuft da gegen Null, wenn ein Elternteil nicht den gleichen Anspruch wie in der Arbeit hat, Verantwortung zu übernehmen und Aufgaben so zu erfüllen, dass sie auch erfüllt werden. Insbesondere finde ich es angenehm sowohl alles typisch weibliche und mütterliche voll ausleben zu können ohne, dass ich mir Gedanken darüber machen muss, was das jetzt für meine Rolle in der Familie bedeutet, weil ich diese Rolle nicht zu einer typisch männlich geprägten Rolle abgrenzen muss.
Das ständige Hinterfragen der modernen Mutter, Kind, Karriere, „Fremdbetreuung“ (aber doch immer wieder vom Dorf, das es braucht zu erzählen), zwischen Kuchen backen und Geld erwirtschaften und was es heisst jetzt wieder Schuhe fürs Kind zu kaufen, sollte man das nicht besser den Papa machen lassen, damit er es lernt, oder sich ärgern , dass man sich überhaupt diese Gedanken macht etc gibt es bei mir nicht und deswegen ist mein mental load nicht unbedingt größer.
Da ich frei bin von diesem Familienkonstrukt, völlig selbstverständlich auch den väterlichen Part übernehme, kämpfe ich im privaten diesen Kampf nicht.
Dass es mir gut geht, ist ein Leitmotiv. Mich regelmäßig selber zu checken, ob es mit gut geht, ist Teil davon. Wenn es mir nicht gut geht, muss ich es hinnehmen, mich nicht mit Ausreden in ein „nicht gut“ hineinmanövriere. Es fordert auch von mir eine radikale Ehrlichkeit. Keine falschen Freunde, kein falscher Job, mein Seelenheil ist mir heilig.
Mein „Gut“ ist vor allem durch Selbstbestimmung definiert, meine Bedürfnisse , wie tiefe Verbundenheit mit Menschen, Spaß, finanzielle Unabhängigkeit habe ich erfüllt. Mein „Gut“ lässt mich weniger Kompromisse eingehen, ich habe, und das weiss jede Alleinerziehende, keine Zeit für „ja, ist ok“ , mein „Gut“ ist ein ein 100% gut. Und vielleicht ist es auch das, was man merkt, wenn man bei uns zu Besuch ist.
Der heutige Gastbeitrag stammt von Antonia aus Berlin. Sie ist Anfang 30 und lebt mit ihrer siebenjährigen Tochter in Berlin. Sie ist Bühnentänzerin und studierte Psychologin, arbeitet als Creative Business Coach und schreibt auf Instagram über pop-psychologische Themen. Ihr findet sie auch bei Instagram, ebenso das Kollektiv.
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