Hauptstadtmutti

Ey meine Freundin letztens so: Babythemen

Ich habe keine Babys und keine Teenager. Damit war ich auf unserem fulminanten 11-Jahre-Hauptstadtmutti Dinner letztens im guten Mittelfeld. Wobei, wenn ich mir die Gesichter der pre- und full-on-Teenie-Mütter angeguckt habe, vielleicht doch eher Jackpot als Mittelfeld. Ich weiß nun zumindest richtig viel über Teenager und ihr Duschverhalten, oder den Mangel an.

Irgendwann meinte nicht nur eine eine Freundin, sondern jede Freundin an unserem Ende des Tisches so: „Wisst ihr, was mich nicht mehr interessiert? Babythemen! Ich bin so durch damit.“ Alle nickten und johlten. Wir sind nicht nur durch damit, wir sind raus. Wir sind so dermaßen raus, dass selbst die letzten von uns, die mit dem ausversehen-drittes-Kind-hinterher, kein Baby mehr sondern schon fast Grundschulkinder haben. Oder halt richtig große Kleinkinder. Oder wie Marlene Hellene schreibt: Alles hat seine Zeit.

Es ist ein nettes Mindset, in dem man sich da irgendwann befindet. Es ist angenehm. Es läuft. Mal besser, mal schlechter, aber vor allen Dingen schläft man, und kann über Stunden sein Ding machen. Sowohl Eltern als auch Nachwuchs. Es ist wirklich und wahrhaftig nett. Cottage Core oder AP Accounts mit >3 Kindern jucken mich schon lange nicht mehr, nicht mal als Anschauungsobjekt. Wenn die das glücklich macht, Glückwunsch, ist doch klasse.

Babythemen als Beruf

Nun ist es aber scheinbar mein Job, mich hin und wieder den Babythemen zuzuwenden. Glaubt zumindest das Umfeld. Da dies hier ein vermeintlicher Mamablog ist, scheinen Babythemen unabdingbar zu sein. Well, I disagree. Mutterschaft ist nicht gleich Baby oder Schwangerschaft, liebe Grüße vom HausaufgabenBlockflötenTisch. Und inzwischen habe ich viele gute Freundinnen, deren Kinder wirklich groß sind, Abi machen oder ausgezogen sind. Mutterschaft ist längst nicht nur Baby.

Für die letzten Schwangeren unter euch habe ich letztens die aktuellen Schwangerschaftsbücher vorgestellt, aber wir wissen alle, dass ich sie weder gelesen habe, noch werde ich es jemals tun. Das hat auch viel damit zu tun, dass ich so gut wie gar keine Sachbücher lese.

Ich bin mir auch zu 99% sicher, dass ich es während meiner ersten Schwangerschaft mit 27 nicht gemacht hätte, selbst wenn es bessere Bücher gegeben hätte. Ich hatte den Klassiker ‚What to Expect When You’re Expecting‘ und war fine damit. Viel Zeit zum Lesen blieb mir nur bedingt, ich hatte eine Masterarbeit zum Thema Zugang zu öffentlicher höherer Bildung in den USA zu schreiben, eine Ostsee-Hochzeit durchzuziehen und einen Umzug zu bewerkstelligen. Gearbeitet habe ich auch. Die Schwangerschaft und das Baby passierten irgendwie nebenher. Ihr seht, ich bin von Haus aus nicht der größte Babythemen-Fan.

Letztens war ich im Muxmäuschenwild Newsletter (äh danke nochmal?) und auf die Frage, was niemand von mir wissen sollte, antwortete ich: „Wie viel auf der Welt mir tatsächlich egal ist.“

Das war extrem ernstgemeint. Ich kann mich für sehr viel begeistern, solange Beyoncé dabei singt oder der BVB spielt, aber diese Alliterationsfolge wird nicht durch Baby vervollständigt sondern durch Bücher (und Bier). Babythemen sind mir extrem egal. Ob du stillst, ob das Kind kackt, ob ihr alle in einem herzförmigen Bett aus Maiswaffeln schlaft, ist mir alles egal. Ich wünsche allen Eltern, die ein Baby erwarten oder ein Baby haben alles erdenklich Gute dieser Welt und wenn wir befreundet sind, will ich auch Fotos und Videos sehen.

