Als ich die Programmvorschau von Beltz Familie durchblätterte, machte ich mir nicht mal die Mühe, ein Post-It rauszukramen. Ich schrieb direkt eine Mail und bestellte ein Rezensionsexemplar. Außerdem bat ich um genau dieses Interview mit Olaolu Fajembola und Tebogo Niminde-Dundadengar, den Gründerinnen von Tebalou.
Das Rezensionsexemplar von ‚Gib mir mal die Hautfarbe. Mit Kindern über Rassismus sprechen‘ kam an und passend zum Titel lag eine Packung Buntstifte im Umschlag. Richtig, in allen möglichen Hautfarbentönen, passend zur Einschulung. Das Buch ist fantastisch und inzwischen auch ein offizieller Bestseller. Dazu herzlichen Glückwunsch an die Autorinnen und euch nun viel Spaß mit dem Interview!
Stell dich doch mal vor.
Du kannst mich gerne Tebbi nennen, aber mein Name im Pass ist Tebogo Niminde-Dundadengar und ich bin 40 Jahre alt, Mutter von drei Kindern und lebe seit fünf Jahren mit meiner Familie in Berlin.
Wir sind klassisch durch eine Jobentscheidung meines Mannes in Berlin gelandet. Die Großen war 6 und der Kleine war 4, als wir hergezogen sind. Und jetzt sind sie volle Berliner! Wenn nicht gerade Pandemie ist, dann genieße ich vor allen Dingen das kulturelle Angebot dieser Stadt und nichts planen zu müssen, weil immer irgendwas geht. Meine Kinder lieben das Naturkundemuseum nach wie vor.
Immer Sommer gehen wir gerne mit Freunden ins Yaam. Eins unserer Lieblingsrestaurants ist das Langano in Kreuzberg. Ich persönlich liebe die Serie ‚Poetry Meets‘, die immer woanders stattfindet.
Warum Repräsentation wichtig ist
Was machst du beruflich?
Ich bin gelernte Psychologin, aber keine Therapeutin. Ich habe 2018 mit meiner Kollegin den Onlineshop Tebalou für vielfältiges Kinderspielzeug und Bücher gegründet. Es ging uns um Repräsentation, weil wir uns selbst nicht in unseren Kinderbüchern gesehen haben und dreißig Jahre später, als wir auf der Suche nach Kinderbüchern für unsere eigenen Kinder waren, festzustellen, in Deutschland hat sich nicht so viel getan. Im englischen Kontext gibt es da mehr. Olaolu hat immer ganz viel aus England mitgebracht, wenn sie bei ihrer Familie war, und wir haben im Prozess der Gründung mitgekriegt, dass es nicht nur uns so geht, sondern auch Eltern, die Kinder mit einer Behinderung haben. Oder muslimische Familien! Es werden einfach ganz viele Kinder nicht repräsentiert.
Es gab zwar immer mal wieder etwas, aber man musste richtig danach suchen und wir wollten auch den kleineren Verlagen eine Plattform geben, damit dort Eltern von allen Kindern, auch wenn sie nicht betroffen sind, dort Bücher finden können.
Gab es eine Entwicklung, zu der Tebalou beitragen konnte?
Es ist eine Verbesserung da und gleichzeitig ist es für uns schwer, weil wir in einer Bubble leben. Wir kennen inzwischen den Markt ganz gut und die kleinen Verlage, die etwas Neues rausbringen, schreiben uns dann auch direkt an. Wir haben aber auch von den großen Verlagen schon Kataloge mit vorbereiteten Post-its erhalten, um auf die Produkte, die für uns interessant sein könnten, hinzuweisen. Es fanden ja jetzt aber auch zwei Jahre keine Spielzeugmesse statt, das heißt wir können nicht vergleichen, was sich allgemein getan hat.
Welche Art von diversem Kinderspielzeug bietet ihr an?
Schwarze Puppen, Puppen mit Down-Syndrom oder mit einem Cochlea-Implantat, Spielsets mit Braille Schrift, taktile Memories und natürlich Geschichten, in denen Kinder die Hauptrolle spielen und die Held*innen sind, die sonst eher in den Nebenrollen zu sehen sind.
Gibt es einen Bestseller?
Bei den Büchern tatsächlich unser eigenes. Lacht. Ein großer Hit ist immer von Constanze von Kitzing ‚Ich bin anders als du – Ich bin wie du.‘
In eurem Buch ‚Gib mir mal die Hautfarbe. Mit Kindern über Rassismus sprechen‘ befindet sich ebenfalls eine Liste von Kinderbüchern. Kannst du erklären, warum man die Kinderbuchauswahl nicht nur auf absolute Stars und Held*innen beschränken sollte?
