Hauptstadtmutti

Woanders leben: Johanna und ihre Familie in Dänemark

Ward ihr schon einmal eine längere Zeit in Dänemark? Ich nicht. Daher finde ich es umso toller, dass sich Johanna bei uns gemeldet hat und uns von ihrem Umzug nach Dänemark und ihrem neuen Leben berichtet. Dort lebt sie seit dem letzten Jahr mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn Henry. Aber lest selbst:

Unsere kleine Familie

Als ich vor 4 Jahren meinen Mann kennengelernt habe, war mir nach dem ersten Date klar, dass das der Mann ist, mit dem ich alt werden will, es gab für mich keinen Zweifel. An unserem ersten Jahrestag haben wir in der Sommerbrise auf einem kleinen Hügel, umgeben von Schafen und Apfelbäumen, geheiratet. Wir waren uns beide sicher, dass unser erstes Kind ein Mädchen sein würde, aber ein Jahr später kam Henry auf die Welt, ein kleines, großes, 4,5kg schweres Wunder. Die ersten Wochen als Eltern waren anstrengend, mir ging es körperlich furchtbar und mein Mann hatte gleichzeitig außergewöhnlich viel zu tun auf der Arbeit. Trotzdem hat er Henry jeden Morgen ab um 7 Uhr bis er zur Arbeit musste, mit einer Thermoskanne Kaffee im Rucksack, stundenlang durch die Straßen Berlins getragen, so dass ich endlich schlafen konnte. Für einander zu kämpfen, war von Anfang an eine unserer größten Stärken als Paar. Im April wird Henry 2 und wenn alles nach Plan läuft (und wann tut es das nicht mit Kindern?) kommt hoffentlich irgendwann 2018 ein viertes Mitglied zu unserer Familie dazu.

Warum Dänemark?

Schon als ich jung war, habe ich davon geträumt, auszuwandern. Ich fand die Vorstellung vom Leben in einem anderen Land exotisch, verlockend und abenteuerlich. New York oder Australien oder vielleicht Irland, Hauptsache ziemlich weit weg. Ich war noch nie in Dänemark gewesen, bevor ich meinen Mann getroffen habe. Er ist Däne und hatte die gleichen Träume wie ich, andere Länder, vielleicht ein Nomadenleben. Als wir dann das erste Mal gemeinsam in Kopenhagen waren, hatte ich einen ähnlichen Aha-Moment, wie zu Anfang unserer Beziehung. Ich wusste, hier will ich leben. Eigentlich hat mich in Kopenhagen viel an Berlin erinnert, nur, dass für mich alles viel kleiner erschien, die Menschen wirkten entspannter und das Leben irgendwie langsamer. Ich habe mich in die vielen kleinen Gassen verliebt und in den Meereswind in der Stadt. Und mit meiner Begeisterung über seine frühere Stadt habe ich meinen Mann angesteckt, so, dass wir noch vor unserer Hochzeit angefangen haben, über einen eventuellen Umzug zu sprechen. Als dann unser Sohn geboren wurde war für uns beide klar, dass wir nicht für immer in einer Großstadt leben wollen, aber auch noch nicht bereit sind das bunte Multikulti-Leben gegen ein Haus auf dem Land zu tauschen. Darum ist Kopenhagen für uns der perfekte Zwischenschritt.

Angekommen?

Weil natürlich nicht immer alles nach Plan verläuft, war unsere Berliner Wohnung gekündigt und alles für den Umzug vorbereitet, als wir erfahren haben, dass unsere Wohnung nicht im Oktober 2016, sondern erst im Mai 2017 frei sein wird. Wir waren in Aufbruchsstimmung und so war schnell klar, dass wir trotzdem umziehen. Nun wohnen wir seit 3 Monaten bei meinen dänischen Schwiegereltern in einem winzigen Dorf, mitten am Meer und auf dem Land. Ein krasser Unterschied zum Kreuzberger Leben, ja, aber erst nachdem wir angekommen sind, wurde uns klar, wie sehr wir diese Auszeit eigentlich brauchen. Das letzte Jahr in Berlin war wunderschön und ereignisreich, aber auch chaotisch und anstrengend und kräftezehrend. Der Unterschied zur Großstadt ist enorm und nach einem Vierteljahr fällt mir langsam die ländliche Decke auf den Kopf, aber ich versuche die Zeit in vollen Zügen zu genießen, denn ich weiß, so viel Zeit habe ich vielleicht nie wieder. Zeit zu planen und Energie zu tanken, bevor es in eine neue Stadt geht, mit einer neuen Arbeit, einer neuen Uni, einer Kita für Henry und mit einem neuen Leben für uns alle.

