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Lena: „Es sei ‚mega satanisch‘, dass ich als Frau Pfarrerin bin“

Viele kennen Lena Müller als @metablabla, dort zeigt sie alles, was zu ihrem Leben als feministische Pfarrerin dazugehört – auch ihre Outfits. Auf sie aufmerksam bin ich allerdings durch ein Gewinnspiel geworden. Es lohnt sich also, bei so etwas mitzumachen! Ich musste ihr prompt folgen und schaue seitdem immer mal wieder, was sich in ihrem Leben so tut. Und das ist einiges! Vielen Dank Lena, dass du mitgemacht hast.

Ich bin evangelische Pfarrerin. Ich arbeite in einer inklusiven Gemeinde in Berlin-Neukölln und im geistlichen Startup „Spirit & Soul“. Dort entwickeln wir neue spirituelle Formate, auch für junge Erwachsene. In meinem Beruf begegne ich Menschen in ganz unterschiedlichen Lebensphasen und kann mit ihnen über das, was sie bewegt, ins Gespräch kommen – ohne alle Antworten zu wissen.

Mein Berufsalltag ist sehr abwechslungsreich: Ich halte natürlich (feministische!) Gottesdienste, bin für Menschen in Krisensituation da, beerdige und begleite die Angehörigen beim Abschied, besuche Kinder in der Kita und erzähle ihnen Geschichten, aber ich organisiere auch antirassistische Lesungen, digitale Formate zum spirituellen Austausch oder feministische Workshops. Auf meinem Instagramaccount @metablabla nehme ich meine Follower_innen mit durch diesen bunten Mix und schreibe Aufklärungsposts über Feminismus, Inklusion und Antirassimus. In letzter Zeit erzähle ich auch mehr von meiner Endometriose, weil diese Krankheit viel mehr Aufmerksamkeit braucht.

Lena Müller

Was macht dich gerade glücklich?
Dass ich nach langer Krankheitspause wieder in meinen Beruf einsteigen kann. Ich liebe ihn wirklich sehr.

Was macht dich gerade wütend?
Dass die Endometrioseforschung so vernachlässigt und unterfinanziert ist, was dazu führt, dass so viele Frauen und Menschen mit Uterus ewig auf ihre Diagnose warten, furchtbare Schmerzen aushalten und sich dazu noch blöde Kommentare anhören müssen. Dass man*, selbst wenn man* die Diagnose hat, immer noch so für seine Rechte kämpfen muss und viele Medikamente und Behandlungen selbst zahlen muss.

Hast du einen Lieblingsort mit/ohne Kind auf der Welt?
Die „Casa Azul“, also das blaue Haus von Frida Kahlo in Mexiko City. Ein wunderschöner inspirierender Ort. Frida Kahlos Kunst hat mir auch durch meine Krankheitsphase sehr geholfen.

Hast du einen Lieblingsort mit/ohne Kind in deiner Stadt?
Ich liebe die sogenannte Startbahn, also die Genezarethkirche hier am Herrfurthplatz. Manchmal ist es hier sehr ruhig, ein paar Menschen sitzen mitten in der Kirche auf dem rosa Flauschteppich und denken nach, beten, meditieren. Und dann ist es ganz wuselig: Ein Kochkollektiv kocht mit geretteten Lebensmitteln, ein queerer Chor probt gemeinsam mit ukrainischen Geflüchteten, Pfarrerinnen bereiten eine Taufe im Planschbecken vor. Und dann kommen alle an einer großen Tafel zusammen, essen das frisch gekochte Essen und reden über G*tt und die Welt.

Als stylischer Mensch kann ich nicht leben ohne…
Farben und Muster. Ich liebe es bunt und exzentrisch.

Worauf würdest du zehn Jahre sparen?
Ich glaube, dafür bin ich zu sparsam. Ich würde eher 10 Jahre bei Vinted aufpassen, bis das Teil meiner Träume zum Schnäppchenpreis eingestellt wird.

Welches Kleidungsstück deiner Eltern hat dich geprägt?
Die Oilily-Pullis meiner Mutter und die Tierkrawatten meines Vaters. Noch heute liebe ich es, wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin, im knallbunten Kleiderschrank meiner Mutter zu stöbern und mir etwas auszuleihen oder „auszuleihen“.

Welches Kleidungsstück aus deiner Kindheit hättest du gerne noch?
Mein Taufkleid. Es war auch von Oilily, rosa mit vielen bunten Blumen und Bienen, dazu eine passende Bluse. Würde ich heute noch so tragen.

