Als ich letztens so im Netz vor mich hindaddelte, vielleicht auf Buzzfeed oder Bored Panda, und mein Gehirn kurz spielen ließ, musste ich stutzen: Da stand es, als Teaser: „Chimamanda Ngozi Adichie secretly had a baby and no one even knew“.
Wer sie nicht kennt – bestellt euch noch heute alle ihre Bücher, zum Einstieg vielleicht Americanah, eines der unglaublichsten Bücher der Gegenwartsliteratur zum Thema Race und Feminismus. (Race bitte niemals mit Rasse übersetzen: „Das Wort „race“ einfach mit „Rasse“ zu übersetzen geht nicht, denn im Deutschen hat dieses Wort nicht denselben Bedeutungswandel durchlebt.“)
Americanah ist witzig, unterhaltsam und klug. Für die New York Times hat sie vor Kurzem eine sehr unterhaltsame Kurzgeschichte zum Thema Wahlkampf in den USA geschrieben. Hier ist auch eine wunderschöne Liste der 10 schönsten Zitate aus ihren Büchern. Ansonsten ist da natürlich ihr berühmter TED Talk We should all be feminists, den Beyoncé in ihrem mega Powersong „Flawless“ gefeatered hat. Vielleicht kennt ihr ihre Stimme daher. Es gibt eine Essay-Version dieses TED Talks. In Schweden bekommt man dieses dünne Heftchen in der Schule mit auf den Weg gegeben, wenn man 16 ist. Hach, ja, die Schweden wieder. „Um die Unterhaltung über Gender und Gleichberechtigung voran zu treiben.“
Nun denn. Diese Frau, Chimamanda Ngozi Adichie, ist also eine kluge Frau, von Beyoncé bewundert und in Schweden ein Vorbild. Warum hat sie niemandem erzählt, dass sie ein Kind bekommen hat? Oder überhaupt schwanger war?
Sie saß in einem Interview mit einem Journalisten der Financial Times und er bot ihr ein alkoholisches Getränk an. Sie lehnte dankend ab, weil sie noch stillen müsse. Er war zunächst verwirrt, denn, wie anscheinend der Rest der Welt, hatte er keine Ahnung gehabt. Seine Reaktion? Nach dem Namen des Kindes zu fragen. Wollte sie nicht preisgeben. Good for her. Sie erklärte jedoch ihre Motivation für die Geheimniskrämerei:
“I just feel like we live in an age when women are supposed to perform pregnancy. We don’t expect fathers to perform fatherhood. I went into hiding. I wanted it to be as personal as possible.”
Was wir von Chimamanda Ngozi Adichie lernen können
Wieso sollte also eine Gelegenheitsbloggerin auf einem Mama-Blog über eine Frau berichten, die nicht möchte, dass die Welt von ihrer Schwangerschaft erfuhr? Glaubt nicht, dass uns solche Themen nicht interessieren, nur weil wir beruflich übers Elternsein, Muttersein und Kinderkriegen philosophieren. Und ab und an Partnerschaften mit Firmen eingehen, die im weitesten Sinne Produkte vertreiben, die vor allen Dingen von Müttern käuflich erworben werden.
Ihr glaubt doch nicht, dass wir den ganzen Tag in der Redaktion sitzen und über unsere Kinder reden? Wir sind doch die, die froh sind, wenn sie ihre Kinder mal los sind, hihi.
Jennifer Aniston hatte letzte Woche auch die Schnauze voll. Lisa Seelig von Edition F hat Anistons Statement zum Thema Kinderkriegen hier schön zusammengefasst. Ich finde beide Themen passen gut zusammen. Wir leben in einer Welt, in der das Kinderkriegen immer noch unabdingbar zum Lebenslauf einer Frau gehört. Im Alter von 20-45, je nach Kulturkreis, wird sich so ziemlich jede Frau, lesbisch, single oder mit einem Mann verheiratet, der Kinderfrage stellen müssen. Hat sie dieses von der Gesellschaft geforderte Kind dann endlich bekommen, ist sie Mutter. Und hat dann bei jeder Gelegenheit Fragen zum Thema Kind und Mutterschaft zu beantworten. Im Supermarkt, im Drogeriemarkt, in der Bahn und auch im Bewerbungsgespräch. Ja, die Menschen wollen einfach nur nett sein. Aber wenn ich in mich für einen Job bewerbe, der zu 100% nichts mit meinem Kind zu tun hat, möchte ich keine Fragen zu meinem Kind beantworten. Mein Kind ist mein Kind. Das wars. Mein Kind hat als Thema nichts in einem Bewerbungsgespräch zu suchen.