Das Leben hier

Obwohl ich ziemlich fließend dänisch spreche, ist es doch nicht immer einfach von heute auf morgen mit einer neuen Sprache zu leben. Mein Mann und ich sprechen zwar miteinander deutsch und ich mit Henry sowieso, aber eigentlich kommuniziere ich seit Oktober nur auf Dänisch. Alles was ich lese, höre oder sehe ist dänisch und manchmal macht das ganz schön müde. Dazu kommen 2-3 Tage von morgens bis spät nachmittags in der Sprachschule, denn, wenn ich im Herbst anfangen will zu studieren, muss ich bis dahin so dicht am Muttersprachler-Niveau sein, wie möglich.

Dafür sollte das Studium hier weitaus entspannter werden als das in Deutschland, wenn man davon absieht, dass ich während meines ersten Studiums noch kein Kind hatte. Ausbildung wird in Dänemark weitaus mehr unterstützt, als in Deutschland. Das dänische Bafög nennt sich SU und wird unabhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt und muss in der Regel auch nicht zurückbezahlt werden. Studiengebühren gibt es nicht und hat man Kinder, kann man noch dazu einen höheren Nebenverdienst haben als gewöhnlich, studieren ist somit bei weitem nicht so eine finanzielle Belastung wie in Deutschland.

Die Kinderbetreuung bei der Tagesmutter oder in der Kita ist dafür um einiges teurer als in Berlin. Henrys Kitaplatz wird ungefähr 500€ im Monat kosten und das ist ein vollkommen geläufiger Satz. Im Gegensatz zu Berlin, wo ich bis zuletzt keinen Kitaplatz für ihn gefunden habe, sind wir in Kopenhagen seit einem halben Jahr auf Platz eins beider Wartelisten, für die wir uns beworben haben. Dass wir nun erst ein halbes Jahr später anfangen, war auch kein Problem und beide Kitas liegen 100-200m entfernt von unserer Wohnung, wir müssen uns nur noch entscheiden. An so einen Luxus wäre in Berlin nicht zu denken gewesen, da kamen die Absagen auch noch aus 3km entfernten Betreuungseinrichtungen.

Was mir bisher am meisten fehlt, ist das Berliner Lebensgefühl, oder zumindest das, welches ich gekannt habe. Mir fehlen die Bio-Supermärkte an jeder Ecke und die unzähligen Restaurants und Cafés, in denen es gutes und gesundes Essen gibt. Die meisten Supermärkte in Dänemark haben auch Bio-Produkte im Sortiment, aber mir fehlt hier ein bisschen die allgemeine Überzeugung dahinter. Die Dänen halten sich selbst für ziemlich „grün“, eine Mülltrennung gibt es aber zum Beispiel vielerorts nicht, auch wenn es angeblich langsam im Kommen ist. Darüber habe ich unter anderem auch schon auf meinem Blog berichtet.

Was mir aber unglaublich gut gefällt, ist die Leichtigkeit, mit der sich hier das meiste Administrative erledigen lässt. Jeder, der in Dänemark registriert ist, bekommt eine Personennummer und eine Art elektronische Identität, Nem-ID genannt, und alle öffentlichen Belange werden darüber geregelt. Für Viele mag das eine zu große Durchschaubarkeit bedeuten, und irgendwie ist es das auch, trotzdem erleichtert es das alltägliche Leben ungemein. Nachdem ich monatelanges Warten auf einen Termin und dann stundenlanges Warten im Bürgeramt selbst in Berlin gewohnt war, kam es mir vor wie ein Traum, dass meine bisher längste Wartezeit in einem dänischen Amt 10 Minuten betrug, und das ohne Termin.