Welches Kleidungsstück aus deiner Jugend hast du noch?
Da habe ich noch ziemlich viel, weil es immer noch passt. Den Rock, den ich zu meiner Konfirmation trug, mein Abiballkleid, aber auch mein Chorshirt – Letzteres ist zwar hässlich, aber den Chor habe ich geliebt.

Welches Kleidungsstück hast du wahrscheinlich am Längsten?
Ein Sommerkleid mit Blumenmuster – seit der 5. Klasse.

Welches Kleidungsstück hast du dir zuletzt gekauft?
Einen Leopardenrolli mit tiefem Rückenausschnitt. Ich habe von meiner letzten OP eine große Rückennarbe davongetragen, die ich nicht mehr verstecken will. Ich stehe dazu, wer ich bin.

Worin willst du begraben werden?
In einem bunten Maxikleid, vielleicht eins von Farm Rio, meiner Lieblingsmarke.

Was geht jeden Tag?
Träger-/Latzkleid, gemustertes Longsleeve oder Bluse und Strumpfhose. Darüber gerne noch eine Strickjacke im Mustermix.

Liebe Lena, was genau hast du an?
Mit meinem Outfit will ich ein bisschen Staub in Kirche aufwedeln und zeigen, wie Pfarrer_insein heute aussehen kann. Wenn mich Menschen analog oder digital kennen lernen, sind ganz viele positiv überrascht, dass „so jemand“ Pfarrerin ist.

Den blauen Mantel habe ich mit meiner Mutter in einem Schöneberger Secondhandladen gekauft – ich liebe kobaltblau. Blau steht in der Kirche übrigens für Himmlisches/Göttliches, deshalb ist Maria in der Kunst meist in Blau gehüllt.

Diesen Kragen, den ich da trage, nennt man Kollarkragen. Er ist ein Erkennungszeichen von Geistlichen, vor allem um zu signalisieren, dass man* für Seelsorge ansprechbar ist. Viele verbinden diesen Kragen nur mit Männern, nennen ihn „Priesterkragen“. Mir ist aber wichtig zu zeigen, dass ich natürlich als Frau Pfarrerin sein kann und dafür genauso qualifiziert bin wie ein Mann. (Ich habe neulich erst wieder eine Hassnachricht gekriegt, in der stand, es sei „mega satanisch“, dass ich als Frau Pfarrerin sei.) Der Markt für Collarblusen und -shirts für Frauen ist leider sehr klein, fast alles ist schwarz und teuer, und secondhand findet man* sowieso nichts. Deshalb kaufe ich mir Shirts oder Blusen auf Vinted oder Flohmärkten – hier ein Leoshirt von reserved – und arbeite die Krägen selbst um. Den Einsteckkragen hat mir ein lieber Kollege geschenkt. Wenn man* sieht, dass es selbstgemacht ist, stört mich das nicht, ich stehe zu meiner „Gurkigkeit“ und komme gerne darüber ins Gespräch, warum und wie ich diese Oberteile bastle.

Den pinken Rock (H&M) habe ich mir auch auf Vinted gekauft, nachdem ich Ninia LaGrandes neongelben Tüllrock so geil fand und ihr Reel damit nachstellen wollte. Als ich den Rock auf einer beruflichen Veranstaltung (einer antirassistischen Lesung, die ich moderierte) trug, beurteilte ein Teilnehmer ungefragt mein Outfit, schrieb, dass das unpassend sei, dass ich darin „mädchenhaft“ und „naiv“ wirke. Ich trage den Rock weiter – auch im beruflichen Kontext. Ich lasse mir doch nicht von irgendwelchen Männern vorschreiben, was ich anzuziehen habe, und ich bin auch in einem pinken Rock eine stolze kompetente Frau. Wenn mann eine Frau im pinken Rock nicht ernstnehmen kann, liegt das Problem nicht bei der pink gekleideten Frau.

Die Plateausneaker sind von Superga, ein cooles Geschenk von meiner Schwester. Wir tauschen uns sehr gerne über Mode aus. Die Brille stammt von einer amerikanischen Optikerin, die exzentrische Restpostengestelle aufkauft.

Den Äffchenring habe ich in Chicago geschenkt bekommen. Irgendein Tier muss eigentlich immer bei meinen Outfits dabeisein. Ich habe auch noch ein sehr kitschiges Jesusarmband an, das ich mit anderen Endometriosepatientinnen im Krankenhaus aufgefädelt habe. Das kann man* glaube ich auf den Fotos nicht erkennen, aber es (oder er) war dabei und ist mir wichtig.

Alle Fotos: ©KaiSenf 

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