Man bekommt ja so viel zurück

Sag mal, Marlene Hellene…Müdigkeit?

Sag mal, Marlene Hellene, mein Mann und ich sind Eltern von sechsmonatigen Zwillingsbabys. Die beiden sind zuckersüß und ich liebe sie sehr, aber ich muss nachts alle 90 Minuten eines der Babys füttern und die Müdigkeit bringt mich um. Hast Du einen Tipp, wie das besser wird? Liebe Grüße von Sara.

Liebe Sara,

im US-amerikanischen Gefangenenlager der Guantanamo Bay Naval Base wurde systematischer Schlafentzug als Foltermethode eingesetzt, um Gefangene zu Aussagen zu zwingen. Bevor sie ins Verhör mussten, wurde ihre Schlafenszeit über Wochen verkürzt, verschoben und unterbrochen. Also, was genau wollen Ihre Zwillinge denn so dringend von Ihnen wissen, dass Sie sich weigern preiszugeben? Haha, lustig! Nicht? Okay, ich verstehe.

Sie haben keine Lust auf Witze. Sie sind müde. Sehr müde. Sehr sehr müde. Und das vollkommen zurecht. Würde es einen ersten Platz im müde sein geben, würden Sie ihn verdienen. Samt Pokal und Blumengebinde. Alle 90 Minuten geweckt zu werden kommt der Hölle gleich. Und dabei spielt es keine Rolle wie zuckersüß der Teufel ist. 

Bei einer Geiselnahme, und ich finde Ihr nächtliches Dasein kommt dem einer Geisel sehr ähnlich, ist die oberste Prämisse, es nicht zur Eskalation kommen zu lassen. Es gilt, Ruhe zu bewahren und in vernünftigem Ton zu verhandeln. Geduld und Kompromissbereitschaft sind die Zauberwörter. VERGESSEN SIE DAS!

Oh, du Müdigkeit!

Damit ist jetzt sofort Schluss! Schreien Sie. Toben Sie. Werfen Sie mit Kissen und mittelharten Gegenständen. Jetzt gucken Sie doch nicht so entsetzt. Natürlich sollen Sie nicht die Babys anschreien und bewerfen. Die hungrigen Würmchen können ja nichts dafür, dass ihr Vater so eine Schnarchnase ist, der sich offenbar nicht um die nächtliche Bedürfnisbefriedigung von Frau und Kindern schert. Sie machen heute Nacht Folgendes, liebe Sara: Sie reichen Ihrem Mann ein Bärchenpflaster für seine Platzwunde, nachdem Sie Sophie la Giraffe auf ihn gepfeffert haben, schnappen sich im Gegenzug seine Kreditkarte und verschwinden für die nächsten 48 Stunden in ein Hotel mit Kingsize Betten und exklusiven Seidenlaken.

Dort schlafen Sie sich so richtig aus, gönnen sich zwischendurch ein Schaumbad und eine Familienpizza mit doppelt Käse und erholen sich mal so richtig. Während ihrer Abwesenheit wird Ihr Mann viel über seine Kinder, das Zubereiten von Säuglingsnahrung und Respekt vor Ihnen lernen. Und wenn Sie wieder zurück sind, rosig, ausgeschlafen und mit glänzender Laune setzen Sie sich zusammen und entwerfen einen verbindlichen Plan, wie Sie zukünftige Nachtschichten gerecht verteilen. Ich komme  und kontrolliere das. Ach, und Ihr Mann sollte dann zu seiner eigenen Sicherheit lieber einen Helm tragen.

Über die Autorin
Marlene Hellene, geboren 1979, begeistert auf Twitter und Instagram mit ihren Texten und Tweets.Texte der Autorin erscheinen u. a. in der Süddeutschen Zeitung und regelmäßig in der Brigitte Mom. Ihre Bücher „Man bekommt ja so viel zurück“ (Rowohlt) und „Zu groß für die Babyklappe“ (Rowohlt) waren Bestseller. Zuletzt erschien „Bauchfrei – Ein Plädoyer für eine selbstbestimmte Schwangerschaft“ (Rowohlt). Hier geht zu ihrem Rowohlt-Autorinnenprofil. Sie lebt mit ihrer Familie in Karlsruhe.

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