Aber, und das muss auch ok sein: wir können von Frauen nicht erwarten, dass sie auf ewig Baby-Fans bleiben, nur weil sie mal ein Baby bekommen haben.

Aber das ist doch ein Mamablog!

Ich habe Schwierigkeiten damit, dieses Magazin auch nur annähernd mit Babythemen zu füllen, weil es mich bis zum geht nicht mehr langweilt. Nicht, weil ich ein Arschloch bin, oder weil ich kein Baby mehr habe, oh God no, diese Themen haben mich noch weniger interessiert, als ich ein Baby hatte, sondern weil ich, Trommelwirbel, ein zweites Kind gekriegt habe. Spätestens dann dachte ich mir, jup, das ist klasse, das ist schön, wie wundervoll, und huch, jetzt ist es vorbei, ok super. In dem Moment fühlt sich das nicht so an, das stimmt.

Eine ewige Ewigkeit beschäftigt man sich mit Babythemen und schwupps, redet das Kind, krabbelt, läuft, macht Führerschein. Ugh, wie ich sie gehasst habe, die Frauen, die mir sagen wollten, wie schnell das vorbeigeht, nun bin ich so eine. Nicht, um zu sagen, genieß es, da gibt es oft genug nicht so viel zum genießen, sondern um zu sagen, da kommen noch Jahrzehnte als Mutter auf euch zu, jedes Jahr ist anders, das Babyjahr definiert euch nicht.

An dem Abend redeten meine Freundin und ich darüber, mit vielen neuen Freundinnen um uns herum, über die Texte, die wir vor Jahren geschrieben haben, zu den Themen, die nicht besser werden, und eigentlich schon auch. Es werden immer mehr Männer, die in Elternzeit gehen, präsent sind, wenn es heute nur fünf Väter an einem Elternabend sind, waren es vor fünf Jahren einfach keine. Menschen wie Sandra Runge und Karoline Wenzel setzen sich aktiv für Elternrechte ein und Eltern sind auch Instagram viel ehrlicher geworden.

Einer anderen Freundin wurde letztens suggeriert, es wäre so toll, wie sie ihren Alltag im Internet zeigt, wir würden ja alle strugglen. Meine Freundin zeigt ihren Alltag nicht, meine Freundin struggelt nicht. Meine Freundin kämpft, für mehr Rechte, für mehr Gleichberechtigung, gegen Diskriminierung. Wir kämpfen.

Es wird besser, die Babys sind fine

Einer der besten Tweets mit einem gekauften blauen Haken der letzten Wochen war der von einem berühmten Diätprogramm, in dem stand: ‚Wir sind bald pleite, weil Gen Z ihre Körper nicht so sehr hasst wie eure Mütter.‘ Preach. Ich glaube, dass es den meisten Babys da draußen, zumindest aus dieser sich ewig Sorgen machenden Insta-Bubble, ziemlich gut geht. Den meisten, wohlgemerkt. Nicht allen. Aber so an sich, sind die Babys fine. Wer nicht fine ist, und das mir ein großes persönliches Anliegen: die Mütter. Zahlen lügen nicht, Mütter sind müde.

Ja, ich mache Feel Good Shit und konzentriere mich auf Themen, die mich interessieren. Und das sind nun mal erwachsene Frauen, die ihr Ding machen. Frauen, mit denen ich stundenlang an einer Theke über Sailor Moon quatschen könnte. Frauen, ganz genau wissen, was sie wollen, und das dann machen. Manchmal nicht sofort, aber langfristig.

Doch was kriege ich? Anfragen für Schnuller, Windelabos, Beikost, Diätratgeber, Romane mit einer ’starken Mutter‘ im Fokus – oder Bücher von ’starken Müttern‘. Ich versuche dann immer so höflich wie möglich zu erklären, dass Mütter sich nicht ihr Leben lang für Babythemen interessieren. Ich interessiere mich für die Aufarbeitung von Deutschlands kolonialer Vergangenheit, ich will mehr jüdische Stimmen lesen und nicht einmal im Jahr Stolpersteine putzen, ich möchte, dass Berlin so schnell wie möglich so barrierefrei wie möglich wird, ich will viel mehr über die ersten Gastarbeiterinnen erfahren, ich will Georgisch essen gehen und Kunst anschauen und ich will wissen, wie lange ich es an einem Abend in den pinken Latex Stiefeletten aushalten würde. All das auch als Mutter. Mutterschaft muss zum Leben einer Frau genauso dazugehören dürfen wie …ihr Name an der Tür…ha.