Die Dänen sind weltweit bekannt für ihr „Hygge“-Lebensgefühl. Es gibt im deutschen keine wirkliche Übersetzung dafür. Es bedeutet so viel, wie gemütlich und behaglich und nett und schön und noch unzählige andere Sachen, „Hygge“ eben. Für mich ist es eine Lebenseinstellung, in der es vor allem darum geht, den Alltag so angenehm wie möglich zu gestalten. Warum sollte etwas schwer sein, wenn es auch leicht gehen kann!? Warum soll man endlos lang auf schöne Erlebnisse warten, wenn man einfach seinen Alltag schön und gemütlich machen kann? Ich muss zugeben, „Hygge“ zu leben fällt mir noch nicht immer leicht, aber ich arbeite daran.

Johanna: Das ist Henry mit seinem liebsten Opa, oder wie er hier heißt, „Bedstefar“. Direkt übersetzt bedeutet das „bester Papa“. Die beiden sind ein Herz und eine Seele und da Henry erst ab Mai in die Kita geht, übernimmt bedstead hauptsächlich die Betreuung wenn wir arbeiten oder ich in der Schule bin.

Johanna: Kurz nach unserer Ankunft hat es ein bisschen geschneit. Hier in der Gegend gibt es leider nicht viel Schnee und nach einem Tag war er auch schon wieder verschwunden. Ich bin eigentlich ein Sommerkind, aber ein Winter so ganz ohne Schlitten fahren und Schneemann bauen, lässt mich Deutschland schon vermissen, zwischendurch.

Johanna: Der Onkel meines Mannes hat ein Stück eigenen Wald und jedes Jahr gibt es ein großes, kollektives Weihnachtsbaum-Fällen. Der Schnee ist übrigens der gleiche, wie beim Bild davor, seitdem hatten wir wirklich keinen mehr. Ungefähr 10 Sekunden nach diesem Bild gab es einen 1-A Wutanfall, weil Henry die Säge nicht haben durfte. Er hat sich dann wütend ins Gras vor den Baum gesetzt, den wir mitnehmen wollten.

Johanna: Im Mai ziehen wir nach Kopenhagen und ich werde hoffentlich diesen Herbst anfangen dort zu studieren, spätestens im nächsten Jahr. Es gibt noch viele administrative Sachen, die ich mit der Uni klären muss, darum pendeln wir oft hin und her. Die Zugfahrt dauert knapp 3 Stunden und da die Bahn in Dänemark unglaublich teuer ist, nehmen wir meistens Züge zu unmöglichen Zeiten, die dann wenigstens halbwegs bezahlbar sind. Wenn es dann endlich hell wird, sehen wir oft alle 3 so aus.

Johanna: In der Gegend, in der wir jetzt wohnen, gibt es jedes Jahr mitten im Wald einen kleinen Weihnachtsmarkt und einen „Nisseløb“. So eine Art Schnitzeljagd für die Kinder, wo sie Wichtel finden müssen. Als Belohnung gibt es dann ein paar Plätzchen. Obwohl es so aussieht, habe ich letztlich nichts davon abbekommen, da Henry es sich im letzten Moment anders überlegt hat.

Johanna: Henry hat zwei ältere Cousinen, darum gibt es bei meinen Schwiegereltern eigentlich nur Kindergeschirr in rosa mit Prinzessinnen drauf. Als wir eingezogen sind wollten sie dann für Henry neues kaufen, wogegen ich mich aber vehement geweigert habe. Henry mag die Prinzessinnen und ich will ihm nicht eine Wahrnehmung von „das ist für Mädchen, und das für Jungen“ antrainieren. Geschirr ist für mich Geschirr.

2016 was the year my baby outgrew my arms and turned into an amazing toddler. It was a year where many awful things happened around the globe, a year with so many challenges. But it was also a year of many adventures and great travels. Henry started exploring the world and I learned to see many things differently through him, he truly opened my eyes to all the wonders around us. I never want him to stop exploring and I’ll be right there by his side, as long as he’ll have me. 2016 brought us many tears and lots of joy. Now we’ve moved to a different country and i can’t wait for the next step in our journey. Tonight my heart is full of love and gratitude for my little family. I’m proud of what we’ve achieved and so excited for everything yet to come. #dearestviewfinder #magicofchildhood #cameramama #oureverydaymoments #ourcandidlife #honestmotherhood #standstillmychild #simplychildren #cu_getintheframe

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Johanna: Das war im letzten Sommer, in Irland. Meine Schwestern und ich waren als Kinder sehr oft in Irland, darum sind wir zusammen noch ein mal dahin gereist, bevor wir nach Dänemark gezogen sind und meine jüngste Schwester für ein Jahr nach Ägypten gezogen ist. Das war für alle eine wunderbare Zeit und auch irgendwie ein endgültiger Abschied unserer Kindheit zusammen.

