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Kjona Verlag: „Das Kulturgut Buch wird derzeit zum Wegwerfprodukt“

Es gibt einen neuen Verlag, der vielles besser machen möchte. Gegründet wurde der Kjona Verlag von Lars Claßen und Flo Keck. Was sie vorhaben, erzählen sie euch am besten selbst.

Wie würdet ihr den Kjona Verlag in einem Satz beschreiben?
Kjona steht für verantwortungsvolles literarisches Verlegen: nachhaltig, neugierig, unabhängig. 

Was zeichnet euer Programm aus?
Ob originelle und emotional intensive Erzählstoffe oder augenöffnende gesellschaftliche Analysen – wir wollen mit Kjona Bücher in die Welt bringen, die uns berühren und die die Kraft haben, etwas zu verändern. Ein Programm mit Charakter: klein, aber fein.

Exklusiv, aber nicht elitär.

Anspruchsvoll, aber nicht abgehoben. Für die Auswahl unserer Bücher nehmen wir uns viel Zeit. Wir kuratieren unser Programm nicht mit Blick auf die schnellen Hypes von heute. Wir investieren in langfristige Beziehungen und fördern Autor:innen mit Werken, die auch morgen noch aussagekräftig sind und Orientierung geben können.

Mit welcher Motivation habt ihr den Verlag ins Leben gerufen?
Kjona soll der Verlag sein, den wir uns als Leser gewünscht hätten. Ein Verlag, der Bücher liebt und sie rundum nachhaltig produziert.

Mit 70.000 Neuerscheinungen pro Jahr schrumpfen die Verlage das Kulturgut Buch derzeit zum Wegwerfprodukt. Gegen diesen Trend soll Kjona für die Reduktion aufs Wesentliche stehen. Wir lieben Bücher als Medium der Entschleunigung, Empathiebildung und Aufklärung. Für uns als Leser ist das wahnsinnig wertvoll: Dieses ganz besondere Erlebnis, ganz nah bei sich sein zu können und dabei gleichzeitig in eine komplett andere Gefühls- oder Gedankenwelt einzutauchen.

Gleichzeitig sind Bücher aber mehr als nur ihr Inhalt.

Man denkt das nicht, aber die Lacke auf Schutzumschlägen, die Klebstoffe in den Bindungen, die Sonderfarben auf Mineralölbasis, all diese Dinge enthalten Schadstoffe. Das Buch ist eben nicht einfach von sich aus ein klimafreundliches Medium. Aber als Verlag haben wir es in der Hand, es dazu zu machen. Wir sehen das so: Wo die Problemstellungen groß und zahlreich sind, gibt es ebenso viele Möglichkeiten, die Dinge zum Besseren zu wenden. Mit Kjona wollen wir unseren Teil dazu beitragen. 

Wieso liegt Ihnen das Thema Nachhaltigkeit so am Herzen?
Wenn wir unsere beiden Familien zusammenwürfeln, haben wir fünf Kinder und die sind unsere größte Inspiration. Was wir tun, tun wir für sie – auch als Unternehmer. Es gibt so viele Möglichkeiten für Unternehmen, Gutes zu tun und gemeinsam dafür zu sorgen, dass unsere Welt, die so schön und so reich an Geschichten ist, für unsere Kinder und Kindeskinder erhalten bleibt. Für Kjona ist dies das oberste Ziel unseres Handelns, bei uns stehen Mensch und Gemeinwohl im Mittelpunkt, nicht der Profit. Das heißt nicht, dass Profit uns nicht wichtig wäre. Aber wer bei begrenzten Ressourcen ausschließlich auf Wachstum setzt, arbeitet auf sein eigenes Ende hin und nimmt im Wettbewerb auch das Ende anderer in Kauf. 

Ihr produziert alle Bücher im Cradle to Cradle-Verfahren. Was genau bedeutet das?
Das bedeutet, dass wir im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren für unsere Bücher aus-schließlich Materialien verwenden, die rückstandsfrei recyclebar und alterungsbeständig sind. Cradle to Cradle steht für eine konsequente Kreislaufwirtschaft. Alle eingesetzten Rohstoffe können an ihrem Lebensende wieder vollständig in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden.

Die Vision dahinter: eine Welt ohne Abfall.

