Hauptstadtmutti

Ninia, warum starren die Deutschen so?

Ninia LaGrande ist die Queen of Outfits und Meisterin der Worte. Die professionellste Moderatorin, die ich kenne, und die beste, die ich erleben durfte. Ich kenne sie als riesigen Football Fan (und auch hier Expertin mit eigenem Podcast) und mir vollkommen unklar warum, Menschen, der gerne Urlaub in Campern macht. Letztens war sie in London unterwegs und schrieb ungefähr Folgendes: „Niemand guckt mich an, es ist toll.“ Eventuell hat sie danach auch ihren Hass für das Verhalten unserer Mitmenschen in diesem Land ausgedrückt, aber nur eventuell. Ich dachte mir, es kann nicht schaden, wenn wir mal kurz über das Thema sprechen, damit ihr auch über das Thema nachdenkt.

Als ich mit 16 Jahren zum ersten Mal in den USA war, hörte ich immer wieder den Satz ‚Don’t stare, it’s rude‘. Bis heute ist es das, was US-amerikanischem Besuch als Erstes an Deutschland auffällt: die Menschen starren. Warum?
Vermutlich, weil wir es nie verlernt haben und zum größten Teil nicht einmal selbst merken. Es gibt ja auch immer noch einen Unterschied zwischen: Ich schaue hin und registriere eine Auffälligkeit – oder: ich starre. In den USA, Kanada oder Großbritannien hatte ich immer das Gefühl, sie schaffen den Schritt von registrieren und freundlich lächeln besser als in Deutschland. Hier wird registriert und dann gestarrt, während das Gehirn auf eine Art buffert und versucht, einzuordnen – ich kann dieses Rädchen auf der Stirn fast sehen. Leute in Deutschland sind oft einfach unfreundlich, gewollt oder nicht.

Ist Starren deutsch?
Ja. Nicht nur, aber ja. Ich bin in anderen Ländern nur als Touristin unterwegs, deshalb kann ich es nicht im Alltag beurteilen. Aber aus meiner Erfahrung – und die bestätigt sich in Gesprächen mit behinderten Freund*innen – starren die Leute nirgends mehr als in Deutschland. Altersunabhängig. Es fällt mir besonders auf, wenn ich längere Zeit im Ausland unterwegs war und mich dort einerseits frage, was gerade anders ist und zurück zuhause umso mehr merke, wie ich angeschaut werde. Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, dass Leute starren, dass es mir selbst oft erst wieder dann wieder auffällt, dafür aber direkt mit dem Holzhammer.

Wie fühlt es sich für dich, angestarrt zu werden?
Es strengt mich an. Es ist unangenehm. Ich kann nicht weg – manchmal versuche ich der Situation zu entkommen, in dem ich mich hinter anderen oder einer Säule, Auto whatever „verstecke“ :D. Manchmal starre ich einfach lange lächelnd zurück. Leider verstehen das manche auch noch als Gesprächseinladung. Mir wird in dieser Situation einfach sehr deutlich gezeigt: Du gehörst nicht dazu.

Gibt es verschiedene Arten zu starren?
Ja, na klar. Von einfach sehr lange verständnislos schauen bis verfolgen ist alles dabei… 

Sollten wir Kindern sagen, dass es unhöflich ist?
Für mich geht’s nicht darum, dass es unhöflich ist. Es ist einfach nicht notwendig. Wenn mein Kind starrt, frage ich, warum es das tut. Und dann kommt ja in der Regel eine Antwort, dass das Gesehene nicht eingeordnet werden kann. Man muss aber auch nicht alles einordnen. Schau kurz hin, aha, und dann ist gut. Dann kann mein Kind immer noch fragen, was los ist – mich, nicht die angestarrte Person. Und ich erkläre, was ich erklären kann. Und das muss reichen. Ich muss nicht alles und jeden durchdeklinieren bis alle zufrieden sind. Es ist mehr eine Grenzüberschreitung als reine Unhöflichkeit.

Wikipedia sagt: „Längeres Starren ist für das Auge aus mehreren Gründen nachteilig: Es kann zu trocken werden, der natürliche Nystagmus (unmerkliches Augenzittern) wird behindert und die Beweglichkeit der Augenmuskeln kann abnehmen. Für wenige Sekunden auf ein genau fixiertes Ziel zu starren ist hingegen normal und stellt auch eine gezielte Übung der Augengymnastik dar.“ Was sagst du dazu?
Hört auf zu starren, ist gesünder. Für alle Beteiligten.

Danke, liebe Ninia.

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