Hauptstadtmutti

Würdet ihr eine frisch verheiratete, junge Mutter einstellen?

Jetzt hab ich schon fast zwei Monate keinen Artikel mehr für für Hauptstadtmutti geschrieben. Angefangen hab ich hier ziemlich genau vor einem Jahr. Elternzeit war vorbei, niemand wollte mich einstellen und meine Masterarbeit wollte und wollte nicht fertig werden. Ein Jahr später arbeite ich Vollzeit für ein Start-Up für mobiles Storytelling, das tatsächlich an die berühmt berüchtigte Work-Life-Balance glaubt und bei denen ich mich unter anderem auch um den Firmenblog kümmere. Als ich dort letztes Jahr anfing, war es mir wichtig, einen Artikel zu schreiben, der meinen Weg von ’nicht einstellbare junge Mutter‘ zu ‚lasst mich in Ruhe auf Linkedin‘ beschreibt. Und ja, das geht. Da Isa mir nun seit Wochen in den Ohren liegt, dass sie diesen Artikel gerne auch auf Hauptstadtmutti hätte, da ich ja nun auch ohne die HSM-Gang nicht da wäre, wo ich nun angekommen bin, habe ich den Artikel mal übersetzt und gekürzt. Et Voilà:

Würdet ihr eine frischverheiratete junge Mutter Ende 20 einstellen?

Alle reden davon, wie toll arbeitende Mütter sind. Die Statistiken reden von Effizienz, lösungsorientiertem Arbeiten, dass arbeitende Mütter glücklicher und weniger depressiv sind. Sie sind die Organisiererinnen, Erfinderinnen des ‚gut genug‘ und die, die wirklich was hinkriegen. Außerdem sind unsere Kinder besser in der Schule, ha.

Und warum wollte mich dann keiner einstellen, als ich mit meiner Masterarbeit und Elternzeit durch war?

Klar, denn während ich mich (mit meinem Mann zusammen) um ein Baby gekümmert habe, halb Europa bereist habe, meine Masterarbeit geschrieben habe, an einem Blog mitgearbeitet habe und freiberuflich als Übersetzerin gearbeitet habe, habe ich auch noch wöchentlich Bewerbungen und Anschreiben rausgehauen. Ich habe Freund*innen, Bekannte und ehemalige Arbeitskolleg*innen immer und immer wieder gefragt, ob sie was gehört haben.

Zu den Bewerbungsgesprächen wurde ich eigentlich immer eingeladen, auch gerne zur zweiten oder dritten Runde, aber den Job hab ich nie gekriegt, dafür aber immer die Einladung, freiberuflich im Team ‚auszuhelfen‘. Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr und habe nur noch freiberuflich geschrieben. Durch einen Auftrag für Broadly bin ich dann auf oolipo gestoßen. Ich fand die Firma und was sie vorhatten so interessant, dass ich die Frau, die für oolipo in Deutschland zuständig war, auf Facebook befreundete. Und sie nahm an.

Ich schrieb ihr eine Nachricht, in der ich erklärte, dass ich Bock hätte für sie zu arbeiten, oder zu schreiben, je nachdem. Irgendwann trafen wir uns mal auf einen Kaffee und ich blieb am Ball. Meldete mich regelmäßig bei ihr und sprach sie auf Events immer wieder an. #shepersisted

In der Zwischenzeit fand unser Nachwuchs die Kita, in der wir einen Platz ergatterten, mehr so suboptimal, jedenfalls wurde das Kind immer wieder richtig krank. Nach einem Monat waren wir mit den meisten Mitarbeiter*innen der Kinderklinik per Du. Ich blieb zu Hause mit dem kranken Kind, denn ich war ja ’nur‘ Freiberuflerin. Mein Mann ging fleißig in sein Büro zu seiner Festanstellung. Wenn das Kind schlief oder Oma zu Besuch war, arbeitete ich.

Die Achterbahnfahrt von gesund, krank, zu Hause, gesund, Kita, krank, zu Hause nahm kein Ende. Bis die Kinderärztin uns ganz ehrlich sagte, sollten wir die Möglichkeit haben, das Kind aus der Betreuung rauszunehmen, es bitte so schnell wie möglich zu tun. Warum das so beschlossen wurde, und welche Hintergründe da mit im Spiel waren werde ich bei aller Offenheit und Mitteilungsfreude hier nicht erzählen, bitte habt Verständnis.

