Hauptstadtmutti

Ey meine Freundin letztens so: Ich hasse es, schwanger zu sein!

Nein, fuck, ich habe ein Bild auf Instagram von einer Schwangeren geliked. Das war’s mit meinem Feed für die nächsten Wochen. Jetzt gibt es aus Händen geformte Herzen auf prallen Bäuchen und in die Kamera gehaltene Ultraschallbilder. Und siehe da, keine 24 Stunden später schicke ich einer Freundin einen Screenshot meines ‚Entdecken-Feeds‘ und überall werdende Mütter in teils aufwendig produzierten Fotoshootings. Keine Sorge, das ist keine Hasskolumne auf Instagram-Mütter, sondern eine Nervkolumne aufs Schwangersein an sich.

Die Freundin fühlt mit mir. Hilft nichts, ich muss so schnell wie möglich Zero Waste, Backstreet Boys und Balayage Content liken, damit mein Algorithmus in eine andere Richtung arbeitet. Die Freundin sitzt neben mir und wir gucken uns #preggo, #mommytobe und #expecting an. Eine neue Welt offenbart sich, die wir beide so vor fünf Jahren noch nicht kannten. Viele der amerikanischen Insta-Moms sind zum dritten oder vierten Mal schwanger. ‚Wie machen die das?‘ fragen wir uns beide. Und natürlich: ‚Sind die wirklich so glücklich?‘ Schon klar, Instagram ist inszeniert, aber selbst für dieses Inszenieren hätte ich keine Zeit gehabt.

Meine Freundin und ich sind uns einig, unsere Schwangerschaften waren zum Kotzen und ihre zweite noch viel schlimmer als die erste. Wie sagt man so schön?

Man ist nur in der ersten Schwangerschaft schwanger.

Die zweite passiert einfach, nebenher, läuft mit. Das ist leichter gesagt als getan, wenn man bis ins dritte Trimester regelmäßig über der Kloschüssel hängt. Übelkeit und Sodbrennen, trotz kleiner Mahlzeiten, gesunder Ernährung und allen Tricks, der ständige Begleiter. Und wie erklärte Amy Schumer das in ihrem Netflix Comedy Special Growing?

What are you having? – Hemorrhoids.

Yup, auch Hämorriden. Sowie Verstopfung, Durchfall, Blähungen, Akne, Ausschlag unter den Brüsten oder Pilzinfektionen. Und das sind nur die Wehwehchen, die andere Menschen nicht sehen können. Die trägt man einfach nur mit sich rum! Spannend wird es ja dann auch, wenn man mal wirklich zunimmt, oder krasse Schwangerschaftsstreifen bekommt. Ich bin ja fest davon überzeugt, dass man cremen kann, soviel man will, entweder die Haut reißt, oder sie lässt es. Fragt mal Chrissy Teigen. Pflege ist super, aber ich habe das auch immer vergessen, und hier ist nichts gerissen, trotz 4kgPLUS Kind und riesigem Bauch.

Wenn man das erste Mal schwanger ist, dann ist das ja auch alles spannend. Bis es anstrengend wird. Bei allen Folgeschwangerschaften bleibt die Spannung vielleicht, aber halt plus andere Kinder. Kinder, die nachts ins Bett krabbeln und sich auf den Bauch legen. Oder Kinder, die alles von Ringelröteln bis Magen-Darm aus dem Kindergarten nach Hause gewechselt. Oder schon mal mit Schwangerschaftsübelkeit ne Windel gewechselt? Und gerade dann, wenn es den meisten Frauen am schlechtesten geht, im ersten Trimester, soll man niemandem was sagen. Auch nicht im Job. Hmpf.

Aber Schwangerschaft ist eine so einmalig wunderschöne Zeit!

BAHAHAHAHAHAHAHAHWAHAHAHA. Ich kenne euch, es gibt euch, die Frauen, die gerne schwanger waren, und die, ich zitiere halb Insta-Hausen, ihre Kugel vermissen. Meine Freundin schüttelt den Kopf. ‚Was vermissen die? Kein Schlaf mehr? Alle 60 Minuten aufs Klo? Krasse Rückenschmerzen sobald man mal fünf Minuten nicht auf der linken Seite liegt? Heftiges Schnaufen beim Treppensteigen? Das ist doch ein körperlicher Ausnahmezustand, die totale Extremsituation!‘

Ich stimme ihr zu. Und bevor hier die Klugen wieder ankommen: Nein, keine von uns hatte Eisenmangel, Schwangerschaftsdiabetes oder anderen Schnickschnack. Nicht mal Wassereinlagerungen. Prinzipiell kerngesunde Schwangerschaften, ohne Komplikationen entbunden und trotzdem war es ein Höllenritt.

