
Gila und Andrea gucken in anderer Leute Kleiderschränke. Aber nur mit Erlaubnis: Die zwei Freundinnen aus dem Alten Land bei Hamburg betreiben den Blog A SONG IS TEN MEN ON THE ROPE/10M1R, für den sie hinter den Schranktüren nicht nur Klamotten und Accessoires, sondern auch interessante Geschichten über die Menschen und ihren Lifestyle erfahren.
Als die beiden, zu deren Familie insgesamt fünf Kinder und drei Hunde gehören, neulich einen Blick in unsere Kleiderschränke (Claudia/Isa) warfen, luden wir sie zum Lunch und zum Interview, in dem sie uns unter anderem erzählten, wie sie aus ihrem Blog ein Business machen wollen.

Hauptstadtmutti: Wie seid ihr auf die Idee zum Blog gekommen?
Gila: Seit wir uns kennen, haben wir immer über Projekte gesprochen. Andrea hat einen Hintergrund als Fotografin und ich komme aus dem Marketing, also haben wir von Anfang an überlegt, was wir zusammen machen wollen. Dass wir zusammen was machen wollen, war immer klar.
Andrea: Genauso wie ihr haben wir auch Lust auf ein Leben neben der Mutterrolle – wir sind zwar Muttis, aber keine, die den ganzen Tag in Fleece zu Hause sind. Das kann man mal ein Jahr lang machen, dann ist aber auch gut. Sowohl Gila als auch ich haben nie unser Ich verloren, also die Person, die wir waren, bevor wir Mutter wurden. Ich persönlich fand dieses Gucken in fremder Leute Kleiderschränke schon immer toll. Ich gucke auch die Sendung „Shopping Queen“ nur, weil mich die Schränke und die Geschichten dazu interessieren. Es ist aber nicht so, dass ich überall frage, ob ich mal in die Schränke gucken darf. Selbst Gilas habe ich erst sehr spät kennengelernt.
Gila: Auf jeden Fall haben wir schnell gemerkt, dass da schöne Geschichten in den Schränken drinstecken, und dann haben wir überlegt, wie wir das modern aufziehen können.
HSM: Woher kennt ihr euch?
Gila: Ich bin Zugezogene ins Alte Land, und da haben wir uns gefunden, auch durch die Kinder.
Andrea: Ich habe eigentlich nie so den Kontakt zu anderen Leuten gesucht, bin immer eher rein in den Kindergarten und schnell wieder raus. Ich hatte ja auch viel zu tun mit drei Kindern und zwei Hunden. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass die Gila auf meiner Wellenlänge ist.
Gila: Irgendwann saßen wir dann zusammen im Auto und haben über Projekte gesprochen. Über Bildbände und wie schön die sind. Dann dachten wir, dass Kleiderschränke in einem Bildband auch toll aussähen. So war die Idee für den Blog geboren.
Hauptstadtmutti: Kommt der Bildband noch?
Gila: Klar. Eins nach dem anderen. Der Blog ist erst ein Dreivierteljahr alt, bis jetzt haben wir, glaube ich, etwa 15 Schränke fotografiert.

Hauptstadtmutti: Geht ihr immer zusammen los?
Andrea: Wir gehen immer als Team. Ich konzentriere mich eher auf die Fotos, aber Gila hat den besseren Überblick. Sie hat ihre Augen überall. Zum Beispiel hat sie diesen Mann mit dem Schrank der vergessener Brautkleider aufgespürt. Das sind Brautkleidern, die bezahlt, aber nie abgeholt wurden. Das war große Klasse.
Hauptstadtmutti: Konntet ihr schon eine Typologie aufstellen und von der Frau auf den Schrank schließen?
Andrea: Nein. Aber wir waren schon manchmal geschockt, weil der Schrank zum Beispiel plötzlich viel langweiliger war als erwartet.
Hauptstadtmutti: Aber es ist doch sicher immer spannend, wenn sich die Leute euch gegenüber öffnen?
Gila: Ja, es ist krass, was passiert, wenn man die Leute fotografiert. Es ist immer die Frage, ob die Menschen sich mit den Schranktüren mitöffnen. Das ist sehr privat, und es ist immer spannend, wie anders viele werden, sobald die Türen offen sind.
