Wir kennen sie. Vom Spielplatz, vom Kindergarten, vom Drogeriemarkt, vielleicht aus dem eigenen Freundeskreis. Manchmal sind wir es selbst, manchmal müssen wir die innere Dinkel-Dörte hart kontrollieren. Ich dachte ja, dass sich jede Dinkel-Dörte spätestens zur Schule einfach verwandelt, in Champagner-Charlottes. Pustekuchen, sagt meine Freundin, ihre Dinkel-Dörte ist alive and well. Meine Freundin fragt mich, was sie tun soll. Wie wird man eine Dinkel-Dörte los, die sich für zuckerfreie Kindergeburtstage engagiert?
Meine Freundin ist müde, aber auch fassungslos, seit dem letzten Elternabend wird darüber diskutiert, wie man die Geburtstage der Kinder handhaben soll. Süßigkeiten sind nämlich tabu, sagt Dinkel-Dörte, sagt meine Freundin. Dann bringe wir den Kindern keinen maßvollen Umgang bei. Kleines Plastikspielzeug made in sonstwo geht auch nicht, dann geht die Welt zugrunde. Dann bringen wir den Kindern keine Nachhaltigkeit bei. Aber Dinkel-Dörte macht dreimal im Jahr Fernreisen, sagt meine Freundin. Natürlich wird Dinkel-Dörtes Kind mit dem SUV zur Schule gebracht, sagt meine Freundin.
Müde hört sich meine Freundin an. Sie sagt, sie kann das bald nicht mehr und dass sie sich fühlt, als würde sie von einem anderen Planeten kommen. Nun, meine Freundin hat Migrationsgeschichte, welche, soll egal sein. Meine Freundin kommt aus keiner ruhigen Familie, die abends Pumpernickel isst und Freitags die Brettspiele auspackt. Deshalb verwirrt sie der Vorschlag, dass Dinkel-Dörte möchte, dass jedes Geburtstagskind einfach ein Brettspiel kaufen könnte, sehr. Für die Schlechtwetterpausen! Glückwunsch, sagt meine Freundin, der Spaß kostet schon mal locker 20€ und aufwärts pro Spiel. Nun, der Betrag geht ja bei einem Kuchen auch drauf. Meine Freundin kann nur lachen. Junge, ich back dir zwei Torten für 5€! Hach, meine Freundin. Ganz davon abgesehen, sagt sie, gibt es eine Spielesammlung in der Klasse und in der Schule.
Auch wenn ich mir ewig lustige Dinkel-Dörte Anekdoten reinziehen könnte, von denen wir auf dem Land bisher weitestgehend verschont geblieben sind, versuche ich nun aber ernsthaft zu helfen. Ich sage ihr, dass es bei uns Diskussionsverbot gibt, alles andere wäre Zeitverschwendung und alle freuen sich drüber. Warum sie nicht der Klassenleitung schreibt? Gibt es Regeln von der Schule? Wie machen es die anderen Klassen? Ist es wirklich nur die eine Dinkel-Dörte?
Ja, sagt meine Freundin. Und dass Dinkel-Dörte Klassenpflegschaftsvorsitzende ist. Ups, denk ich mir, hmpf. Kann man nicht einfach Anarchie machen? Oder ey, wir leben doch individuellen Zeitalter des Konsumismus und des eigenen Glückes, lass die Kinder Schmiede sein! Dürfen die Kinder das nicht einfach selbst entscheiden? Jedes Kind so wie es will?
Meine Freundin denkt drüber nach. Sie denkt vor allen Dingen an die Mütter in den Großstädten, wie kriegen die das hin? Ich sage ihr, in den Großstädten arbeiten alle, die haben keine Zeit für solche Diskussionen. Wir lachen und wissen beide, dass es nicht stimmt. Diese Diskussionen finden jeden Tag statt.
Meine Freundin hat bei der Lehrkraft vorgeschlagen, dass die Kinder abstimmen sollten. Eine Stunde später fällt ihr noch ein: Flummis sind übrigens auch verboten, weil die achtjährigen Grundschulkinder daran ersticken könnten!
Auch interessant
Lisa Roy: „Kann ich mir meine Haltung zu Social Media leisten?“ Jetzt lesen.
Herr Lehrer, ich habe da noch eine Frage zum Abitur! Jetzt lesen.
Migrantenmutti: „Ich ertrage diese weiße, westdeutsche, wohlhabende Elternblase nicht mehr“ Jetzt lesen.