Das Cradle to Cradle-Zertifikat verweist zudem auf den verantwortungsvollen Umgang mit Wasser und auf faire Arbeitsbedingungen in der Produktion. Am Firmenstandort unserer Partnerdruckerei Gugler wird die Abwärme der Druckmaschinen zum Heizen genutzt und mit einer Photovoltaikanlage Strom erzeugt. Alle CO2-Emissionen, die dennoch beim Druckprozess entstehen, werden zu 110 % kompensiert. 

Auch andere Verlage versuchen, nachhaltigere Wege einzuschlagen und investieren etwa in Klimaneutralität. Inwiefern unterscheidet sich euer Nachhaltigkeitskonzept von dem anderer Verlage? 
Klimaneutralität anzustreben, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings ist der Begriff irreführend, weil er so tut, als würde man keinen Schaden anrichten. Tatsächlich versucht man den angerichteten Schaden aber lediglich durch den Kauf von Klimaäquivalenten zu kompensieren. Unser Weg ist ein anderer. Vielleicht könnte man es so sagen: Zurzeit stellen sich viele Unternehmen die Frage, wie sie einen rein ökonomischen Betrieb möglichst nachhaltig gestalten können. Unsere Aufgabenstellung lautete umgekehrt, einen konsequent nachhaltigen Verlag wirtschaftlich tragfähig zu machen. Den Beweis, dass uns dies gelungen ist, treten wir als Neugründung natürlich erst noch an. Wir freuen uns darauf!

Gibt es neben der Produktion denn noch weitere Bereiche, in denen ihr nachhaltig handelt? 
Die ökologische Nachhaltigkeit reicht bei uns vom Kleinen bis ins Große. Unsere Laptops und Handys sind refurbished; wir nutzen für unser Webhosting die Server von Biohost, die ein eigenes grünes Rechenzentrum betreiben; unsere Bankangelegenheiten wickeln wir über die GLS ab, eine ethische Bank, die ausschließlich in öko-soziale Projekte investiert, und noch vieles mehr. Das ist doch das Schöne: Dass es inzwischen für nahezu alle Geschäftsbereiche nachhaltige Anbieter:innen gibt.

Ebenso wichtig ist für uns die soziale Nachhaltigkeit: Beispielsweise erhalten unsere Autor:innen unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Bekanntheitsgrad die gleiche Beteiligung, nämlich im Hardcover 12 % ab dem ersten Exemplar – das liegt deutlich über dem Branchenstandard. Manche meinen: Wer seine Preise und Konditionen transparent macht, nimmt einen Wettbewerbsnachteil in Kauf. Wir meinen: Wenn andernorts Autor:innen wegen uns fairer beteiligt werden, sind wir unserem Ziel ein gutes Stück näher gekommen. 

Wir verstehen Nachhaltigkeit als Prozess.

Als junges Verlagsunternehmen sind wir weder vom Fleck weg perfekt noch frei von inneren Widersprüchen. Um nur eines von zahlreichen Beispielen zu nennen: Wir haben keine Ahnung, wo eigentlich die Server stehen, auf denen die E-Books dieser Welt bevorratet werden. Wem sie gehören, wie sie mit Strom versorgt und gekühlt werden. Wir können diese Fragen noch nicht beantworten und trotzdem bieten wir unsere Bücher auch als E-Books an. Wir haben uns entschieden, diese Widersprüchlichkeit auszuhalten und uns neugierig und offen auf die Suche nach für uns gangbaren Wegen zu machen. 

Spiegelt sich der ökologische und soziale Nachhaltigkeits-Anspruch auch inhaltlich in eurem Programm?
Wir meinen, es spiegelt sich in der Art wider, wie wir Programm machen. Wir zielen nicht auf kurzfristige Trends, sondern machen Bücher, die langfristig Bestand haben. Auch das ist für uns eine Frage der Nachhaltigkeit. 

Angesichts des Papier- und Rohstoffmangels sowie steigender Transport- und Energiekosten einen Verlag zu gründen, scheint auf den ersten Blick ein wenig wagemutig. Was lässt euch zuversichtlich in die Zukunft schauen?
Zum einen hat sich das Buch in der Pandemie als krisenfest erwiesen. Zum anderen sind Klimaschutz und soziale Verantwortung für immer mehr Menschen und Leser:innen derart wichtig, dass es sie in ihren Kaufentscheidungen positiv beeinflusst. Dieses Bedürfnis wollen wir mit Kjona nachhaltig befriedigen und so gemeinsam mit unseren Autor:innen und unseren Leser:innen darauf hinwirken, dass unsere Welt in ihrer Schönheit erhalten bleibt.

Foto Credit Nina Rühr

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