Hauptstadtmutti

Das Kind muss in Quarantäne! – Drei Erfahrungen

Anfang November wurde es ruhig im Gruppenchat. Bis irgendwann rauskam, dass drei von uns sich in Quarantäne befanden. Und auch wenn wir angesichts der Zahlen und Entwicklungen wussten, was da auf uns zukommen wird, früher oder später, war es dennoch eine neue Erfahrung. Hier kriegt ihr einen kleinen Einblick, wie es uns damit ging.

Luisa: Keine Überraschung

Letzte Woche Montag, als ich mit allen anderen FFP-2-maskierten Eltern, auf meinen Zweitklässler vor dem Schulgebäude warte, steht plötzlich die Klassenlehrerin zwischen uns und wedelt mit irgendwelchen Papieren herum: die Testergebnisse des aktuellen PCR-Lollitests.

Ich denke, ich habe mich verhört: Es gibt mindestens zwei positiv getestete Kinder in der Klasse?!?! Den Schul-Mails zufolge, die in der Woche zuvor fast täglich in mein Postfach flatterten, war das schon fast keine Überraschung mehr: geht ja gerade rum.

Und was jetzt? Alle Eltern stehen hilflos auf dem Hof. Keiner will so richtig weiter in der Menschentraube verharren, aber es gibt so viel Gesprächsbedarf!

Quarantäne-Modus

Trotzdem gehen wir nach Hause und rein in den Quarantänemodus. Ich lese nochmal über milde Verläufe bei Kindern und teile ihnen mit, dass sich ihr Immunsystem viel besser gegen das Virus verteidigen kann, als das von Erwachsenen. Meine Kinder wollen Corona auf den Mond schießen. Wir testen nach und achten auf Symptome. Nix. Das Kita-Kind bleibt auch zu Hause. Sie hat eine Schnoddernase.

Mein Learning nach dem Weihnachts-Lockdown 2020: erstmal die Stimmung hoch halten und nur nicht die Nerven verlieren. Ich habe keine Ahnung wie oft meine Kinder jetzt schon alle Staffeln von Paw Patrol und Lego Ninjago gebinge-watched haben. Irgendwann musste auch ich einsehen, dass es keinen Sinn ergibt, mich für den corona-geschuldeten erhöhten Medienkonsum selbst zu kasteien. Mama braucht auch mal eine Pause, muss Masterarbeit schreiben und Texte abliefern. Papa ist im Büro.

Als intellektuellen Ausgleich haben wir immerhin ein Schachspiel für den Zweitklässler (er wollte das) und ein Maumau-Spiel für die Vierjährige bestellt (sie wollte das). Können wir wenigstens zusammen machen. Hauptsache Spaß.

Wir sind zum Glück negativ geblieben, doch der Winter wehrt noch lang und das war sicher nicht das letzte Mal in Quarantäne.

Andrea: Erwischt.

Erkältungszeit. Die Kinder husten seit Wochen. Die letzte Erkältungssaison fiel wegen Lockdown und Maske irgendwie aus und jetzt hat das Immunsystem Nachholbedarf. Also Tee, Hustensaft und Streicheleinheiten. Die Corona-Tests sind mittlerweile wie Zähneputzen, die Kinder hassen es, haben sich aber dran gewöhnt. Normal waren auch die Testergebnisse: negativ. Weitermachen. Nur über dem Testergebnis des Neunjährigen ragen an einem Samstag zwei ratlose Köpfe.

Scheiße. Das Gehirn versucht einzuordnen.

Es schießen unweigerlich die Worte Krankenhaus und Beatmung durch den Kopf. „Kinder haben einen leichten Verlauf.“ sage ich zur Beruhigung von uns beiden. Wir rufen den Neunjährigen und zeigen ihm die beiden rosanen Streifen. Der Junge guckt verstört und fragt seinen Vater: „Bist Du böse auf mich, weil ich mich angesteckt habe?“

Unfassbar, wie naiv wir waren. In den fast zwei Jahren Pandemie haben die Kinder ständig von Ansteckung, Krankenhaus, Beatmung und Tod gehört. Sie haben erlebt, wie die Welt wegen dieses Virus stillstand. Geburtstage fielen aus, Schule fiel aus, Leben, wie sie es kannten, fiel aus. Und auf einmal steckt das Virus in dem Körper eines kleinen Jungen und er fühlt sich schuldig, weil wir es versäumt haben, ihm zu erklären, dass die Politik das jetzt so entschieden hat. Dass es zwangsläufig so kommen musste, dass er sich ansteckt, dass er daran nicht sterben wird und er keine Angst haben braucht. „Du kannst nichts dafür!“ antworten wir ihm.