Jedenfalls, noch während wir die Praxis nach diesem Donnerschlag verließen, dachte ich so ganz im Stillen:

Und was ist mit mir?

In dem Moment hat sich der Stillstand unendlich angefühlt. Mein Kind war zu jeder Sekunde meine, unsere Priorität. Doch während alle Altersgenossen glücklich und fidel zusammen in der Kita rumturnten, saßen wir zu zweit zu Hause oder gingen spazieren. Es tat mir ja auch leid, dass mein Kind den sozialen Kontakt meiden musste. Aber ihm schien es am besten zu gehen, wenn es bei Mama war. Nur dass Mama halt auch gerne mal einfach in Ruhe ein paar Stunden gearbeitet hätte. In einem Büro. Mit Menschen. Nicht von 12 bis 14 Uhr während die Waschmaschine läuft.

Krass selbstsüchtig die Alte, wa?

Vielleicht. Natürlich ist die Zeit im Nachhinein kurz gewesen, aber glaubt mir, in dem Moment … hab ich nur gesehen, dass eine ausgebildete, gebildete, intelligente Frau fast zwei Jahre zu Hause bleiben musste, obwohl wir das nie offiziell geklärt hatten. Denn der Mann war der Hauptverdiener, der Festangestellte, der mit dem Geld, der die Rechnungen bezahlt.

In der Zeit durfte ich für Hauptstadtmutti auch zur Lesung von Orna Donath gehen. (Dat is die mit dem #regrettingmotherhood) Fuck man, würde mir das auch mal passieren? Bin ich dann irgendwann die 50-jährige, die ihre Kinder heiß und innig liebt, aber es bereut, keine Karriere gemacht zu haben? Haha, ich weiß, die Dramatik für ein paar Monate zu Hause. Aber mal im Ernst. Wäre ich einfach eine weitere Freiberuflerin in Berlin, die von 15.30 bis 17.00 Uhr auf dem Spielplatz rumhängt, oder irgendwo in Teilzeit arbeitet, für ein bisschen Geld, ohne echte Rücklagen für später? Frage ich mich dann auch: Ist das hier ein bezahltes Hobby oder ein Job? Wo ist der Unterschied? Nur um dann nach Hause zu gehen, um Essen zu kochen? Vielleicht will ich ja auch mal nach Hause kommen und dann hat da jemand für mich Essen gekocht?

Long story short: oolipo heuerte mich letzten Sommer an. Freiberuflich. Mein Tagessatz war so gut, dass ich in Kombination mit meinen Artikeln für Hauptstadtmutti und andere Plattformen mehr verdiente als mein Mann. Während ich Vollzeit zu Hause war, mit Kind. Boom.

Ich stand jeden Tag um 5 Uhr auf und arbeitete bis das Kind aufwachte. Ich arbeitete während des Mittagsschlafes. Sobald der Mann zu Hause war, arbeitete ich wieder. Am Wochenende ging ich in einen Coworking Space. Wenn ich nicht mehr hinterherkam, fuhr ich zu meinen Eltern aufs Land. Oh, was war ich glücklich. Ich hab Emails geschrieben! An andere Erwachsene! Ach so. Wen ich nicht mehr gesehen habe? Genau, meinen Ehemann.

Durch meinen Arbeitsmarathon und meine inzwischen verfluchte Glückseligkeit über meinen neugefundenen Vereinbarkeitsstress, zog ich mir auch noch eine Schleimbeutelentzündung zu. In der Schulter. Auf der Seite, mit der ich schrieb. Wo denn sonst? Doch bevor ich tatsächlich zu einer Ärztin ging, ignorierte ich die Schmerzen bis ich nur noch unter Tränen mein Haar schamponieren konnte. Ich schrieb und tippte und trug den Einkauf und mein bockiges bzw. faules Kind.

