Hauptstadtmutti

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Wie ihr verhindern könnt, dass euer Kind so wird wie Kollegah

Da schickt die Isa mir einen Link vom Missy Magazin und ich lese nur: Kollegah. Neeeeeiiiiiiijeeeeen, nicht das schon wieder. Ich bin ja mehr so weniger im Bilde, was Deutschrap, oder deutscher Gangsta Rap im Speziellen angeht, aber die Kollegah Sache habe auch ich mitbekommen und prinzipiell würde ich mich eher so Richtung Kendrick Lamar und Beyoncés Ehemann orientieren. Kollegah. Gut. Was ist denn jetzt schon wieder.

Ein Buch hat er geschrieben, oder Self-Help-Guide. Mein Mann fragt mich, was ich da schreiben tue, er hätte Kollegah gelesen. Man muss dazu sagen, mein Mann hört diese Musik völlig unironisch. Er ist kein Bayern Fan, man muss also dafür anderes in Kauf nehmen. ‚Ja, der hat ein Buch geschrieben, irgendwas über …‘ -‚ALPHAAAAAA‘, schreit der Mann begeistert. ‚Hier, hömma.‘ Jetzt höre ich also zu. Ich denke ja bei diesen Liedern immer, dass gleich Will Smith kommt, und die Welt rettet, das Sinfonie-Untergangs-Lala im Background ist schon sehr Hollywood.

Und dann also die Verheißung: Du fühlst dich wie ein Niemand, alles ist doof (das sind die Leute, die diese Schaf-Scheiße im NanuNana kaufen), und die Lösung ist Welt ficken. Bis das Feuer glänzt in deinen Augen…geht es hier um Drogen? Schatz, wie nennen die jungen Leute heutzutage Crystal Meth? Weiß er nicht, er ist noch älter. Ach, metaphorisch, ok. Nun denn. Es gibt auch stark motivierende Teile, das ist doch schön, der Mann hört das ja auch hauptsächlich im Fitnessstudio. Personally gefällt mir nach wie vor Survivor von Destiny’s Child besser, da wurde meiner Meinung nach alles gesagt zum Thema Weitermachen und Kämpfen, aber wenn die Jungs die Idee für das Lied hatten, was soll’s.

Öh und dann, Bruderschaft, blutsverwandt, Armee, Loyalität, Werte, uhm, ok. Ich beschäftige mich sehr viel mit toxischer Maskulinität, für das Buch, das ich schreibe, aber auch, um zu verstehen, was wir da eigentlich mit unseren Jungs in unserer Gesellschaft machen. Denkt immer dran, wenn ein Mädchen eine Hose anzieht und mit Autos spielen will, dann kann sie das prinzipiell, es wird ihr nur irgendein Horst ein pinkes Auto schenken und die Hose könnte glitzern, aber prinzipiell, prinzipiell, ist es kein big deal, wenn Mädchen ’sich mit Jungensachen beschäftigen‘. Aber zieht einem Jungen ein Kleid an, lackiert ihm die Fußnägel und drückt ihm ne Puppe in die Hand, und alles ist vorbei. Dann wird auch mal gerne besorgt auf der Straße nachgefragt, ob es denn jetzt ein Junge oder ein Mädchen wäre. Ich schweife ab.

Kollegah. Hat ein Buch geschrieben. Und Missy einen tollen Artikel dazu. Da waren wir. Ich habe mich dann geweigert, auch darüber zu schreiben, weil ich Menschen wie meinen Mann, die vorher nicht wussten, dass es dieses Buch käuflich zu erwerben gibt, ermutigen möchte, es käuflich zu erwerben.

Aber, ich gebe euch jetzt Tipps, weil ich so fucking klug bin, was ihr machen könnt, damit euer Kind nicht so wird wie Kollegah. Oder halt nicht solche Bücher schreibt wie Kollegah:

The Mask You Live In gucken

Vielleicht reicht es wirklich, einfach diese Doku von Jennifer Newsom zu gucken.

