Der Masterplan war ja, aus Berlin wegzuziehen und nie wieder Besuch zu bekommen. Ich war fest davon überzeugt, dass Freunde aus der ganzen Welt und Bayern uns nur besuchten, weil wir fünf Minuten vom Hauptbahnhof und 15 von Tegel entfernt gelebt haben. (Boah, das waren noch Zeiten.)
ABER PUSTEKUCHEN!
Jetzt leben wir sehr mittig, direkt an der A2 und unweit von der A7, und Menschen, die von Berlin in den Westen, oder von Bayern in den Norden fahren, ‚müssen’ an uns vorbei. Wird also nichts mit dem Einsiedlerleben, irgendwelche gestressten Großstadtmenschen stehen hier andauernd auf der Matte und wollen Gyros Pita von der Imbissbude haben. So sei es also.
Jedenfalls hatten wir Besuch unserer wundervollen Berlin-Kita-Freunde-Familie. Die Kinder haben direkt Yoga gemacht und mit ihren Ukuleles ‚Oh, du lieber Augustin’ performt und wir haben uns ewig darüber unterhalten können, was für Helden unsere Männer sind (hust hust) und warum wir immer müde sind.
Die Freundin nennen wir jetzt mal Lala (schließlich ist sie eine Berliner Mutti) und ihre Schwester nennen wir Lola. Isa sagt, das ist zu verwirrend. Ok, also Lalas Schwester heißt jetzt Elfriede. Auf jeden Fall meinte Lala zu mir, dass sie irgendwann die Schnauze voll hatte nach fünf Tagen mit der kinderlosen Tante. Nicht, weil sie keine fantastische Tante wäre, nee nee, alles gut. Kümmert sich rührend, schenkt vernünftige aber lustige Sachen, hat einen astreinen Geschmack und überhaupt hat sie gespielt, gemalt, geholfen und ist überhaupt ein wundervoller Mensch.
Es ging um Folgendes:
„Im Februar fährt Elfriede nach Spanien. In ein Yoga Retreat Mit Schweige-Option und Fastenkur, wenn sie will. Sie kann aber auch das Intensivprogramm nehmen, und eine vegane High-Protein Kur machen.“
Wir nehmen beide die kalten Pommes des Gyrostellers und tunken sie in Zaziki, Weltklasse. Die Männer sind oben und versuchen, drei Kinder zu baden.
Ich sag zu Lala, sie könne doch mitfahren. Sie lacht laut und dreckig.
„Hast du sie noch alle? Gar nichts kann ich. Wir schaffen es gerade so, Schulkind und Kitakind zu betreuen mit den ganzen Schließzeiten. Und ich bin Lehrerin! Ich bin eh zu Hause! Und trotzdem haben wir noch keine Ahnung ob wir dieses Jahr überhaupt zu viert irgendwie in den Urlaub fahren können. Kita Schließzeiten sind komplett Schulferien unabhängig, das heißt mein Mann betreut das Kitakind in der Zeit alleine. Wie machen das angestellte Mütter?“
Keine Ahnung. Aber frag ich mich jeden Tag.
„Ach darum geht es nicht. Sollte ich jemals wieder alleine in den Urlaub fahren, dann ist es direkt in eine Destillerie oder auf ein Weingut. Ohne Sportprogramm, aber mit einem Friseur und all you can eat Sushi.“
Ich komm mit.
„Mein Problem ist einfach, ich konnte ihr einfach irgendwann nicht mehr zuhören, weil es mich nicht interessiert. Nichts aus ihrem Leben interessiert mich. Ist das nicht furchtbar? Ich bin ein beschissener Mensch. Jeden Ehestreit analysiert sie mit mir, wenn ich ihren Geburtstag vergesse, versteht sie das, als die Kinder Windpocken hatten, kam sie und hat geholfen. Und ich? Sitze da und wünsche mir, sie würde die Fresse halten.“
Ich verziehe meine eigene Fresse zu einem gekonnten Chrissy Teigen Replikat.
„Bist du neidisch, Lala?“
„Hä? Ja klar bin ich neidisch. Ich will auch, dass die Kinder mal einen Tag weg sind und der Mann auch und ich auf meinem Sofa sitze und mir einfach mal Gedanken über mein Leben mache! Und dumme Scheiße auf Netflix gucke und mir mal nur für mich alleine was koche.“
„Mach doch. Schick sie alle weg.“
„Ja, und dann vermisse ich die Vollidioten alle. Aber stimmt schon. Ich bin eine neidische Mutter, die darauf achtet, kein Mommyjacking zu betreiben und kinderlose Menschen grundsätzlich nicht mit Geschichten über meine Kinder langweilt. Ich verstehe ja auch, dass da keinen außer Oma und Opa interessiert. Mich interessiert es ja kaum, wenn mein Mann mir erzählt, was die Kinder mittags zum Essen hatten oder wer wann auf Klo war. Das ist echt nur im ersten Jahr vom ersten Kind interessant. Trotzdem. Ich bin so voll mit Informationen und Zeug und jetzt war Weihnachten und wo war Elfriede? Mit Mama auf dem Weihnachtsmarkt in München, einfach nur, weil sie da noch nie waren. Und jetzt isst sie wieder vegan, nachdem sie letztes Jahr schon zuckerfrei, glutenfrei und laktosefrei ausprobiert hat. Alkohol will sie nun auch fasten, in der Fastenzeit. Sie ist halt immer noch so krass auf der Suche nach irgendeinem Sinn.“
„Ja, aber dafür ist sie auch 25.“
„Ja. Dafür ist sie 25. Mit 25 war ich schwanger. Da war ich wenigstens auch alkoholfrei. Erleuchtung hat mir das auch nicht gebracht.“
Die Pommes sind alle und die Kinder sind ruhig. Entweder sie gucken jetzt einen Film mit den Papas oder alle schlafen.
„Lass uns irgendeinen Kack auf Netflix gucken und noch ne Flasche aufmachen. Den Sinn des Lebens können wir dann auch noch suchen, wenn die Kinder nichts mehr mit uns zu tun haben wollen.“