Und, Newsflash, ich definiere mich nicht über mein Kind. Mein Kind ist kein Hashtag, mein Kind wird, so weit es geht aus dem Internet rausgehalten und mein Kind ist keine Kleiderstange. Ich respektiere mein Kleinkind als Person und kann im Moment nicht absehen, inwiefern das Internet sich entwickeln wird. Das Kind kann weder zustimmen noch ablehnen, dass es online gesehen werden möchte, deshalb gebe ich ihm das Geschenk der Anonymität.
Bloggen für Mütter?
Für mich ist diese Einstellung nicht widersprüchlich zum Bloggen über Elternthemen. Nur weil ich beschlossen habe, regelmäßig meinen Senf zu gesellschaftlichen Familienthemen oder Spielplatzvorkommnissen abzugeben, heißt das noch lange nicht, dass mein Nachwuchs deshalb Teil der Blogosphere wird. Natürlich habe ich die Wichtigkeit vieler dieser Themen erst verstanden, bzw. wahrgenommen, als ich selbst Mutter wurde. Ich finde es gut, wenn Mama-Blogs über die Rechte alleinerziehender Mütter oder den Bürokratiewahnsinn mit behindertem Kind bloggen und damit aktiv einen Unterschied machen und informieren. Ich verstehe nicht zwingend, wieso man den regulären Alltag mit Kindern zwischen Kita und Spielplatz verbloggt, aber mei, bloggen macht ja auch Spaß.
Das hier ist kein Angriff auf Mütter, die den Alltag ihrer Kinder auf diversen sozialen Plattformen dokumentieren möchten. Bitte, share and spread the love, und seid stolz! Ich guck es mir ja auch an, bei Freunden sogar gern! Der blöde alte Spruch ‚Muss jeder selbst wissen‘ ist hier mal wieder entscheidend, denke ich. Aber, ich alte Fingerheberin, würde, ganz vorsichtig, ganz leise, zur Vorsicht raten. Oder erinnern? Dass das Internet nicht vergisst, und ihr nicht wissen könnt, wie geil euer Kind das in 20 Jahren finden wird, wenn wirklich jeder seiner Schritte öffentlich zugänglich ist.
Ich rede doch auch nicht vom gelegentlichen Facebookpost zum Geburtstag, oder schöne Aufnahmen aus dem Strandurlaub. Ihr sagt, dass ist doch alles banal und who cares, aber selbst wenn ihr glaubt, der Öffentlichkeit oder euch ist es egal, und dass das alles harmlos ist, denkt an das Kind und seinen digitalen Fingerabdruck. Oder googelt mal Gesichtserkennungstechnologien und was damit heutzutage schon alles möglich ist.
Nichtsdestotrotz haben Mamablogs, Elternzeitschriften und Erziehungsratgeber eine Daseinsberechtigung, versteht mich nicht falsch. Ich finde all diese Plattformen wichtig! Ich finde den Austausch unter Müttern sehr wichtig! Und natürlich respektiere ich jede Frau, die einen Mamablog betreibt, denn das ist mächtig viel Arbeit. Umso beeindruckender sind die Frauen, die damit tatsächlich Geld verdienen. Ich ziehe meinen Hut vor Isa und dem, was sie zusammen mit Claudia mit Hauptstadtmutti aufgebaut hat. Trotzdem definiert sich Hauptstadtmutti ja gerade über das „Mutter werden, Frau bleiben.“ Gebe es diesen Spruch nicht, würde ich auf dieser Plattform nicht ab und an schreiben wollen.
Elternblogs als Informationsquelle
Erkennt ihr die Zwickmühle, in der ich selbst auch stecke? Elternblogs sind ja gerade dann wichtig, wenn man sich alleine fühlt, wenn man Informationen sucht, wenn man keine Freunde mit Kindern hat und wissen möchte, oh, wie löst die das, oder oh, das könnte ich auch mal ausprobieren. Und für die Kritiker: Ja, manchmal steht in diesen Blogbeiträgen einfach immer dasselbe, dass man nämlich einfach machen soll, und auf sein Bauchgefühl hören soll, und jede Mama ist eine gute Mama, etc. Wenn ihr überzeugt seid, dass euch das niemand mehr erklären muss, dann ist das doch großartig! Allen anderen tut es gut, das immer mal wieder zu lesen.
Also hey, wenn ihr meint, fotografiert, ladet hoch und teilt, was das Zeug hält. Ihr wisst schon was ihr tut, Ladies.
Chimamanda Ngozi Adichie hat mit diesem Statement etwas ganz klar gemacht: Es wird sie kein Journalist mehr nach ihrem Kind fragen, sondern nach ihrer Arbeit. Außerdem find ich es ja heimlich voll gut, dass sie jetzt ein Kind hat, dann kann ich sie nämlich andauernd erwähnen wenn ich über beeindruckende Mütter schreibe. (Gut, dass Beyoncé schon Mutter ist!)