Andrea: Viele verstehen auch nicht, warum wir da unbedingt reingucken wollen. Oder sie wollen erstmal aufräumen.
Gila: Man hört schon viele Geschichten – wenn sich jemand zum Beispiel bei einem bestimmten Kleid an ihren Ex-Freund erinnert.
Andrea: Manchmal sind wir echt Seelenklempner und denken: Oh Gott, das brauchst du uns doch alles gar nicht erzählen!
Hauptstadtmutti: Ist der Blog jetzt euer Business, wollt ihr damit Geld verdienen?
Gila: Ja, das ist der Plan. Aber es ist schwierig, da wir mit unserem Thema nicht breit aufgestellt sind. Trotzdem gibt es Wege.
Andrea: Wir sind gerade dabei, Konzepte für Kooperationen zu entwickeln. Wichtig ist, dass man sich nicht aus den Augen verliert und bei dem bleibt, was man zeigen möchte. Wir haben keinen Zeitdruck. Ich arbeite nebenher noch als Fotografin, aber natürlich schauen wir nach Kooperationen mit Marken, deren Produkte man dann im Schrank platzieren kann. Oder auch Möbel. Wir sind dran.
Hauptstadtmutti: Habt ihr euch einen Zeitrahmen gesetzt?
Andrea: Wir wollen schon, dass es dieses Jahr losgeht. Erstmal haben wir uns jetzt in das ganze Thema eingearbeitet. Unser Blog ist ja schon recht speziell, sodass sich klassische Kooperationen kaum anbieten.
Hauptstadtmutti:Vielleicht könnte man was mit Versand machen, mit Zalando? Dass da vielleicht eine Kiste im Schrank steht?
Gila: Hm, das überzeugt mich jetzt nicht sofort. Oder alles, was man in den Schrank reinhängt oder –stellt? Duftsachen?
Hauptstadtmutti: Putzzeug für den Spiegel?
Andrea: Mottenkugeln!
Hauptstadtmutti: Ja genau, man kann das ja auch total lustig aufziehen. Teilweise ist man als Blogger eine richtige kleine Agentur. Aber wenn man dann solche Konzepte für die Firmen entwickelt, dann muss auch der Preis stimmen.
Hauptstadtmutti: Wie sehen eure Kleiderschränke eigentlich aus?
Gila: Deiner ist voller.
Andrea: Aber übersichtlich. Wenn ich überlege, was wir schon alles für Kleiderschränke gesehen haben … da ist meiner wirklich ordentlich. Und deiner ist sportlich.
Gila: Sportlich, ja. Und auch nicht proppevoll oder überfüllt. Ich ziehe ja eh immer dasselbe an.
Hauptstadtmutti: Haben euch manche Schränke schon inspiriert? Klamotten- oder aufbewahrungstechnisch?
Gila: Diese IKEA-Schränke sind Wahnsinn, so viele Funktionen! Ich weiß nicht, ob das durch unseren Blog inspiriert war, aber ich habe im vergangenen Jahr zwei Drittel meiner Garderobe aussortiert.
Andrea: Ich habe meine Klamotten nach Farben sortiert und das hat mir unwahrscheinlich geholfen. So hat man einen besseren Überblick. Ich bin ein Adidas-Jacken-Sammler, und die lagen immer alle irgendwo in meinem Schrank herum. Gila fiel das irgendwann auf, und dann habe ich sie aufgehängt, damit ich sie sehe, denn nur dann ziehe ich sie auch an. Gila hatte auch mal eine schöne Idee: Sie hat früher ihre Outfits fotografiert, wenn sie mal in ihrer Bürozeit nicht wusste, was sie anziehen sollte. Das fand ich auch eine tolle Idee. In ihrem Schrank hat sie auch Fotos von einer Frau hängen, deren Style sie toll findet. Das ist inspirierend, wenn man mal nicht weiß, was man anziehen soll.
Dankeschön, Gila und Andrea!
Interview: Isa Grütering/Claudia Kahnt // Foto: Andrea Heinsohn // Text: Yvonne Vávra