Ja, aber am Ende wird man doch mit dem schönsten Geschenk belohnt!

Korrekt. Deshalb wird man ja in den meisten Fällen schwanger. Das wäre der Sinn einer Schwangerschaft, so an sich, dieses Kind am Ende in den Armen halten zu können. Die Freundin und ich fragen mal rum, ob wir nicht doch eine einzige Frau kennen, die tatsächlich richtig gerne schwanger war. Eine sagt uns, sie würde den Bauch schon manchmal vermissen. Für das Gefühl, die Tritte zu spüren, das wäre so magical gewesen. Und der Rest? Ja, der war scheiße. Und das mit den Tritten meinte sie auch nur für eine Zwischenphase, danach blieb ihr regelmäßig die Luft weg, wenn zum Ende hin nach oben getreten wurde.

Wir fragen die Freundin, die grad schwanger ist, worauf sie sich am meisten freut, wenn sie nicht mehr schwanger ist: Alkohol sagt sie, und auf dem Rücken liegen. Sich bücken, einfach mal irgendwas essen ohne sofort Sodbrennen zu bekommen. Die Liste ging noch weiter, aber you get the Point.

Hör auf zu jammern, seid froh, dass ihr schwanger sein durftet

Oh wir sind sehr froh und dankbar, versteht uns nicht falsch. Fehl- und Stillgeburten sind furchtbar und können unfassbar traumatisierend sein. I know. Das ändert nichts daran, dass mich dieser ‚Schwanger ist nicht krank‘ Spruch so nervt, im Namen aller Frauen, die ich kenne, die auch nicht gerne schwanger waren. Denn, irgendwie ist schwanger schlimmer als krank, weil du über einen langen Zeitraum körperliche Schmerzen auf dich nimmst, die kaum abklingen, bis zur Tag der Geburt und dich irgendwann nur noch durch deinen ohnehin schon anstrengenden Alltag schleppst.

Oder wenn es schwierig war, schwanger zu werden. Dann erwartet das ganze Umfeld auch von einem, dass man schön ruhig und selig schwanger ist. ‚Du wolltest es ja so‘ ist noch das Netteste, was Freundinnen sich anhören durften, nach Jahren von In Vitro und Hormonbehandlungen. Man darf sich also nicht beschweren, dass es einem in der Schwangerschaft schlecht geht, wenn man auf natürlichem Weg nicht schwanger werden konnte? Das ist kein Kater nach einer Ramazotti Menta Nacht.

Ich habe ja noch nicht einmal die Müdigkeit, die Erschöpfung, und ja, auch die Hormone angesprochen. Wenn ich mich an die Energie im ersten Babyjahr erinnere, wie fit ich war und immer an der frischen Luft. Nicht zu vergleichen mit der Schwangerschaft, die ich hauptsächlich mit Schlafen und Einnicken verbrachte. Sogar das 7:1 gegen Brasilien, verpennt, und wir wohnten 1 km Luftlinie vom Brandenburger Tor entfernt. Und das war nicht mal annähernd in der Nähe des ET.

Gut, dass ich Studentin war, die außer Hochzeit, Umzug und Masterarbeit nicht allzu viel zu tun hatte. Hust Hust. Meinen Werkstudentenjob habe ich gerade so noch wuppen können, aber die Vorstellung, tagtäglich schwanger im Büro zu sitzen wäre mein persönlicher Albtraum. Meine Freundin und ich sind auch fest davon überzeugt, dass es völlig legitim ist, wenn Frauen sagen, sie möchten kein weiteres Kind, weil sie keine weitere Schwangerschaft über sich ergehen lassen möchten. Auch das muss zu My Body, My Choice zählen dürfen. Schwangerschaften (und auch Geburten, nicht zu vergessen, die habe ich jetzt mal als totales Highlight außen vor gelassen) tragen immer auch ein gesundheitliches Risiko mit sich.

Aber wir sehen ja in den meisten Fällen nur das, womit wir ‚am Ende belohnt werden‘. Der Weg dahin kann für viele Frauen sehr, sehr anstrengend sein und wir sollten mal aufhören, Frauen einzureden, dass sie ‚die Zeit genießen sollen‘ nachdem sie gesagt haben, dass sie nicht gerne schwanger sind und sich beschissen fühlen.

Die Freundin schickt mir abends noch einen kurzen Clip, auf dem Kim Kardashian und Kanye West verkünden, dass sie zum vierten Mal Eltern werden. Zum zweiten Mal mithilfe einer Leihmutter, da Kim unter Präeklampsie litt. ‚Auch ne Möglichkeit‘, schreibt die Freundin. ‚Ach nee, in Deutschland nicht erlaubt, war eh klar.‘

 

Photo by Ignacio Campo on Unsplash

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