Johanna: Henry liebt es zu schaukeln, am besten stundenlang. Manchmal, wenn er schon sehr müde ist, muss ich ihn irgendwann unter großem Protest aus der Schaukel zwingen, weil er darin fast eingeschlafen ist. Ich war als Kind genauso.

Johanna: Meine Mama mit Henry im letzten Sommer. Sie ist noch eine sehr junge Oma, denn wir sind beide mit 23 Mutter geworden. Dass wir umgezogen sind, hat sie ziemlich schwer getroffen, denn vorher haben wir nur eine Stunde voneinander entfernt gewohnt. Als sie uns hier das erste Mal besucht hat, habe ich genau gemerkt, wie viel Angst sie hatte, dass Henry sie nicht wieder erkennt. Aber als sie dann reinkam, hat er sofort einen Riesen Freudentanz veranstaltet und hat sie mit in sein Zimmer genommen um ihr zu zeigen, dass er vom Bett hüpfen kann und innerhalb von 2 Stunden hat er gelernt „Oma“ zu sagen. Das war für uns beide total schön und eine große Erleichterung.

Johanna: Lange Zeit konnte Henry mit Kuscheltiere nicht so viel anfangen, aber seit ein paar Wochen muss „Teddy“ überall mit hin. Er klemmt ihn sich so unter den Arm und dann gehen die beiden auf Entdeckungsreise. Gestern hat er zum ersten Mal versucht „Teddy“ zu füttern.

Johanna: Wir wohnen zur Zeit fast direkt am Strand und sind also fast täglich am Meer. Die liebste Beschäftigung ist klettern und Steine ins Wasser werfen und bisher ist Henry dabei erst einmal hinterhergefallen. Klitschnass zu sein hat ihn aber wenig interessiert, der Schreianfall kam erst, als ich ihn nach Hause zum Umziehen getragen habe. Die Regenkombi haben wir auch von den Cousinen geerbt.

Johanna: Das kennen wahrscheinlich alle Eltern. Das Kind schläft im Auto ein und es würde einem nicht im Traum einfallen, es zu wecken. Ich wette, würde man all die Stunden zusammen rechnen, die wir neben einem schlafenden Henry im Auto verbracht haben, würde man sicherlich schon auf mehrere Tage kommen.

Johanna: Henry ist der Inbegriff eines „wild child“, aber wenn er müde wird, dann will er meistens nur noch kuscheln und da die Momente immer weniger werden, genieße ich sie in vollen Zügen.

Johanna: Wenn man bei den Großeltern wohnt, kann man seine Vorsätze, was die Kindererziehung angeht, manchmal nur schwer durchsetzen. Für Henry ist es natürlich das Paradies und ich bin nur froh, dass man in Dänemark keinen Zucker an die Schlagsahne macht. Noch dazu sollte man meinen, wir hätten seit Wochen seinen Latz nicht gewaschen, aber ein Mal Pasta reicht für gewöhnlich aus um ihn so aussehen zu lassen. Wir haben Henry so gut wie nie gefüttert und ihn von Anfang an so viel wie möglich selbst essen lassen. Das bedeutet zwar mehr Wäsche, aber auch, dass er seit mehr als einem halben Jahr komplett selbstständig isst.

Liebe Johanna, vielen lieben Dank, dass du dich bei uns gemeldet hast und uns an deinem Leben teilhaben lässt. 

Hier findet ihr Johanna und ihre kleine Familie:

Instagram: adjustinghorizons

Blog: adjusting HORIZONS

Und hier findet ihr noch weitere Geschichten

Wenn ihr wissen wollt, wie es sich als Familie in Barcelona leben lässt, haben wir hier die Geschichte von Anna und ihrer Familie.

Und hier haben wir noch einen Artikel von Nina und ihrer Familie in Schweden.

Und hier schreibt Wiebke über ihr Familienleben in Brasilien.

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