Dieser Artikel ist meinem Mann, meinem Benny und meiner Nora gewidmet. Männer kommen und gehen, der Verein bliebt ein Leben lang. Wir sind alle Dortmunder Jungs.
Mama würde aber auch gerne mal wieder zum Friseur und zur Pediküre und prinzipiell auch gerne zweimal die Woche zum Sport. Mama würde auch gerne jeden Tag kochen und einmal die Woche zuckerfreies Vollkorn-Bananenbrot backen. Das hat sie nämlich noch gemacht, als sie ein Baby hatte und in Elternzeit war. Vor dem Baby sowieso.
Doch nun hat Mama ein Kleinkind und einen Job und wiegt mehr als während der Elternzeit. Geil, wa? Kennt ihr das? Nennt sich Büro-Fett.
Letztens hab ich was gesucht und da ist mir eine alte Postkarte in die Hände gefallen. Da stand drauf: Ballett und Bier formten diesen Körper. Ist richtig. Jetzt heißt es, um die Alliteration zu komplettieren: Ballett, Bier und Baby formten diesen Körper. Wartet mal, noch besser: Ballett, Bier, Baby und Büro formten diesen Körper.
Das bedeutet: die krassesten Oberarme meines Lebens, lange, muskulöse Beine und eine Bequemlichkeitswampe vom allerfeinsten. Sport sollte also prinzipiell eine Priorität sein. Da ich nun aber auch des Öfteren arbeitsmäßig unter Menschen bin, sollten meine Haare zumindest nicht allzu abgefuckt sein. (Und wir haben schon echt niedrige Standards hier in Berlin.) Friseur ist also auch wichtig. Und natürlich der ganze Rest: Essen (einkaufen und kochen), Arbeit (geduscht und angezogen sein), Kind (angezogen, gefüttert, sauber), Leben (Rechnungen bezahlen, Urlaub planen und schlafen). Ab und zu was auf den Blogs veröffentlichen, innovative Ideen für die Zukunft unseres Start Ups erarbeiten und Bücher lesen. Ach, und eine Ehe führen! Krieg ich alles hin, irgendwie.
Was ich nicht hinkriege? Freund*innen, Schminken und Fußball gucken
Was irgendwie Scheiße ist, denn vor fünf Jahren habe ich noch regelmäßig geschminkt mit meinen Freund*innen Fußball geguckt. Und das sehr gerne. So sehr, dass ich meinen eigenen Abiball für das Italien-USA Spiel verlassen habe 2006.
Wir haben einen schwarzgelben Haushalt, das ist auch gut so, sonst hätten wir ein Problem. Wenn ich Menschen erzähle, dass mein Mann bei einer Fußballzeitschrift arbeitet, dann kommt immer sofort: Oh, kriegt der auch Karten? Und ein: Mensch, das ist dann bestimmt voll blöd als Frau, wenn der Mann dann auch noch beruflich was mit Fußball macht. (Hier wird dann vorausgesetzt, dass Frauen keinen Fußball mögen.)
Ich muss dann immer ganz schnell, ganz trotzig sagen, dass wir uns wohlgemerkt bei dieser Fußballzeitschrift kennengelernt habe, weil ich da auch mal kurz gearbeitet habe. Und dass ich auch mal eine Doku über Diskriminierung im Fußball mitproduziert habe, Interviews mit Fußballer*innen geschrieben und geführt habe und tausend mehr Trikots besitze (Ist nicht so schwer, mein Mann besitzt prinzipiell eher nicht so viele.). Ich muss mich nicht verteidigen, das könnte mir egal sein, ist es aber nicht.
Denn ganz wahrheitsgemäß muss ich dann auch hinzufügen, ganz still, dass das alles ein bisschen weniger geworden ist mit dem Fußball. Aus schon aufgeführten Gründen. Keine Zeit, zu müde, etc. Die WM, die große, tolle, 2014, habe ich schwanger verbracht, und festgestellt, dass Fußball ohne Bier auch nur halb so geil ist. (Wenigstens bin ich ehrlich.) Beim legendären 7:1 bin ich eingeschlafen. Schwanger halt. Danach wollten wir dann etwas zum Hauptbahnhof und zur Fanmeile, um „den Moment mitzunehmen“. Es hat gestunken wie Sau, alle sahen aus wie Zombies und ich wollte eigentlich nur weiterpennen.
Ein paar Mal war ich auch schwanger im Stadion, das war nicht viel besser. Wenn um einen herum alle rauchen, saufen und die Sitze so schon unbequem sind, dass man lieber steht und wippt und hüpft, dann ist das alles schwanger um so beschissener. Denn schwanger stehen, sitzen, wippen und hüpfen fand ich eher ungeil. Ich fand vieles ungeil, als ich schwanger war, da gab es nicht viel happy beppy sunshine glow, eher so kotzy kotzy müde, schlafen, Hunger.