Fast so, als wären Mütter, oh Gott, einfach Menschen mit Kindern? Und nicht das Ergebnis von einem Jahrzehnte andauernden westdeutschen Muttermythos? Ein Nazi Erbe vom Feinsten? Leute, „Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos“ von Dr. Barbara Vinken kam 2001 raus. Was hat sich denn seitdem getan? Einiges, thank God. Aber was sich nicht geändert hat und vielleicht durch manche Profile noch schlimmer geworden ist: die eigene Erhöhung, die Vergleiche, das ewige Reden über krabbeln oder kugeln. Redet lieber über Geld oder Abhängigkeitsverhältnisse oder was ihr von euren Eltern über Elternschaft gelernt habt und wie ihr das in eure Partnerschaften übertragt.

Babys sind ein Job, wenn auch sehr cute

Wenn ihr euch Gedanken macht, weil ihr ein Baby habt, und ihr es nicht so interessant findet, das ist ok. Babys sind selten super interessant, Babys sind ein Job. Sie sind super mega cute und wundervoll, aber halt auch ein bisschen langweilig. Und das Beste an Babys? Aus ihnen werden wundervolle Kinder. Wirklich.

Dieser wahnsinnige Fokus auf Schwangerschaft und Babys verwundert mich immer wieder. Uns ist allen klar, warum der vorherrscht, auch bei Elternblogs, richtig? Yessssssssss, man kann damit Geld machen! Nichts zieht so dermaßen gut, nichts klickt so gut wie Babybäuche, Babyspeckibeinis und nichts wird so herrlich toll oft kommentiert und geteilt wie super ehrliche Geburtsberichte oder Lageberichte aus dem Wochenbett.

Ihr wisst schon, die Themen, zu denen immer extra dazu gesagt wird, ‚dass ja sonst niemand drüber redet‘. Alter, alle reden drüber. Den ganzen Tag. In die Kamera, in Captions, in Artikeln, nonstop. Es gibt eine Million Zeitschriften, YouTube Formate, die Vermarktung der Schwangerschaft und des Gebärens ist auf einem absoluten Höhepunkt angekommen. Keine Ahnung ob das stimmt, ich schreib ja nur eine Kolumne und schulde niemandem Rechenschaft.

Erstgebärende geben Geld aus. Richtig viel Geld. Für richtig viel Scheiß. Das wird ausgenutzt. Es gibt großartige, kluge Accounts da draußen, die sicherlich die Schwangeren von heute inspirieren und begleiten können, ich werde es nur bedingt sein. Es ist wie mit Elternzeitschriften. Irgendwie kauft man die doch nur wenn man schwanger ist, oder ein kleines Kind hat, oder? Wenn überhaupt beim ersten Kind… Und dann? Dann holt man sich wieder ein Vogue Abo, weil Kerstin Weng das so gut macht. Dann geht man wieder ins Kino, guckt Serien an einem Abend durch, weil die Kinder am nächsten Morgen eh nichts wollen und trifft sich mit 30 Frauen, die sich an einem Ende des Tischs einig waren: Babythemen? Sind wir raus.

Auch interessant
Natalya: „Soziale Herkunft ist nachweislich ein Diskriminierungsmerkmal.“
#deinrecht: Wiedereinstieg
Warum Eltern allein das System nicht fixen können und gute Familienpolitik kein Nebenjob ist
Wann abstillen? – 3 Mütter, 3 Perspektiven
5 Dinge, die ich gerne vorher übers Wochenbett gewusst hätte

Newsletter Abo

„Wir sind sooooooooooo up-to-date, Schätzchen.”

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von 69e388e9.sibforms.com zu laden.

Inhalt laden

Schließen