Ansteckung unausweichlich

Er hat Kopfschmerzen. Er fühlt sich schlecht und wir uns elend, weil wir nicht früher mit ihm darüber gesprochen haben, dass er sich wohl anstecken wird, weil für seine Altersgruppe kein Lockdown vorgesehen ist. Er muss in Quarantäne bleiben, genau wie die ungeimpften Geschwister, die sich dann alle der Reihe nach anstecken. Der erste familiäre Impfdurchbruch mit beunruhigenden Symptomen lässt auch nicht lange auf sich warten.

Das Glück dieser Tage ist, wenn die Erwachsenen nacheinander krank werden, sodass wenigstens einer die Fahne hochhalten kann. Auch im 3. Winter mit dem Corona-Virus hielt sich der feste Glaube, dass wir schon irgendwie durchkommen werden. Jetzt fand das Virus seinen Weg zu uns nach Hause, in unseren sensibelsten Bereich: die Kinderzimmer. Müssen wir uns daran jetzt gewöhnen?

Elina: Definiere ‚Quarantäne‘

Das Schlimmste war die E-Mail am Montagabend. Kinder können immer krank werden und mit dem Risiko leben wir als Eltern. Diesen Puffer haben wir uns durch den Umzug aufs Land und in die Nähe meiner Familie besorgt, so dass im absoluten Ernstfall die Großeltern, Tanten und Cousinen helfen können. Diese Unterstützung entfällt in der Sekunde, in der das Q-Wort fällt. In unserem Fall kam eine Mail am Montagabend, dass es einen Corona-Fall in der Klasse gab. Aufgrund des Poltest-Verfahrens wusste allerdings niemand, wer das Kind war. Also musste die ganze Klasse einen Tag zu Hause bleiben und auf das individuelle Ergebnis warten.

Negativ! Yay! Das Ergebnis kam Dienstagabend um 18 Uhr. 15 Minuten lang Erleichterung. Um 18:15 Uhr dann wieder eine Email: Ätsch Bätsch, euer Kind saß neben dem Corona-Kind, herzlichen Glückwunsch, Quarantäne viel Spaß. Wir googelten bis 22 Uhr und fragten Luisa, die zwar in einem ähnlichen Boot saß, aber leider in Berlin und nicht NRW vor Anker war. Was für Luisa galt, war bei uns hinfällig. Ich hatte aber ein Event in Berlin geplant und Linnie und ich planten seit Wochen, ganz abgesehen davon, dass ein großer Kunde dahinter war.

Was heißt denn Quarantäne?

Das Kind war begeistert davon, nicht in die Schule zu müssen und plante mit dem Vater die tollsten Waldausflüge, bis Mutti den beiden mal erklärte, was eigentlich Quarantäne bedeutet. ‚Hä, aber er ist doch negativ?‘ Mein Mann, der Experte. ‚Und wieso dürfen wir dann raus?‘ -Weil wir vollständig geimpft sind. ‚Und wenn er aber doch noch positiv ist?‘ -Das ist genau das Problem.

Wir waren also in einer Zwickmühle, einem Catch-22, einem Teufelskreis. ARGH. Ich musste eine Entscheidung treffen. Event mit 25 Personen, davon über 10 Kinder durchziehen? Nach Berlin fahren? Oder freiwillige Quarantäne?

Klar war: keine Playdates, kein Besuch, kein Büro, alle blieben so weit es geht zu Hause. Doch selbst das schrie nach Privilegien. Eigentlich kann ich mir das als Selbstständige nicht leisten und eigentlich weiß ich genau, ich sollte jetzt nicht mal einkaufen gehen. Wir blieben gesund, wir testeten weiter, wir blieben negativ. Glück gehabt. Das Event habe ich abgesagt, weil ich als Verantwortliche mit Risiko hingefahren wäre. Auch frisch getestet bleibt ein Rest-Risiko und wir leben mit einer neuen Realität: jeden Tag könnte wieder eine Email kommen, es ist nur eine Frage der Zeit.

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