Ich musste sofort aufhören zu schreiben und fiel auf unbestimmte Zeit aus. Wieder dachte ich, das war’s. Niemand wird dich fest einstellen, wenn deine Schulter abgefuckt ist. Was oolipo mir sagte? „Kriegen wir alles hin. Geh nach Hause und erhol dich.“

Wir haben es hingekriegt.

Meine Projekte wurden stillgelegt oder anderen zugeteilt. Ich war drei Wochen lang krank. Meine Krankheit war vielleicht für die Firma kein Thema, aber als Freiberuflerin war es eine Vollkatastrophe. Kein Einkommen. Dafür kostspielige Stosswellentherapie, Ostheopathensitzungen und Kortisonspritzen. Tägliche Physiotherapie. Bis heute wöchentliche Massagen. (Bei dem Punkt beschwer ich mich nicht.)

oolipo hat mich trotzdem angeheuert. Vollzeit. Unbefristet. Trotz Kind. Trotz kaputter Schulter.

Ich habe Glück, weil ich für ein junges Unternehmen arbeite, dem es prinzipiell egal ist, ob ich mein Kind andauernd abhole, oder mal im Home Office sein muss, oder meine Projekte nachts abarbeite. Ich kann das machen, weil meine Arbeit ortsunabhängig ist und meine Chefs und Arbeitskolleg*innen großartig sind. Eigentlich brauche ich nur einen Laptop und ab und zu Internet. Das ist ein Privileg, und das so etwas hauptsächlich in der Knowledge Economy möglich ist, ist mir klar. Ich bin unendlich dankbar dafür, so unglaublich flexibel arbeiten zu können.

Trotzdem musste ich mich an die Bewerbungsgespräche erinnern, in denen ich nach meinem Kind gefragt wurde. Ich wurde gefragt, ob wir schon eine Kita gefunden haben, wie das Kind heißt, ob es oft krank wird, und wie ich glaube, das alles zu managen. Diese Fragen sind nur ein Jahr her, aber ich würde sie heute nicht einmal mehr zulassen. Dieses Selbstbewusstsein hatte ich aber vor einem Jahr noch nicht.

Bei oolipo wurde ich nie nach meinem Kind gefragt, oder ‚wie ich das hinkriege‘. Das Kind existiert, aber mein Job ist mein Job. Die Firma, für die ich arbeiten darf, respektiert Work-Life-Balance tatsächlich. Es gibt diese Firmen, habt keine Angst sie zu suchen.

Viele Eltern, aber vor allen Dingen viele Mütter, hören auf, sich um sich selbst zu kümmern. Wir lassen uns unsere Haare schneiden wenn es  wirklich nicht mehr anders geht oder wir schaffen es einmal im Jahr zur Zahnreinigung, aber wir hören auf zu glauben, dass wir Menschen sind. Ja, das ist sehr dramatisch. Es ist aber auch so, weil wir anders behandelt werden. Wenn ich mit dem Kinderwagen unterwegs war und bin, werd ich unsichtbar. Menschen stellen sich in Schlangen vor mir hin oder sie laufen buchstäblich in mich rein. Weil sie mich nicht gesehen haben. Mit Kinderwagen. Es ist wirklich das seltsamste Phänomen, aber es ist nun so oft passiert, dass es kein Zufall sein kann. Viele Mütter erzählen mir, dass es ihnen auch passiert.

Im Alltag kann das nerven, aber wenn man aufhört an sich selbst zu glauben, weil Bewerbungsgespräche und Feedback negativ oder ignorant sind, dann tut das weh. Mein Arbeitgeber hat mir gezeigt, dass mein Potential nicht ignoriert wird, sondern gefeiert. Es ist unglaublich motivierend, wenn man für eine Firma arbeitet, die an dich geglaubt hat, als es sonst keiner wollte.

Foto: unsplash.com/Flaunter.com

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Ein Kommentar zu “Würdet ihr eine frisch verheiratete, junge Mutter einstellen?

  1. Deshalb habe ich immer kaum persönliche Daten in den Bewerbungen angegeben. Dass ich ein Kind habe, habe ich auch bei 2 Stellen quasi erst beim unterschreiben des Vertrages gesagt.
    LG
    Lia

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