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Der zeigt euch schon sehr gut, dass wir unseren Jungs und Männern furchtbare Lektionen erteilen und Botschaften vermitteln. Lasst eure Jungs weinen. Suizidraten bei Männern sind dreimal so hoch wie bei Frauen.

Nanette gucken

Das Comedy Special hat 2018 viele Menschen bewegt. Ich habe es dreimal geguckt. Es ist so gut. Und es geht auch um Gewalt, um Macht und darum, wie wir die Identität unserer Kinder respektieren lernen können.

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Auf Lisa Ludwig hören

Die wirklich unfassbar schöne Chefredakteurin von Broadly, Lisa Ludwig, hat da mal letztens was Feines geschrieben. In dem Artikel geht es um ihre Liebe zum Deutschrap und wie sie trotzdem Feministin wurde. Die meisten von uns achten darauf, welche Wörter wir vor den Kindern benutzen, aber achten wir auch drauf, wie wir vor den Kindern sprechen? Zählen wir Kalorien? Lästern wir über andere Eltern? Gucken wir Trash TV und erheben uns selbst über die Menschen, die dort portraitiert werden? (Wer mir außerdem erklären, kann was zur Hölle Pesto Schnaps ist, dem sei gedankt.)

Diesen Artikel von Alina Hoppe lesen

Und zwar den hier. Vielleicht hilft uns das, auch mal einen Schritt zurückzutreten und manche Texte anders zu betrachten.

Grundsätzlich ging es mir auch nie um den sprachlichen Duktus, mit dem die Rapper arbeiten, sondern vielmehr um die Dramaturgie des Ganzen. Die Art und Weise, wie Menschen ihre Geschichten mit der Welt teilen: Geschwindigkeit, Rhythmus und Melodie.

Studien zu Geschlechterklischees lesen und durchatmen

Immer, wenn ich glaube, ich habe etwas Sinnloses studiert, kommt jemand und sagt etwas Unsinniges über das amerikanische Wahlsystem, die Gründerväter oder warum die Menschen dort ihre Waffen oder/und Jesus so lieb haben. Dann kann ich erklären und mich auf wissenschaftliche Studien, Artikel und Recherche stützen. Das hilft in einer Welt von roten Käppis, vor allen Dingen zu wissen, welche Strukturen und Machtsysteme so etwas gefördert haben.

Wenn also demnächst jemand ankommt und sagt, dass Kollegah oder andere Menschen, die sich ähnlich gebären, ja nur die Biologie von Männern und Frauen widerspiegeln, dann bombardiert sie mit folgenden Infos:

Die Ergebnisse dieser Studie haben ergeben, dass Kinder durch verschiedene Einflüsse (seien es Eltern, Altersgenossen oder die Werbung) im jungen Alter schon auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern gepolt werden und somit auch unterbewusst einschätzen, was sie in Abhängigkeit von ihrem Geschlecht können/nicht können und dürfen/nicht dürfen. Dies schränkt Kinder ein und verwehrt ihnen die Möglichkeit, ihre Potenziale voll auszuschöpfen. Weitreichende Konsequenzen sind die Folge – von einer veränderten Selbstwahrnehmung von Mädchen, Frauenmangel in technischen Berufen über den Gender Pay Gap von 21% bis hin zu Depressionen bei Jungen. Experten belegen sogar, dass Geschlechterklischees unter Kindern innerhalb der letzten 10-20 Jahre zugenommen haben. 

Seit gut 10 Jahren nimmt die geschlechtliche Zuordnung von Spielzeug, von Interessen und Verhaltensweisen wieder zu. Es gibt einige Hersteller*innen, die in der Nische ihren Platz gefunden haben, und Produkte „für Kinder“ anbieten, aber der Mainstream sitzt tief in der Rosa-Hellblau-Falle. Wir dachten selbst, das sei nur ein subjektiver Eindruck, denn eigentlich „sind wir doch heute längst weiter“, so die mehrheitliche Meinung. Aber […} Kinder wachsen heute unter einem von Medien und Werbung unterstützten Normierungsdruck auf, den heutige Erwachsene so nie kennengelernt haben. Deshalb unterschätzen die meisten auch ihren eigenen Einfluss und sind überzeugt, Kindern die Wahl zu lassen”, gibt Almut Schnerring, Autorin „Die Rosa-Hellblau-Falle. Für eine Kindheit ohne Rollenklischees”, zu bedenken.