Jedes Kind muss sich wiedererkennen können und spiegeln und das ist bei einer Rolle wie Rosa Parks nichts so leicht. Sie kann als Vorbild gesehen werden und es ist wichtig, diese Geschichten zu erzählen. Es gibt aber auch die Geschichten über ‚Max geht aufs Töpfchen‘ und Max darf auch Schwarz sein und Max darf eine Behinderung haben, damit jedes Kind ein Kinderbuch angucken kann und sagen kann ‚Guck mal, das bin ich oder das könnte ich sein.‘ Das macht mit den Kindern ganz viel, gesehen zu werden.
Alltagsgeschichten sind genauso wichtig wie die Geschichten über den Struggle
Es ist auch oft so, wenn wir die Geschichten über Kinder mit Behinderung haben, dann müssen die immer etwas ganz Tolles leisten, um in die Geschichte reinzudürfen oder dass sie durch Zauberei die Behinderung am Ende nicht mehr haben. Oder selbst eine Zauberfähigkeit haben! Zum Beispiel können sie dann mit Tieren sprechen, aber nicht mit Menschen. Sie können also nicht einfach sie selbst sein, um es wert zu sein, Held*in einer Geschichte zu sein.
Wie war der Gründungsprozess für euch als Partnerinnen?
Tebbi: Wir haben ein halbes Jahr lang ein Gründerinnenseminar hier in Neukölln besucht – von der Stadt finanziert, also kostenfrei für uns und auch nur für Frauen. Da ging es darum, ein paar Basics zu lernen. Ebenfalls kostenfrei ist der Businessplan-Wettbewerb. Was da ganz schön ist, dass du im Prozess des Business Plan Schreibens immer Ressourcen auf der Website findest und auch dreimal im Jahr Teile deines Business Plans einreichen kannst, die dann von zwei Gutachtern angeguckt werden und du bekommst Feedback. Da kannst du auch wirklich einfach mitmachen. Du hast die Chance zu gewinnen, wir haben nicht gewonnen. Aber das Feedback war super und du hast diese Terminsetzung von außen, und das gibt ganz gut Struktur. Wir sind außerdem ganz klassisch auf die deGut Gründermesse gegangen.
Dieser gesamte Prozess war ca. ein Jahr und dann ging es natürlich darum, Geld zu bekommen und das war die erste Ernüchterung. Wir haben auf der Messe mit einem Vertreter von der Bank gesprochen und der meinte ‚Das ist ja total interessant, aber es gibt doch eine schwarze Barbie.‘ Und wir haben ihm versucht zu erklären, dass das genau das Problem ist. Da mussten wir feststellen, dass es eventuell schwierig wird, einer bestimmten Zielgruppe, also zum Beispiel Bänkern, diese Idee zu vermitteln. Bei der zweiten Bank sind wir auch gescheitert. Da haben wir dann all unsere Kröten zusammengekratzt und haben klassisches Bootstrapping mit eigenen Mitteln betrieben. Crowdfunding hat auch nicht ganz zu uns gepasst, weil wir ja nichts Eigenes produziert haben.
Wenn Eltern gründen
Gibt es einen Geheimtipp zum Gründen als Mutter?
Business Plan und Finanzplan schreiben nervt total, aber es ist total wichtig. Sei es, um einfach zu sehen, wie viel Geld muss im Monat reinkommen, damit sich diese Idee trägt. Das haben wir zusammen gemacht. Reingefuchst und rangesetzt, mit den Vorlagen, die es im Netz auch gibt.
Aber mein Tipp ist tatsächlich, Community Buildung vorher zu betreiben, bitte, ihr lieben Leute da draußen. Vorher!
Wir hatten nämlich vorher nichts mit Instagram zu tun und haben an dem Tag, an dem wir online gegangen sind, Instagram gestartet. Und holt euch Steuerberatung von Anfang an. Tut es.
Was macht ihr sonst noch so?
Wir machen z.B. auch deutschlandweit Workshops und Online-Seminare für Erzieher*innen in Kitas oder tatsächlich auch für Firmen, vor allen Dingen wenn sie im Kinderbereich produzieren. Das könnte auch eine Produktionsfirma sein, die Kinder-Content produziert. Wir konzentrieren uns dabei auf Vielfalt in der frühkindlichen Bildung und machen keine Anti-Diskrminierungsworkshops. Das ist ein echt harter Job und Respekt an alle, die das tun.
Habt ihr euch bewusst hingesetzt und gesagt, wir müssen dieses Buch schreiben, sonst macht es keiner?
Der Verlag kam zu uns.
Nice!