Und dann? Dann hatte man ein Baby, hat es ab und an hingekriegt Champions League zu gucken und ich kam noch grade so hinterher, wer jetzt neu bei uns ist und wer verkauft wurde. Das kann ich inzwischen absolut vergessen. Gut, dass Reus eh immer verletzt ist, und Götze inzwischen wieder der Gute ist und Hummels nun der blöde Bayern-Judas. Was scheiße ist, weil mein einziges unterschriebenes Trikot das von Hummels ist. Pech. Ach whatever, bei uns kommen eh immer alle zurück. #sahin #kagawa
Mein Mann sagt gerade, dass Götze auch länger ausfällt, Stoffwechselkrankheit. Ich erinnere mich, hab ich letztens in der Gala gelesen. Oh Gott. Die 23-jährige Elina würde mich grade mega böse angucken. In der Gala!
Zum Glück kann man sich über iCal einfach alle Termine von der Lieblingsmannschaft runterladen, inklusive Champions League und Pokal. Früher hab ich sowas ernsthaft per Hand aufgeschrieben, haha.
Da ich nun aber immer noch zum Lesen komme, das geht nämlich auch häppchenweise und ich bin viel unterwegs, hab ich letztens ‚Ballbesitz. Frauen, Männer und Fußball.’ von Dagmar Hintze angefangen. Das ist eine schöne kleine Sammlung von Erzählungen über Dagmars Dasein als Fußballfan. Und dass sie das nicht immer war. Dagmar hat nämlich eigentlich was mit Theater zu tun und genau deswegen findet sie Fußball phänomenal. Sie plädiert an alle Frauen (und Männer), die sich nicht für Fußball begeistern können, es mal zu probieren. Und zwar richtig.
Menschen, die Fußball lieben, können Momente erleben, wie sie an Intensität im Leben nicht allzu oft vorkommen.
Ich meine das übrigens vollkommen ernst. Und finde es bedauerlich, dass viele Frauen sich einer Erfahrung berauben, die viel weniger mit bierseligem Zeitvertreib zu tun hat als mit Nachdenken über das Leben: anhand von Fußballspielen. Nur deshalb sitzen Männer endlos zusammen und fachsimpeln – weil es immer wieder um alles geht.
Es ist einfach wirklich schönes Buch, und es hat mich mal daran erinnert, das Fußball eigentlich ein wichtiger Teil meines Lebens ist. Wenn wir mit dem Kind zum ersten Mal im Stadion sein werden, wird das für uns wichtiger sein, als der erste Schultag.
Einfach wieder schön Fußball gucken, das wärs
Jetzt ist aber Wochenende. Die Sonne scheint und es ist Derby. Und ich? Warte, dass das Kind einschläft. Der Mann ist auf dem Weg zur Kneipe. Hat er sich verdient, wirklich. Ich war grad vier Tage weg, hab genug Zeit biertrinkend mit Männern in Kneipen verbracht. Außerdem hätte ich eh niemanden zum zusammen Gucken.
Langsam kommen die ersten Nachrichten aus NRW. Sprachnachrichten, wohlgemerkt. Grölende Beweise eines grandiosen Tages. Wahrscheinlich kippen die alle seit 8.28 Uhr morgens ihre Feiglinge und Herforder. Dann fährt nämlich in Minden der NRW Regio nach Dortmund ab. Das waren noch Zeiten. Wenn ich heute ab und an am Wochenende im Zug sitze und sich die anderen Eltern im Kinderabteil über die Lautstärke der besoffenen Fans beschweren, denke ich mir nur: „Wie, Winterpause ist schon wieder vorbei? Wir haben März?“.
Letztens fragte mich ein Arbeitskollege, ob ich nicht mal wieder zum Fußball will. Zum nächsten Heimspiel. Und ich so, wann wäre das? Vielleicht ist da ein Verwandtengeburtstag, dann müsste man eh nach NRW. Wann hat denn der Mann wieder Abgabe? Muss meine Mutter das Wochenende arbeiten? Dann müsste sie ihre Schicht tauschen und ich muss gucken, dass ich am Tag danach einen späteren Zug nehme. Müsste auch ein Samstagsspiel sein, denn alles andere ist zu kompliziert. Der Arbeitskollege so: kannst du nicht einfach alleine nach NRW fahren und das Kind beim Mann lassen? Der würde sich bedanken, meinte ich so, das ist ja das Problem, wenn beide Eltern gerne beim Fußball sind.
Und nur für ein Fußballspiel quer durch Deutschland fahren? Das wäre ja … wie früher. Ich guck noch mal in den Familienkalender.
Mein Mann ist übrigens zu Hause geblieben. Er sei müde vom Spielplatzvormittag und hat gehört, worüber ich grad schreibe, da wollte er mal wieder zusammen Derby gucken. Das Kind hat sein Südtribünenshirt an und schläft zwischen uns beiden. Stefan Hempel fragt wer die besten Kohlen im Pott hat und versucht das Derby anzumoderieren. Halt die Fresse, denk ich mir, jetzt is Fußball. Da kann man sich auch die Nägel lackieren und Wäsche falten, muss ja.
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