Alle befragten Experten sind sich einig, dass sich zukünftig etwas ändern muss, um starren Rollenbildern entgegenzuwirken.

(Dr. Barbara Stiegler, Diplompsychologin & Diplompädagogin, Sandra Rexhausen, Geschäftsführerin Coding Kids, Prof. Dr. Maureen Maisha Auma, Professorin für Kindheit und Differenz (Diversity Studies) oder auch Prof. Dr. Tim Rohrmann, Professor für Bildung und Entwicklung im Kindesalter an der Evangelischen Hochschule Dresden)

Ins Kino gehen

Und den Hape Kerkeling Film gucken. Der Junge muss mal an die frische Luft. Ich bin vielleicht der eine Mensch gewesen, der vorher nichts wusste über den Film oder das Buch und deshalb mal endlich wieder unvorbereitet im Kino saß. Zusammen mit einem ganzen Altenheim, glaub ich. Zumindest viele Senior*innen, die wahrscheinlich dem Hape seine Karriere (Is Absicht, weil Ruhrpott) von Anfang an mitverfolgt haben.

Da ich nichts Spoilern will für die anderen drei Menschen da draußen, die nichts wissen, will ich nur sagen: Es gibt zwei Großmütter in dem Film, die Ommas (ebenfalls Absicht) vom Hape, die ihn bedingungslos unterstützen und lieben. Hape möchte als Prinzessin Karneval feiern? Bitteschön. Hape möchte Schlager singen und performen in der Küche? Bitteschön. Sie unterstützen ihn aber nicht nur, in dem sie ihm ’so etwas‘ nicht verbieten. Nein. Sie sagen ihm, immer und immer wieder, dass alles, was ihn glücklich macht, in Ordnung ist. Dass er sich verkleiden kann, wie er möchte, und dass er geliebt wird. Die wichtigste Lektion: Er soll nicht darauf Acht geben, was die Leute reden. Chapeau.

Ja, die Werbung von Gillette feiern.

Den Clip, über den gerade alle sprechen, finden wir gut. Weil darin toxische Maskulinität angeprangert wird, und nicht Männer an sich.

Dieses Buch bestellen, wenn euch das Thema interessiert:

Zu guter Letzt: Lasst das Kind einfach Kind sein

Lasst ihn heulen, lasst sie klettern, lasst ihn sich schminken, lasst sie ihre langen Haare abschneiden. Vielleicht lehne ich mich weit aus dem Fenster, aber lasst die Kinder sich wie Kinder anziehen. Lasst sie ihre Klamotten selber aussuchen, zwingt ihnen keine Outfits auf (außer an Weihnachten das Pinguinkostüm) und lasst sie wütend sein. Jungen und Mädchen. Wut ist auch eine wichtige Emotion. Lasst sie traurig sein, egal wie dramatisch es euch vorkommt. Und, um Gottes Willen, weil gerade erst erlebt: LASST JUNGS MALEN! Lasst sie malen und Bücher lesen und kommentiert nicht jeden Furz eurer Kinder damit, ob sie sich jetzt dreckig gemacht haben, oder ob die Aktivität männlich genug ist.

Und das kommt ganz persönlich von mir: Hört auf Babies und Kleinkindern Undercuts zu geben. Es ist creepy. (Das Gleiche gilt für weibliche Babys mit Glitzer Blumen Haarbändern auf ihren Glatzköppen.)

 

 

Fotos:  Kelly Sikkema, Andre HunterVance Osterhout auf Unsplash.

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