Ja! Und das ist ziemlich genau ein Jahr her und die haben uns da gut durchgeführt. Und das trotz Weihnachts- und Ostergeschäfts, in der Zeit wir natürlich gar nicht geschrieben haben. Haha und natürlich Quarantäne und Homeschooling!
Buch schreiben während einer Pandemie
Wie seid ihr durch diese Zeit gekommen?
Ich habe drei Kinder. Keiner hatte Corona, aber wir waren viermal in Quarantäne, davon einmal vier Wochen am Stück. Irgendwie haben wir es geschafft mit Homeoffice, Homeschooling und Langeweile, aber jetzt höre ich aus meinem Freundeskreis auch die Erschöpfung heraus.
Ja, voll, die Mütter in meinem Umfeld sind durch. Absolut durch. Ist auch kein Wunder, wenn man sich anguckt, wer in Deutschland die Corona-Krankentage nutzt – und wer nicht.
Mein Mann hat ja Homeoffice gemacht und ich musste arbeiten gehen. Und dann weißt du, wie ein Mann in den 50ern gelebt hat, denn so habe ich gelebt! Mein Mann hat gekocht, eingekauft, der hat alles gemacht! Da dachte ich mir, hä wieso sollten Männer ein Interesse an Gleichberechtigung haben, das ist ja richtig geil dieses 50er Jahre Leben!
War bei mir ganz genauso. Aber wir sind die Ausnahme, glaub ich.
Mein Mann war jahrelang nur Wochenend-Papa, unter anderem als wir drei Kleinkinder hatten und ich ein Vollzeitstudium. Deshalb sagt er immer, sein Konto ist im Minus. Das ist der Grund, warum ich sage, es ist mir Wurscht. Ich geh aus dem Haus und bin erst um 23 Uhr wieder da. Ich bin auch selbstverständlich mal über Nacht weg. Außerdem sind die Kinder groß. Der Jüngere ist 9 und die Älteren sind 12.
Ist das ein schönes Alter?
Ja, weil sie super selbstständig sind und so richtige Gespräche am Esstisch führen können. Das finde ich voll spannend. Sie fangen an, Meinungen, deren Grundlage nicht aus dem Elternhaus kommt, zu bilden. Das ist wie damals, als die Kinder angefangen haben, zu sprechen, da war das Gefühl auch ‚jetzt lern ich das Kind erst kennen‘. Jetzt konsumieren sie Medien, die ich nicht konsumiere. YouTube vor allen Dingen. Meine Söhne gucken sich an, wie andere Menschen Minecraft spielen. Diese neue Popkultur kennenzulernen, ist für jemanden wie mich, der analog aufgewachsen ist, sehr spannend.
Für was sie sich interessieren und warum und um dann darüber zu diskutieren. Sie treten auch nicht in die Falle der eigenen Eltern, die alles ablehnen. Meine Tochter findet Serien gut, bei denen ich die Gender-Rollen schwierig finde, und da musste ich lernen, mich zurückzuhalten und nicht sofort zu haten. Sondern sie eher zu fragen, hey, was findest du daran spannend? Ich seh das so, wie siehst du das? Du kannst das gucken, aber findest du es nicht auch kritisch, dass…also einfach im Gespräch bleiben?
Das ist interessant, dass du das sagst. Mit Till Raether habe ich im Sommer ähnliches besprochen.
Ja, meine wollen auch unbedingt auf Social Media sein. Sie wollen TikTok und ich setz mich hin und sage, nö, darf man noch nicht, steht so im App Store. Ihr Gesicht wollen sie nicht zeigen, aber ich bin mir nicht bei allen Kindern ganz sicher, ob sie nicht vielleicht doch Influencer werden wollen. Wir sprechen aber über die Gefahren, und was das alles bedeutet. Ob es jetzt andere Erwachsene im Netz sind, auch gefährliche, oder die Klassenkamerad*innen, die das sehen und kommentieren könnten.
Zum Schluss: was geht gar nicht und was geht immer?
Elternabende gehen gar nicht. Mein Mann war sogar im Bezirkselternvorstand. Das ist super zeitintensiv, aber als marginalisierte Person so wichtig, weil sich dann andere trauen, über ihn ihr Anliegen vorzubringen, wenn sie das Gefühl haben, sie kommen nicht an die Schule ran. Ich habe das bewusst gemacht als Schutz der Kinder. In Deutschland ist es ja nach wie vor so, dass bildungsmäßig alles vom Elternhaus abhängt. Ich glaube, dass die Kinder und die Eltern anders angesehen werden, wenn die Eltern Elternvertreter*innen sind. Finanzielle Ressourcen helfen sowieso, aber Engagement auch.
Fotos: Katja Hentschel